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Coming-out

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Coming-out (englisch ="herauskommen") ist der Prozess, in dem eine Person sich selbst und ihrer Umwelt gegenüber zu einer als von der "gesellschaftlichen Norm" abweichend empfundenen sexuellen Identität oder Orientierung bekennt.

Emotionale Aspekte und Erwartungen der Umwelt

Dieser Prozess ist meist mit starken emotionalen und psychischen Spannungen verbunden. Es erfordert ein gewisses Maß an Mut (sowohl Selbstvertrauen als auch Vertrauen in die Umwelt) um zuzugeben, dass man zu einer Minderheit gehört. Diese Minderheit wird in manchen Fällen von der Umwelt oder sogar von dem Betroffenen selbst als nicht normal oder als verachtenswert betrachtet; in anderen Fällen befürchtet der Betroffene zu Unrecht, dass die Umwelt sie so betrachten könnte. Viele Betroffene betrachten diese Phase im Nachhinein als einen ihrer wichtigsten Lebensabschnitte. Dies wird nicht zuletzt auch in der zahlreichen Coming-out-Literatur deutlich, die oft auch eine Selbstreflexion der Autoren darstellt.

Eine positive Reaktion der Umwelt wirkt auf den Betroffenen erleichternd. Sie fühlen sich oft befreit und in ihrem Selbstvertrauen bestätigt. Sie neigen dazu, optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Eine negative Reaktion der Umwelt kann Stressreaktionen bei den Betroffenen auslösen, die bis zu extremen Konsequenzen führen können. Eines der prominentesten Opfer, welches sich nach seinem unfreiwilligen Outing das Leben nahm, war der Mathematiker Alan Turing.

Besonders Jugendliche sind in solchen Fällen gefährdet: zu den Pubertätsproblemen gesellen sich Fragen wie "Bin ich normal? Bin ich allein so?" Dies verdeutlicht auch die erhöhte Suizidrate bei jungen Homosexuellen. Deswegen gibt es mittlerweile im deutschsprachigen Raum in allen größeren Städten Gruppen und Organisationen, die Hilfe und Selbsthilfe anbieten. Für ländliche Gegenden sind überregionale Organisationen, meist über Webseiten oder Telefondienste tätig.

Das Coming-out ist häufig ein langer, mitunter Jahre währender Prozess. Öffentliches Outing wie der des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit findet eher selten und dann oft bei Prominenten, allerdings meist unter Druck statt. Rosa von Praunheim offenbarte beispielsweise einige homosexuelle Kollegen von Film, Funk und Fernsehen, die bis dahin eher das Image des lieben Schwiegersohns hatten. Dazu gehörte u.a. Alfred Biolek. Wowereit fand den Mut zu seinem erfolgreichen Bekenntnis nur deshalb, weil Gerüchte umgingen, dass die Bild-Zeitung Geschichten aus seinem Privatleben veröffentlichen würde. Mit seinem „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ umging er also die Gefahr, aufgrund eines Gerüchts als erpressbar zu gelten. Nach seinem Bekenntnis, das rasch zum geflügelten Wort wurde, bekannten sich relativ schnell weitere namenhafte Politiker (Ole von Beust, Guido Westerwelle) zu ihrer Homosexualität. Vermutlich hat dieser Prozess dazu beigetragen das Coming-out vieler Betroffener spürbar zu erleichtern.

Gerade auf dem Lande hingegen wird das immer noch als eine Verrücktheit der Großstadt abgetan. Vom Land kommende junge Homosexuelle suchen daher zunächst Informationen über Medien. Wenn sie sich selbstsicher genug fühlen, offenbaren sie sich Vertrauenspersonen. Ein offenbarendes Gespräch mit Eltern oder Verwandten erfolgt meist später.

Es gibt keinen definierten Abschluss für einen Coming-out-Prozess. Von völlig offenen bis zum weitgehend zurückgezogenen Leben reichen die Schattierungen. Kriterium ist, ob der Betroffene innerlich seine sexuelle Orientierung akzeptiert hat und sich selbst nicht verleugnet. Dabei ist zwischen dem Coming-out und dem Feststellen eigener sexuellen Orientierung zu unterscheiden. Jemand kann sich seiner homosexuellen Veranlagung bewusst sein oder sogar sexuelle Beziehungen zum selben Geschlecht haben und trotzdem Schuldgefühle oder Selbsthass empfinden ("ichdystone Sexualorientierung" in der psychiatrischen Diagnostik genannt).

Der Coming-out-Prozess ist nicht an ein bestimmtes Alter gebunden. Es gibt durchaus Fälle, wo Menschen in relativ hohem Alter ihre Homosexualität ihren Familien, Kollegen, oder ihrem Freundeskreis offenbaren. Obwohl diese Menschen, im Gegensatz zu jüngeren meist finanziell unabhängig sind und nicht von Pubertätsproblemen geplagt werden, haben sie andere Probleme, weil sie meist sehr lange ihrer Umgebung eine Fiktion gezeigt haben (siehe Heteronormativität), die nur sehr schwer zu widerrufen ist. In vielen Fällen sind sie sogar verheiratet oder haben Kinder.

Coming-out ist auch nicht unbedingt ein einmaliger Prozess. Wann immer ein Betroffener in eine fremde Umgebung kommt (neuer Arbeitsplatz, Wohnort oder fremde Menschen, die er nicht auf Anhieb abschätzen kann, weil sie zum Beispiel aus anderen Kulturkreisen stammen) stellt sich für ihn die Frage, ob und wie er seine sexuelle Identität seiner Umgebung offenbart.

Sprachliches

Die aus dem Englischen übernommene Redewendung Coming-out, die im englischen Ursprung sowohl den Auftritt einer Debütantin bei ihrer Volljährigkeit als auch den Prozess, ein Versteck (Schrank) zu verlassen ("Coming out of the closet"), bezeichnet, hat in der deutschen Sprache eine feste Bedeutung erlangt, die durch keine anderen deutschen Wörter zu ersetzen ist. Dabei hat das eingedeutschte Wort outen auch eigene, weitere Bedeutung erhalten:

  • (transitiv): jemanden outen oder Zwangsouten ist die auch in der schwulen Community umstrittene, gegen den Willen des Betroffenen erfolgende Bekanntgabe seiner sexuell abweichenden Orientierung. Im Allgemeinen gilt die Praxis als verpönt. Sie wird aber eher akzeptiert und dann als eine Art Notwehr betrachtet, wenn der Betroffene sich z.B. in der Politik aktiv gegen Homosexuelle engagiert. Näheres dazu unter Outing.
  • sich outen wird oft in einem sehr allgemeinen Umfeld benutzt, um scherzhaft bekannt zu geben, dass man einer in der jeweiligen Gruppe verpönten Haltung, Geschmacksrichtung oder ähnlichem zuneigt. Beispiel: In einer Jugendgruppe sagt jemand: Ich oute mich mal als Klassikliebhaber.
  • outen wird umgangssprachlich inzwischen auch für die Bekanntgabe beliebiger privater biografischer Momente verwendet, z. B.: Ich oute mal etwas aus meiner Ausbildungszeit.

Literatur

  • Ellen Bass; Kate Kaufman: Wir lieben, wen wir wollen : Selbsthilfe für lesbische, schwule und bisexuelle Jugendliche. Berlin 1999. ISBN 3929823624.
  • Thomas Grossmann: Schwul, na und? Reinbek bei Hamburg 2002. ISBN 3499191091.
  • Pia Werner; Barbara Wörmann: Jane liebt Julia : das Coming-Out-Buch für Lesben. München 2000. ISBN 3426774496.
  • Rolf Winiarski: Coming Out Total. Der Ratgeber für ein selbstbewusstes Leben. Berlin 2002. ISBN 3861873230
  • Dorit Zinn: Mein Sohn liebt Männer. Frankfurt a. M. 1992. ISBN 3596112605
  • Meike Watzlawik, Friederike Wenner: ...und ich dachte, Du bist schwanger! - Frauen erzählen ihr Coming-out Stuttgart 2002. ISBN 393285506X
  • Knackpunkt Hannover: "Herzrasen - L(i)ebe was du fühlst" - Hannover 2005 - Die besten Coming-Out Geschichten des Niedersächsischen Schreibwettbewerb Herzrasen. Zu beziehen über die Herzrasen Webseite des Knackpunkt Hannover

Siehe auch

Filme

Filme, die sich mit Homosexualität, im speziellen mit dem Coming-out beschäftigen.

Deutschland

  • In&Out – Ein Peer-to-Peer Beratungsprojekt für schwule, lesbische, bisexuelle und transgender Jugendliche
  • bEFAh – Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen
  • dbna – Das schwule JugendMagazin für schwule, bisexuelle und interessierte Jugendliche bis 27 Jahre
  • Herzrasen – Webseite über den Niedersachsenweiten Schreibwettbewerb Herzrasen aus dem die Broschüre "Herzrasen - L(i)ebe was du fühlst" hervorgegengen ist
  • GayOut - Coming-Out-Hilfe – Broschüren, Behauptungen und Tatsachen, Gruppen, Bücher, Storys
  • „WirFuerDich“ – Vereinigung der offenen Jugendarbeit für homosexuelle Jugendliche, ihrer Angehörigen und Freunde

Schweiz

  • Trau Di.ch - Beratungsseite für homosexuelle Schweizer Jugendliche
  • Coming-out Day - Homepage zum jährlichen COD (jeweils am 11. Oktober)