Alfred Döblin
Alfred Döblin (* 10. August 1878 in Stettin; † 26. Juni 1957 in Emmendingen) war ein deutscher Arzt und gesellschaftskritischer Schriftsteller.
Leben
Von 1888 an lebte Döblin in Berlin. Die Familie war dorthin gezogen, nachdem der Vater sie verlassen hatte und mit einer wesentlich jüngeren Frau nach Amerika ausgewandert war. Schon früh begeisterte ihn der technische Fortschritt, der sich im Großstadtleben ausdrückte. Von 1905 bis 1930 arbeitete Alfred Döblin als Nervenarzt in Regensburg, Freiburg im Breisgau und Berlin. 1910 begann seine Mitarbeit an Herwarth Waldens neu geründeter expressionistischer Zeitschrift "Der Sturm". Heinrich von Kleist, Friedrich Hölderlin und Friedrich Nietzsche waren seine literarischen und philosophischen Vorbilder in dieser Schaffensphase. Er gehörte zu den ersten Schriftstellern, die das Radio als Medium nutzten. 1912 heiratete Döblin Erna Reiss; aus der Ehe sollten vier Kinder hervorgehen. Im Ersten Weltkrieg diente Döblin als Militärarzt vor allem in einem Seuchenlazarett im Elsass. Während des Krieges begann er an seinem Wallenstein-Roman zu schreiben. Im Bezirk Berlin-Lichtenberg niedergelassen, wurde er Augenzeuge der Berliner Märzkämpfe, die später zum Thema seines umfangreichsten Romans "November 1918" werden sollten. In seiner Berliner Zeit schrieb Döblin zahlreiche Artikel (z.B. über Theaterstücke und Filme, aber auch über das Leben in den Straßen der Hauptstadt) u.a. für das deutschsprachige Prager Tagblatt. Diese Arbeiten geben häufig ein Bild des Alltags in Berlin in den Jahren der Weimarer Republik wieder. Einige der so entstandenen Skizzen gingen in den Roman "Berlin Alexanderplatz" ein. In seinen politischen Texten dieser Zeit trat er als linker Kritiker der mit Hindenburg zusammenarbeitenden SPD auf. Seine Romane erschienen im S. Fischer Verlag.
Da jüdischer Herkunft, floh er im Februar 1933 vor den Nationalsozialisten zunächst nach Zürich, dann nach Paris. 1936 nahm er die französische Staatsbürgerschaft an. Bei Kriegsausbruch 1939 trat Döblin als Mitarbeiter ins französische Propagandaministerium ein und verfasste gemeinsam mit anderen deutschen Emigranten Flugblätter. Im Juni 1940 floh Döblin zunächst mit den übrigen Mitarbeitern des Ministeriums und seiner Frau nach Südfrankreich. Später im Jahr floh er zunächst nach Lissabon und emigrierte schließlich in die USA nach Los Angeles, wo er für kurze Zeit in der Filmindustrie arbeitete. Am 30. November 1941 trat Döblin mit seiner Familie zum Katholizismus über, was in der Exilgemeinde vor allem auf Ablehnung stieß.
Er war einer der ersten Exilautoren, die nach Europa zurückkehrten. Am 15. Oktober 1945 erreichte er Paris, im November begann er seinen Dienst als Literaturinspekteur der französischen Militärverwaltung im Rang eines Oberst zunächst in Baden-Baden und später in Mainz. Seine Aufgabe umfasste die Zensur von Manuskripten und die Vorbereitung einer literarischen Monatszeitschrift, die schließlich unter dem Namen Das goldene Tor erschien. Außerdem schrieb er für die "Neue Zeitung" und für den Südwestfunk. Außerdem sammelte sich eine Gruppe junger Schriftsteller um ihn, darunter Günter Grass. Schnell machte sich bei ihm Enttäuschung über die politische Restauration der Nachkriegszeit bemerkbar, vor allem angesichts des Misserfolgs seines Revolutionsromans 1918. Auch Annäherungsversuche Johannes R. Bechers im Dienst der Akademie der Künste der DDR lehnte er wegen des sozialistischen Dogmatismus' ab, obwohl er Beiträge für DDR-Zeitschriften schrieb und sein Hamlet-Roman zunächst nur in der DDR erschien. 1953 ging Döblin wieder nach Frankreich, wo er bis 1956 blieb.
Bekannt ist vor allem sein Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929), der als erster und bedeutendster deutscher Großstadtroman in die Literaturgeschichte einging und einen Meilenstein in der Geschichte des modernen Romans darstellt: Die Techniken der Collage und der Simultaneität hat Döblin bereits als Mitarbeiter in der Zeitschrift "Der Sturm" auf Anregung durch die in Italien um 1910 entstandene Kunstrichtung des Futurismus um den Schriftsteller F. T. Marinetti und die Maler Boccioni, Russolo und Carra in seinen Erzählungen im Band "Die Ermordung einer Butterblume" (1913) angewandt und in "Berlin Alexanderplatz" (1929) zur Perfektion gebracht.
"Berlin Alexanderplatz" wurde mehrfach verfilmt, zuerst 1931 von Piel Jutzi mit Heinrich George in der Rolle des Franz Biberkopf, 1979 von Rainer Werner Fassbinder als Mehrteiler für das Fernsehen.
Sein zweiter Sohn Wolfgang Döblin, der Mathematiker war, hat 1940, kurz vor seinem Suizid, die Schrift "Sur l'équation de Kolmogoroff" an die französische Akademie der Wissenschaften geschickt. Darin nahm er in genialer Weise die Resultate über stochastische Integration von Itō Kiyoshi vorweg.
Werke
- 1913 - Die Ermordung einer Butterblume, Erzählungen
- 1915 - Die drei Sprünge des Wang-lun, Roman
- 1918 - Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine, Roman
- 1920 - Wallenstein, expressionistischer historischer Roman
- 1924 - Berge, Meere und Giganten, Roman (1932 gekürzt u.d.T.: Giganten)
- 1925 - Reise in Polen, Bericht
- 1927 - Manas, Versepos
- 1929 - Berlin Alexanderplatz, Roman
- 1934 - Babylonische Wandrung, Roman
- 1935 - Pardon wird nicht gegeben, Roman
- 1938-1950 - November 1918. Eine deutsche Revolution, Roman in vier Bänden
- 1956 - Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende, Roman
Literatur
- Heinrich Eduard Jacob: Alfred Döblin (Essay); in "Das Schönste" Nr. 4, VII. Jg.; München, April 1961, S. 61-65. Dieser Essay erschien erneut unter dem Titel Stationen dazwischen, mit einem Epilog von Alfred Döblin und sechs Zeichnungen von Dieter Goltzsche als bibliophile Ausgabe (999 Stück) in der Katzengraben-Presse, Berlin-Köpenick 1993. ISBN 3-910178-09-7.
- Thomas Keil: Alfred Döblins "Unser Dasein". Quellenphilologische Untersuchungen. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2005. ISBN 3-8260-3233-0
- Paul E.H. Lüth (Hrsg.): Alfred Döblin - Zum 70. Geburtstag (Festschrift). Wiesbaden: Limes Verlag, 1948.
- Jochen Meyer in Zusammenarbeit mit Ute Doster: Alfred Döblin 1878-1978. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs (Katalog). Marbach am Neckar: Marbacher Katalog 30, 1978. ISBN 3-928882-83-X.
- Gabriel Richter: Dr. med. Alfred Döblin - Arzt, Schriftsteller, Patient und das Psychiatrische Landeskrankenhaus Emmendingen 1957; in: "Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte 15/2001", hrsg. von Volker Watzka. Emmendingen: Landkreis, 2000. ISBN 3-926556-16-1; S. 39-86.
- Marily Martinez de Richter (Hg.): Moderne in den Metropolen: Roberto Arlt und Alfred Döblin (Internationales Symposium, Buenos Aires / Berlin 2004). Würzburg: Königshausen & Neumann, 2005. ISBN 3-8260-3198-9
- Wilfried F. Schoeller (Hg.): Diese merkwürdige Zeit. Leben nach der Stunde Null - Ein Textbuch aus der "Neuen Zeitung". Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 2005. ISBN 3-7632-5555-9.
- Andrea Tam: "Literarische Gestaltung in Alfred Döblins "Unser Dasein"". (Artikel). Strasbourg, 2002, 24 S. http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/50333.html
Siehe auch
- Alfred-Döblin-Preis
- Exilliteratur
- Liste verbotener Autoren während des Dritten Reichs
- Alfred-Döblin-Patientenbibliothek
Weblinks
- Vorlage:PND
- www.alfred-doeblin.de - Internationale Alfred Döblin-Gesellschaft (IADG)
- www.bad-bad.de - Biografie
- www.ub.fu-berlin.de - Linksammlung
- Vorlage:LeMO
- www.vivantes.de
Personendaten | |
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NAME | Döblin, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Arzt und gesellschaftskritischer Schriftsteller jüdischer Herkunft |
GEBURTSDATUM | 10. August 1878 |
GEBURTSORT | Stettin |
STERBEDATUM | 26. Juni 1957 |
STERBEORT | Emmendingen |