Diminutiv
Das Diminutiv, (auch Deminutiv, Diminutivum oder der Diminuitiv – von lat.: deminuere: „verringern, vermindern“) ist die Verkleinerungsform eines Substantivs und dient heute meistens dessen Verniedlichung, aber auch als Koseform, zur Bildung von Kosenamen oder zur Kontrastbildung („Das ist kein Haus, das ist ein Häuschen!“).
Kennzeichen und Herkunft
Das Diminutiv ist eine grammatikalische Verkleinerungsform. Sie wird in der Regel durch ein angehängtes Wortteil, ein Suffix gebildet. Die Häufigkeit des Gebrauchs von Diminutiven ist von Sprache zu Sprache und von Dialekt zu Dialekt unterschiedlich.
Im Deutschen wie auch in anderen Sprachfamilien ist das Diminutiv gekennzeichnet durch die Endsilben -chen und (seltener) -lein. Die Endsilbe -chen ist aus mitteldeutschen Dialekten entnommen, während sich -lein vom mittelhochdeutschen -lin herleiten lässt und in den oberdeutschen Diminutivsuffixen -la, -le, -li, -l, -erl eine Entsprechung findet.
Laut Nelson Cartagena und Hans-Martin Gauger sind solche Diminutiva als ein Kennzeichen der gesprochenen Sprache anzusehen und insbesondere bei niederen sozialen Schichten anzutreffen.
In der deutschen Sprache gibt es bei Vornamen auch eine Diminutivendung auf „i“ (Hansi, Berti, Karli) – siehe auch Abschnitt „Koseformen bei Vornamen“ weiter unten. Die Endung „-i“ wird auch zur Bildung von Spitznamen aus Familiennamen verwendet.
Regeln
Die Bildung des Diminutivs ist im Deutschen oft mit einer Änderung des Vokals der Stammsilbe zum entsprechenden Umlaut verbunden (zum Beispiel Sack und Säckchen) oder gar mit einer zusätzlichen Entfernung des letzten Vokals (zum Beispiel Schraube und Schräubchen).
Merkspruch: -chen und -lein machen ein Wort klein.
Der Artikel
Jedes Diminutiv ist sächlich und besitzt somit den bestimmten Artikel „das“. Dies ist beispielsweise auch der Grund, warum es „das Mädchen“ heißt und nicht „die“, obwohl Mädchen eigentlich weiblich sind. Doch der Artikel bezieht sich hier auf die grammatische Kategorie des Diminutiv und nicht auf das natürliche Geschlecht des bezeichneten Gegenstands bzw. der bezeichneten Person.
Beispiele
- Das Diminutiv von Baum ist Bäumchen oder Bäumlein
- Das Diminutiv von Hans ist Hänschen
- Das Diminutiv von Mann ist Männchen oder Männlein
- Das Diminutiv von Rippe ist Rippchen, selten: Ripplein
Verwendung
Der Diminutiv wird verwendet
- für kleine bzw. junge Menschen
- zur Kennzeichnung kleiner Gegenstände innerhalb einer Klasse von Gegenständen.
- zur Kennzeichnung kleiner bzw. junger Tiere oder Pflanzen.
- als Koseform
- als Verniedlichungsform
Besonders häufig ist die Benutzung von Diminutiven im Ostfränkischen, in den alemannischen Dialekten (Schwäbisch, Badisch, den schweizerischen Dialekten) sowie im ostfriesischen Plattdeutsch. Etwas weniger ausgeprägt erfolgt sie in der niederländischen Sprache, im Mecklenburger Plattdeutsch und in der lateinischen Sprache.
Auffallend selten werden Diminutive im nordniedersächsischen, speziell im Hamburger Platt verwendet. Dort wird der Verkleinerungsumstand in der Regel durch ein vorangestelltes Adjektiv ausgedrückt (de lütte Deern). Dies korrespondiert mit dem weitestgehenden Fehlen von Diminutiven im angelsächsischen und vor allem skandinavischen Sprachraum.
Diminutive haben häufig eine verniedlichende Funktion, was auch sehr gut satirisch genutzt werden kann.
Beispiele
Hochdeutsch
- -chen, zum Beispiel Hündchen für kleiner Hund, verwandt mit dem niederdeutschen -ke und -(t)je
- -lein, zum Beispiel Äuglein für kleines Auge, verwandt mit dem lateinischen -ulus/ula und den oberdeutschen Formen -le, -la, -li, -l
niederdeutsche Dialekte
- auf Danzigerdeutsch spricht man die Umlaute als echte Vokale.
- Hundchen statt Hündchen und Handchen statt Händchen.
mitteldeutsche Dialekte
- Saarländische Dialekte des Rheinfränkischen
- -je, -sche, -elsche (doppelter Diminutiv: -el entspricht -lein; -sche enspricht -chen); zum Beispiel "Kätzje" (Kätzchen), "Hundsche" (Hündchen), "Eischelsche" (Äuglein/Äugelchen: kleines Auge)
- Hessische Dialekte
- -che; zum Beispiel "Kätzche" (Kätzchen), "Hündche" (Hündchen), "Eigelche" (Äuglein/Äugelchen: kleines Auge)
oberdeutsche Dialekte
- Badisch
- -el, zum Beispiel "Kätzel" für "kleine Katze"
- Schwäbisch
- -le (Singular), zum Beispiel "Kätzle" für "kleine Katze"
- -la (Plural), zum Beispiel "Kätzla" für "kleine Katzen"
- Schweizerdeutsch
- -li, zum Beispiel "Chätzli" für "kleine Katze"
- Fränkisch
- -la, zum Beispiel "Äffla" für "kleiner Affe", sehr oft aber auch als Verniedlichungs- oder Koseform bei normalen Größen
- Bairisch in Altbayern und Österreich
- -l, -rl, -erl, -ei, zum Beispiel "Dirndl", "Dirndei", "Bürscherl"
niederdeutsche Sprachen (Plattdeutsch, Niederländisch, Flämisch)
- -ke, -ken, zum Beispiel Manneke, kleines Männchen
- -je, -tje, zum Beispiel Manntje, Buscherumpje, Meisje
Latein
- -culus/-cula/-culum, zum Beispiel musculus (Mäuschen) von mus (Maus), davon als Fremdwort abgeleitet: Muskel, navicula (Schifflein) von navis (Schiff), tabernaculum (Hüttchen) von taberna (Brett, Hütte, Laden), davon abgeleitet: Tabernakel
Englisch
- -let, zum Beispiel leaflet (Blättchen/Flugblatt) von leaf (Blatt), booklet (Büchlein) von book (Buch), bomblet (Bömbchen) von bomb (Bombe)
- -kin, zum Beispiel lambkin (Lämmchen) von lamb (Lamm) (aber nicht pumpkin von pump)
- -y, zum Beispiel piggy (Schweinchen) von pig (Schwein)
Französisch
- -et/ette, zum Beispiel soeurette (Schwesterchen)
Irisch
- -ín, zum Beispiel leabhairín (Büchlein)
Italienisch
- -ino/a, zum Beispiel suonino (Tönchen)
Litauisch
In der litauischen Sprache gibt es besonders viele Diminutive vom Altlitauisch erhalten: neben Substantiven werden auch Adjektive mit zahlreichen Suffikxen verwendet.
- -elis/-elė, zum Beispiel namelis (Hauschen), gėlelė (Blmchen)
- -ėlis, -ėlė ąsotėlis, mažutėlė
- -(i)ukas, -(i)ukė berniukas, mergiukė
- -eliukas, -eliukė ereliukas, mameliukė
- -ytis, -ytė paukštytis, gėlytė
- -(i)utis, -(i)utė zuikutis, saulutė
- -aitis, -aitė: bernaitis, mamaitė,
- -učiukas, -učiukė: mažučiukas, mažučiukė
- -elytaitis, -elytaitytė
Griechisch
- -aki, zum Beispiel νεράκι, (neraki) (zum Kaffee serviertes "Wässerchen")
- oder κουταλάκι, (kutalaki) (Löffelchen, Teelöffel)
Spanisch
- -ito/a ersetzt -o/a
- -cito/a, wenn der letzte Buchstabe kein unbetontes o oder a ist; beispielsweise wird mamá (Mama) zu mamacita und coche (Auto) zu cochecito (Autochen / Kinderwagen)
- -illo/a, wie -el/-le/-li im deutschen: etwas veraltet oder dialekt-spezifisch (Andalusien), aber in vielen etablierten Begriffen (wie Tortilla) zu finden
- andere regionale / umgangssprachliche Formen, ähnlich wie -illo/a: -ico (Aragonien), -ín oder -ino (Asturien), -iño (Galicien), -uco (Kantabrien), -ete (Katalonien), -uelo (altmodisch)
Portugiesisch
- -inho/a, zum Beispiel casinha (Häuschen) von casa (Haus)
- -zinho/a (wenn Nomen auf Vokal endet), zum Beispiel irmazinho (Brüderchen) von irmão
Koseformen bei Vornamen
Gebräuchliche Vornamen werden aus verschiedenen Gründen zu Koseformen abgekürzt. Dies geschieht beispielsweise, um innerhalb einer Gruppe mehrere Personen gleichen Namens unterscheiden zu können oder um eine besondere Nähe zu dieser Person auszudrücken. Koseformen von Vornamen sind häufig Verwandten und engen Freunden vorbehalten (dies gilt besonders für die klassischen Verniedlichungsformen wie Ricky oder Hansi); einige Künstler nutzen die Koseform jedoch auch als Künstlernamen. Manche Koseformen haben sich im Laufe der Jahre zu eigenständigen Vornamen entwickelt.
Einige Beispiele:
- Alexander: Alex, Sascha (im Russischen)
- Jacob/Jakob: Jack/Jacky, Jake (im Englischen), Jascha (im Russischen)
- Johannes: Hans/Hansi, Hannes
- Richard: Rick/Ricky
- Thomas: Tom/Tommy
siehe auch Diminuitivsuffix