Zunft
Eine Zunft, auch Gilde genannt - von althochdeutsch „zumft“ (zu ziemen) - ist eine ständische Körperschaft von Handwerkern, Gewerbetreibenden und anderen Berufsgruppen (Notare), die im Mittelalter entstand und bis ins 19. Jahrhundert existierte.
Die Zunft galt allgemein für die handwerklichen Berufe, wobei die Gilde vor allem der Zusammenschluss von Händlern und Gewerbetreibenden zur wechselseitigen Hilfe war. Zünfte hatten ihren Sitz für gewöhnlich in größeren Orten, oder Orten, wo eine bestimmte Zunft besonders häufig auftrat.
Geschichte
Die Anfänge liegen im Hochmittelalter. In den meisten deutschen Städten lag die Macht anfänglich nur in den Händen des städtischen Adels und der Ministerialen der Klöster, Bischöfe und Hochadligen. Später konnten sich auch die Fernkaufleute gewisse Rechte und politischen Einfluss erkämpfen. Die Vereinigung von Handwerkern zu Zünften, das heisst ihre Organisation innerhalb der Stadt war während dieser Zeit oft stark eingeschränkt oder gar verboten. Ein Zusammenschluss einer Gruppe von Menschen oder eine "Verschwörung" wie man das zeitgenössisch nannte, bedeutete in einer mittelalterlichen Stadt fast automatisch politische Einflussnahme. Die Gründung der Zünfte war deshalb in den meisten Städten mit einer so genannten „Zunftrevolution“ oder einem politischen Umschwung verbunden. In manchen Städten im Deutschen Reich gelang es den in den Zünften organisierten Handwerkern sogar die politische Macht ganz oder teilweise zu erobern, so z. B. in Zürich, das bis 1798 sogar eine „Zunftverfassung“ hatte. Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit verschwanden jedoch die meisten Zunftrepubliken unter dem Druck der Landesfürsten wieder und der politische Einfluss der Zünfte wurde wieder eingeschränkt oder ganz auf die Wirtschaft reduziert.
Innere Erstarrung verbunden mit der Aufhebung der Zunftverfassung und der Einführung der Handels- und Gewerbefreiheit nach der französischen Revolution leitete das Ende der Zünfte ein. Mit dem Aufkommen von Manufakturen und der vorindustriellen Massenproduktion verloren die Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Der Zunftzwang und die wirtschaftliche Macht der Zünfte wurde deshalb stark eingeschränkt oder ganz aufgehoben. In der Schweiz war die Beseitigung der Macht der Zünfte in den Stadtkantonen mit der erzwungenen politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung der Landbevölkerung mit der Stadtbevölkerung um 1830 verbunden. Die modernen Nachfolger der Zünfte sind die Handwerker-Innungen. Mancherorts bestehen Zünfte noch als folkloristische oder gesellschaftliche Vereine, z.B. in Zürich.
Kodex
Für Zunftmitglieder galt ein Ehrenkodex. Bei Verstößen gegen diesen Kodex, dem unzünftigem Verhalten, konnte man die Mitgliedschaft verlieren. Als äußeres Zeichen des Ausschlusses wurde häufig ein zur Zunfttracht gehörender Ohrring – welcher als Entgelt für den Bestatter diente – aus dem Ohrläppchen gerissen. Das hierdurch entstehende Schlitzohr wurde sprichwörtlich zur Bezeichnung für listige, durchtriebene Menschen.
Elite
Um die Qualität der Handwerksarbeit hoch zu halten, wurde an den Zugang zur Meistertätigkeit hohe Anforderungen gestellt.
Die Gesellen, die ihre Meisterprüfung ablegen wollten, hatten folgende Bedingungen zu erfüllen:
- ein Meisterstück auf eigene Kosten anfertigen
- das Bürgeraufnahmegeld zahlen
- sich einen eigenen Brustpanzer anfertigen lassen
- verschiedene Beträge an die Zunft zahlen
- für die Zunftkirche Wachskerzen kaufen
- einen Hausbesitz oder das nötige Geld dazu vorlegen und
- ein Mahl von mehreren Gängen für alle Meister der Zunft spenden.
Vielen Gesellen fehlte das nötige Kapital um selbständig tätig zu werden.
Die Zunft umfasste sowohl die selbständigen Meister wie auch ihre Mitarbeiter, die Gesellen und Lehrlinge.
Zugang
Nach Etienne Boileau - 1258-1271 Prévôt von Paris - ist überliefert, dass von etwa hundert Handwerksberufen mindestens fünf reine Frauenberufe existieren, außerdem einige gemischte.
Für Paris finden sich Belege für reine Frauenzünfte:
„Gewerbe, in denen Frauen das Monopol hatten, waren auf der gleichen Basis organisiert wie die von Männern betriebenen, und den Branchen, in denen Männer und Frauen gleichermaßen tätig waren, traten Frauen zu den gleichen Bedingungen bei wie Männer und waren dem gleichen Reglement unterworfen.“
Für Köln findet sich ein Beleg für eine gemischte Zunft:
„Die Goldspinnerinnen waren mit einem Teil der Goldschläger zu einer Zunft vereinigt.“
Daneben gab es weitere Zünfte, die Frauen als Zunftmitglieder akzeptierten wie z. B.: die Garnmacher, die Seidenweber und die Seidenmacher.
Als Familienangehörige waren Frauen an einigen Leistungen der Zünfte beteiligt, konnten aber meist keine Vollmitgliedschaft erwerben. (Nach: LexMA Bd. IV. Sp. 865)
Starb ein Meister, musste die Witwe innerhalb ein oder zwei Jahren erneut heiraten, ansonsten verlor sie die Werkstatt ihres Mannes. In einigen Städten war es auch möglich, dass die Witwe, wenn sie einen Sohn und Nachfolger besaß, den Laden bis zu dessen Mündigkeit weiterführte.
Für die Ausübenden eines bestimmten Berufszweiges bestand Zunftzwang. Juden war die Mitgliedschaft in einer Zunft verwehrt.
Soziologie
Die Zünfte bildeten ein soziales, ökonomisches und religiöses System zur Regelung von Rohstofflieferungen, Beschäftigungszahlen, Löhnen, Preisen, Absatzmengen bis hin zur Witwenversorgung. Sie bestanden teilweise aus mehreren Berufsgruppen und symbolisierten sich häufig durch Wappen und/oder Zunftzeichen und Zunftkleidung.
Die Zünfte schrieben ihren Mitgliedern häufig auch die Produktionsmethoden vor. Dadurch wehrten sie zwar einerseits Überproduktionen ab, andererseits verhinderten sie die Einführung neuer, produktiverer, gelegentlich weniger gesundheitsgefährdender Produktionstechniken. Dadurch garantiert er seinen Mitgliedern ein standesgemäßes, „gerechtes“ Einkommen und den Verbrauchern durch Ausschaltung von Preiswettbewerb ein stabiles Preis-Leistungs-Verhältnis - allerdings auf hohem Preis-Niveau.
Regionale Besonderheiten
- In Hamburg und Schleswig-Holstein hießen diese Handwerkerzusammenschlüsse „Amt“.
- In Köln wirkten sie in den als „Gaffeln“ bezeichneten Corporationen mit.
- Im Rahmen der Burgergemeinde Bern sind die Zünfte heute noch Körperschaften des öffentlichen Rechts.
- In Zürich findet jedes Jahr das Sechseläuten, ein Umzug der Zünfte statt.
Literatur
- Lespinasse/Bonnardot: Les livres des metiers d'Etienne Boileau. Paris 1879
- Eileen Power: Das Leben der Frau im Mittelalter. Berlin 1984
- Edith Ennen: Frauen im Mittelalter. München 1984
- Lexikon des Mittelalters
- Duby: Geschichte der Frauen. Basel