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Intentionalität

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Brentano führte den Begriff der Intentionalität in die moderne Philosophie ein

Der Begriff der Intentionalität bezeichnet das Vermögen eines mentalen Zustandes, sich auf Entitäten oder Sachverhalte zu beziehen. Ursprünglich ein scholastisches Konzept, wurde der Begriff Intentionalität von dem Philosophen und Psychologen Franz Brentano in seiner Arbeit Psychologie vom empirischen StandpunkteVorlage:Ref wieder eingeführt und bei Edmund Husserl zu einem zentralen Konzept der Phänomenologie.

In den heutigen philosophischen Debatten der Philosophie des Geistes wird Intentionalität als ein Problem für den Reduktionismus diskutiert, also für die Position, die alle Phänomene in den Bereich des naturwissenschaftlich Beschreibbaren einordnen will. Dabei gilt die Intentionalität zusammen mit den Qualia als das Phänomen, dass eine reduktive Erklärung des Bewusstseins problematisch erscheinen lässt.

Bedeutung und intentionale Inexistenz

Der Begriff der Intentionalität darf nicht mit dem alltäglichen Begriff der Intention oder dem philosophischen Konzept des Intensionalen verwechselt werden. Intentionalität ist vielmehr das bestimmt, was Brentano in einem berühmten Abschnitt der Psychologie vom Empirischen Standpunkte als intentionale Inexistenz beschrieben hat:

„Jedes psychische Phänomen ist durch das charakterisiert, was die Scholastiker des Mittelalters die intentionale (auch wohl mentale) Inexistenz eines Gegenstandes genannt haben, und was wir, obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken, die Beziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt (worunter / hier nicht eine Realität zu verstehen ist), oder die immanente Gegenständlichkeit nennen würden. Jedes enthält etwas als Objekt in sich, obwohl nicht jedes in gleicher Weise. In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urteile ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehasst, in dem Begehren begehrt usw. Diese intentionale Inexistenz ist den psychischen Phänomenen ausschließlich eigentümlich. Kein physisches Phänomen zeigt etwas Ähnliches.“ Vorlage:Ref (Kursivschreibung eingefügt)

Die These Brentanos lautet also, dass die Intentionalität eine Eigenschaft des Mentalen sei, die man mit den Phrasen “Beziehung auf einen Inhalt” oder “Richtung auf ein Objekt” beschreiben kann. Ein Beispiel kann diesen Zusammenhang verdeutlichen: Der Gedanke, dass noch Milch im Kühlschrank ist, bezieht sich auf die Objekte Kühlschrank und Milch und den Sachverhalt, dass noch Milch im Kühlschrank ist. Durch diesen Bezug auf einen Sachverhalt kann der Gedanke auch wahr oder falsch sein.

Nach Chrudzimski (s. Literatur) soll Brentano diese von Ch. so genannte "Objekt-Theorie" in seinen Vorlesungen durch eine komplexere "Mediator"-Theorie weiter entwickelt haben. Nach 1900 soll Brentano die Einführung des Begriffs "intentionale Inexistenz" bedauert haben.

Intentionale Definition des Mentalen

Brentano vertrat zudem die Auffassung, dass Intentionalität das definierende Merkmal des Mentalen sei. Es gebe keine nichtmentale Entität, die das Merkmal der Intentionalität besitze und umgekehrt auch keine mentale Entität, die das Merkmal der Intentionalität nicht besitze. Diese Behauptung wird in der heutigen Philosophie oft angezweifelt.

Es wird nämlich argumentiert, dass es auch nichtintentionale mentale Zustände gebe. So sei etwa ein allgemeines Unwohlsein oder eine allgemeine Euphorie durchaus mental, müssten sich jedoch auf nichts beziehen. Allerdings hätten all diese nichtintentionalen mentalen Zustände das Merkmal der Qualia. So wird heutzutage oft folgendes vorgeschlagen: Intentionalität und Qualia sind jeweils hinreichend aber nicht notwendig für Existenz des Mentalen. Jeder mentale Zustand müsse jedoch zumindest Intentionalität oder eine qualitative Empfindung als Eigenschaft haben.

Intentionalität als Rätsel

In der gegenwärtigen Philosophie des Geistes wird das Phänomen der Intentionalität insbesondere als ein Problem für den Materialismus diskutiert. Materialistische Theorien gehen davon aus, dass auch mentale Zustände nichts anderes als physische Zustände sind. Nun haben allerdings mentale Zustände die Eigenschaft der Intentionalität und scheint unklar zu sein, wie ein physischer Zustand eben diese Eigenschaft haben kann. Ein Beispiel: Der Gedanke, dass Herodot ein Historiker war ist intentional, da er sich auf Herodot und Sachverhalt, dass Herodot ein Historiker war, bezieht. Der Gedanke ist zudem wahr, da Herodot tatsächlich ein Historiker war.

Nun wird in materialistischen Theorien versucht, Gedanken etwa auf ein bestimmtes neuronales Geschehen zurückzuführen. Wenn nun aber der Gedanke mit einem Prozess im Gehirn identisch sein soll, so muss eben dieser Prozess auch intentional sein. Kritiker des Materialismus argumentieren nun aber, dass genau dies sehr unplausibel sei.Vorlage:Ref Kein Prozess im Gehirn scheint sich auf Herodot zu beziehen. Auch scheint es problematisch, ein neuronales Geschehen wahr oder falsch zu nennen, wie sollte die Übertragung von Nervensignalen wahr sein können?

Der Begriff "intentional"

Intentional ist (1) alles, was eine Ausrichtung hat; (2) im engeren Sinn alles, was eine bewußte Ausrichtung auf einen Gegenstand oder und weiter (3) die gemeinten Gegenstände selber als gemeinte. In der Bedeutung von (3) besitzen die Gegenstände als vorgestellte, gedachte, gewollte Gegenstände ein "intentionales" Sein.

Literatur

Literatur zu Einzelthemen findet sich in den Quellen

  • Chrudzimski, Arkadiusz: Intentionalität, Zeitbewußtsein und Intersubjektivität: Studien zur Phänomenologie von Brentano bis Ingarden, Ontos Verlag (Rezension: Klemm, Helmut: Außenwelt der Innenwelt, FAZ v. 22.02.2006, Nr. 45, Seite N3)
  • Ulrike Haas-Spohn (hg.): Intentionalität zwischen Subjektivität und Weltbezug, Paderborn, Mentis, 2003 Sammelband mit Aufsätzen zur aktuellen Debatte
  • Wolfgang Barz: Das Problem der Intentionalität, Paderborn, Mentis, 2004
  • Dominik Perler: Theorien der Intentionalität im Mittelalter, Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2004. 436 S. (Rezension: Flach, FAZ v. 16.2.2004)

Quellen

  1. Vorlage:Fußnote
  2. Vorlage:Fußnote
  3. Vorlage:Fußnote