Gerichtssendung
Gerichtsshows sind seit dem Jahr 1999 in Deutschland immer häufiger auftretende Fernsehformate. Da Ton- und Bildaufnahmen in deutschen Gerichten bei Verhandlungen verboten sind, werden in den Gerichtssendungen entweder echte Fälle nachgestellt oder fiktive Fälle möglichst authentisch gespielt. Gerichtsshows erzielen gute Einschaltquoten und werden neuerdings auf Sendeplätzen am Nachmittag ausgestrahlt.
Geschichte
Vorläufer
Die erste aller Gerichtsshows in Deutschland – Das Fernsehgericht tagt – wurde von 1961 bis 1978 von der ARD ausgestrahlt. Vor echten Beamten und Richtern wurden reale Fälle anhand von Gerichtsakten nachgestellt. Die Fälle – vom Betrug und Diebstahl bis zum Mord – wurden anfangs in drei, später in zwei und am Ende in einer Sendung abgehandelt.
Ära des ZDF
Nachdem die ARD ihr Fernsehgericht eingestellt hatte, waren bis 1999 Gerichtssendungen nur noch im ZDF zu sehen. Der erste Fall im ZDF wurde 1970 in Ehen vor Gericht verhandelt. Die diesmal fiktiven Fälle bezogen sich ausschließlich auf Eheprobleme. Die Sendung wurde nach 89 Folgen im Sommer 2000 eingestellt.
Die Sendung Wie würden Sie entscheiden? startete 1974 und folgte dem Konzept des Fernsehgerichtes der ARD. Allerdings wurden die Fälle erst durch Abstimmung des Publikums und dann vom Richter entschieden. Die Ergebnisse wurden anschließend verglichen und diskutiert. Diese Sendung wurde nach 165 Folgen eingestellt.
Ab 1983 machte das Verkehrsgericht deutlich, wie ein unaufmerksamer Augenblick im Straßenverkehr das eigene und das Leben von Fremden verpfuschen kann. In dieser Sendung wurde erst das Unfallgeschehen gezeigt und anschließend wurden die fiktiven Fälle im Gericht verhandelt. Das Verkehrsgericht wurde schon 1998 nach 68 Folgen eingestellt.
Mit Streit um Drei läutete das ZDF im April 1999 das neue Format der Nachmittagsgerichtsshow ein. Folgten die abends ausgestrahlten Gerichtssendungen noch dem Ziel der Vermittlung von Rechtskenntnissen und Einblick in die Arbeit der Justiz, steht bei den Nachmittagsgerichtsshow der Unterhaltungswert im Mittelpunkt. Beim Streit um Drei handelten die Fälle zumeist von Nachbarschaftsstreit und kleineren Delikten, die von den Richtern Eugen Menken und später Guido Neumann im Amtsgericht, sowie Ulrich Volk im Arbeitsgericht entschieden wurden. Moderator Ekkehard Brandhoff führte bis zum Ende der Serie 2003 durch die Sendung. Er befragte Kontrahenten und Publikum und ließ anschließend den ZDF-Rechtsexperten Wolfgang Büser Vergleichsurteile zitieren.
Weiterentwicklung der Privaten
SAT.1 nahm Ende 1999 das Format der Gerichtssendung mit Richterin Barbara Salesch auf und setzte noch verstärkt auf Unterhaltung. Erst langsam gestartet (nur 8 % Marktanteil), erreichte die Sendung im März 2002 über 30 Prozent Marktanteil. Der Erfolg hat zur Folge, dass die Sendung mittlerweile mit fast einem dutzend weiterer Gerichtsshows diverser privater Sender konkurrieren muss. Als erfolgreichste Sendung des neuen Formats gilt weiterhin Richterin Barbara Salesch der Kölner Film- und Fernsehproduktion filmpool, die nach 1999 auch einige weitere ähnliche Sendungen produziert hat. Eine breite öfffentliche Aufmerksamkeit erlangte das Format allerdings erst als Stefan Raab aus dem Orignalton des Wortes "Maschendrahtzaun" aus der Gerichtsshow Barbara Saleschs ein erfolgreiches Lied komponierte.
Gerichtssendungen in den USA
Da in den USA seit 1981 Kameras während der Verhandlungen erlaubt sind, werden neben fiktiven insbesondere echte Verhandlungen und Urteile live ausgestrahlt, z. B. die Sendungen Court-TV, Judge Judy oder Judge Joe Brown. Den Höhepunkt hatte Court-TV 1994 bei der Übertragung des Freispruches von O. J. Simpson mit einer Einschaltquote von über 80 Millionen.
Inhalt und Aufbau
In einer Gerichtsshow werden frei erfundene Fälle (Bild- und Tonaufnahmen sind während echter Verhandlungen verboten) in einer fiktiven Verhandlung vor einem Strafgericht oder einem Zivilgericht nachgestellt. Es handelt sich meist um Strafverfahren. Am Ende der Sendung verkündet der Richter ein Urteil. Ab und zu wird aufgeklärt, mit welchen Strafmaßnahmen Dritte, die an der TV-Verhandlung etwa als Zeuge teilnahmen, und denen eine Schuld nachgewiesen werden konnte, rechnen müssen.
Die "TV-Rechtskundigen" (Richter, Verteidiger, Staatsanwalt etc.) in den Gerichtsshows sind oder waren meist "echte" Juristen und besitzen die nötige Ausbildung und Praxis. Die restlichen Personen sind allesamt Laiendarsteller oder Prominente. Alle Darsteller haben sich freilich an ein Drehbuch zu halten (Scripted reality). Damit die Darsteller authentisch wirken erhalten sie ihre Textpassagen in indirekter Rede. Eine Sendung einer Gerichtsshow dauert meistens eine halbe oder eine ganze Stunde.
Dem Zuschauer muss jedoch bewusst sein, dass Verhandlungen vor deutschen Gerichten in Wirklichkeit deutlich sachlicher vonstatten gehen. Bliebe man allerdings zu nah an der juristischen Realität, würde das wohl kaum für hohe Einschaltquoten sorgen, sondern wäre schlicht und ergreifend langweilig. In diesem Zuge ist nachvollziehbar, warum viele Episoden im Niveau absinken und sich Zeugen z.B. anschreien, aufeinander losgehen und verletzt abtransportiert werden müssen. Dieser Trend verstärkt sich zudem dadurch, dass Gerichtsshows mittlerweile auf mehreren Sendern laufen und ein Wettkampf um Einschaltquoten stattfindet, weshalb spektakuläre Fälle nötig sind.
Gerichtsshows im deutschsprachigen Fernsehen
- Das Fernsehgericht tagt (1961 - 1978) in der ARD
- Ehen vor Gericht (1970 - 2000) im ZDF
- Wie würden Sie entscheiden? (1974 - 2000) im ZDF
- Verkehrsgericht (1983 - 1998) im ZDF
- Streit um Drei (1999 - 2003) im ZDF
- Richterin Barbara Salesch (1999 - ) auf SAT.1
- Das Jugendgericht (2001 - ) bei RTL; Richterinnen: 2001-2005: Dr. Ruth Herz, seit 2005: Kirsten Erl
- Richter Alexander Hold (2001 - ) auf SAT.1
- Das Strafgericht (2002 - ) bei RTL
- Das Familiengericht (2002 - ) bei RTL
- Strafrichter Gustav Rothmayer bei ATVplus
Weblinks
- Im Namen des Publikums
- Kultivierung durch Gerichtsshows (PDF) - Studie von B. Thym (2003)
- Streit um Drei - ZDF (inklusive Sendungen im Filmarchiv)
- Abschied von Gerichtsshow: ZDF als Trendsetter?
- Nachbarschaftsstreit.de - Ein beliebtes Thema der Gerichtsshows