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Osteopathie (Alternativmedizin)

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Osteopathie ist eine komplementärmedizische Behandlungsform, die ähnlich wie die heutige Chiropraktik, Verbesserungen im Allgemeinbefinden, Stoffwechsel und bei Störungen und Leiden im Bereich der Bewegung erreichen will. Beide Konzepte haben einen identischen historischen Ursprung in der Heilkunde der bone setter in England. (Siehe: Geschichte der Osteopathie)

Osteopathie ist ein komplementärmedizinisches Konzept zur Behandlung funktioneller Beschwerden. Im Gegensatz zur krankheitsbezogenen Sichtweise der Schulmedizin betrachtet man sowohl die Krankheit, als auch die Kompensationsmechanismen der Menschen. In der Komplementärmedizin Osteopathie werden Probleme vor allem durch eine Verbesserung der Kompensationsfähigkeiten behandelt. Insofern arbeitet Osteopathie immer ergänzend zur Schulmedizin. Man arbeitet traditionell mit den Händen. Im funktionellen Bereich kann man durch diese systemische manuelle Arbeit oft Probleme erkennen, die mit den Methoden der Schulmedizin nicht erkennbar oder darstellbar sind. Muskuläre oder fasziale Verspannungen oder Schmerzustände sind in der Regel weder mit laboranalytischen noch mit bildgebenden Verfahren nachzuweisen. Das können bisher nur die Hände eines entsprechend ausgebildeten Therapeuten.

Im komplemetärmedizinischen Ansatz der Osteopathie nutzt man alle sinnvoll veränderbaren Variablen im vernetzten Steuer- und Regelsystem eines Menschen. Dazu arbeitet man nach dem Prinzip des clinical reasoning, also mit einer Arbeitshypothese. Diese muß im Verlauf der Behandlung verifiziert werden. Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, die Variablen zu finden und zu verändern, welche die Funktions- und Bewegungseinschränkungen verbessern. Man untersucht sowohl den lokalen wie auch den generellen Bewegungsausdruck, um dadurch qualitative Hinweise auf die Funktionskreisläufe des Organismus zu erhalten; (beispielsweise sytemische Reaktionsmuster der Muskelketten, die Bewegungsfreiheit im Bereich des Gewebes, die Haltungsreaktion, Bewegungsmuster, Gleichgewichtsreaktion, das Atmungsmuster, der Ablauf der Verdauung, der Schlaf - und Wachrhythmus, die Erholungsfähigkeit des Menschen). Diese Untersuchung erfolgt immer zusätzlich zur klassisch medizinischen Untersuchung (Anamnese, Inspektion, Palpation, Perkussion, Funktionsprüfung).

Um Funktionen des Körpers zu erhalten, ist immer auch Bewegung oder Beweglichkeit aller Strukturen im Körper notwendig. Für die Vitalität von Gewebe ist Bewegung essentiell. Der Osteopath wirkt in seiner manuellen Behandlung auf die essentiellen Bewegungen ein. So soll der menschliche Körper mit all seinen Funktionskreisläufen in seinem natürlichen Gleichgewicht funktionieren und gesunden. Osteopathen versuchen, Störungen zu erfühlen und ihnen durch leichte, aber gezielte Einflüsse (wie Druck durch die Hand) entgegen zu wirken.

George V. Webster schrieb 1921: "Osteopathie ist das Wissen um die Struktur, Beziehung und Funktion jedes Teils des menschlichen Körpers angewandt auf die Regulation oder Korrektur all dessen, was die harmonische Funktion stört." Die Funktion des Körpers soll dabei so gestärkt werden, dass die Selbstheilungskräfte zum Tragen kommen.

Die Wirksamkeit der manuellen Behandlung der Osteopathie ziehlt auf die Linderung oder Behebung funktioneller Beschwerden, vor allem im Bewegungsapparat, nicht auf die Behebung von Krankheiten. Eine therapeutische Wirksamkeit im funktionellen Bereich konnte bisher nur in einzelnen Studien nachgewiesen werden. (Eine Studie wurde veröffentlicht im New England Journal of Medicine; A Comparison of Osteopathic Spinal Manipulation with Standard Care for Patients with Low Back Pain; Andersson G. B.J., Lucente T., Davis A. M., Kappler R. E., Lipton J. A., Leurgans S.; N Engl J Med 1999; 341:1426-1431, Nov 4, 1999). Bei Krankheiten kann osteopathische Behandlung zur Verbesserung der Kompensationsfähigkeit (Bewegung, Atmung) eingesetzt werden.

Eine kausale Behandlung von Erkrankungen ist mit den manuellen Techniken der Osteopathie nicht möglich. Eine allgemeine Wirksamkeit, wie sie noch Dr. Still postulierte, wird auch heute nicht mehr vertreten. Osteopatie als Behandlungsform ist umstritten, wobei die Stiftung Warentest ihr Buch vom Jahre 2005, in dem sie die Wirksamkeit von Osteopathie angezweifelt hatte, nach einem Gerichtsurteil wieder vom Markt nehmen mußte.

Geschichte der Osteopathie

Osteopathie ist keine neue Heilmethode. Schon früher haben Leute an Knochen-, Gelenk-, Muskel- oder Nervenschmerzen gelitten, und oft wurden sie von einem Heilkundigen manuell behandelt und gepflegt. Die ersten Überlieferungen einer manuellen Behandlung des Bewegungsapparats stammen aus dem alten Ägypten. Schon im 13. Jahrhundert v. Chr. besuchte man dort eine Art von Einrenker. Auch der griechische Arzt Hippokrates von Kós (460 v.Chr. - 375 v.Chr.) beschreibt mehrere Methoden einer manuellen Behandlung der Wirbelsäule.

Diese alten Heil-Methoden waren immer auch mit einer Spiritualität verbunden, wie man sie beispielsweise in den Merseburger Zaubersprüchen findet. Die Bezeichnungen dieser traditionellen Heiler sind regional unterschiedlich. Sie führten auch kleinere chirugische Eingriffe aus. In Europa gibt es hierfür die Bezeichnungen Landbader (Süddeutschland), bone setter (England), kotknackare (Schweden), Knochenbrecher (Norddeutschland), rebouteux (Nord-Westfranreich), Wender (Alpenraum Österreich), orationalia (Nord-Italien).

Zumeist geht man bei traditionellen Heilbehandlungen systemisch vor, denn man hat Zeit. Traditionelle manuelle Behandlungen dauern in der Regel 1-2 Stunden. Beispiele dafür sind Methoden wie in Thailand das Nuad Thai, in China das Tui Na / An Mo, in Indien das Kalari Chikitsa und das Chavutti Thirummal, um nur einige zu nennen. All dies Methoden behandeln systemisch und nutzen sogenannte "Einrenk"- Techniken. Osteopathie ist also nur ein Teil der weltweiten Tradition von "bone setting", wie der englische Fachbegriff dafür lautet.

Man erzählt als Ursprung der Osteopathie oft folgenden Gründer-Mythos: "Andrew Taylor Still war ein amerikanischer Arzt, der machtlos mitansehen musste, wie seine erste Frau und vier seiner Kinder starben, da die damaligen Medizinkenntnisse nicht so gut waren wie heutzutage. Deshalb suchte er nach einem neuen Verständnis von Krankheit und Gesundheit des menschlichen Körpers, und von dem, was ihn heilen konnte." So jedenfalls wird der Ursprung der Osteopathie oft als Legende vermittelt. Die Realität war eine andere.

Das Konzept der Osteopathie wurde durch den Arzt Andrew Taylor Still (1828 - 1917) Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Sein Konzept sollte die alte europäische Volksheilkunde der "bone setter" in ein zu seiner Zeit modernes medizinisches Konzept überführen. Wirklich neu daran war, dass dieses bisher als Familientradition gehütete Heilwissen nun öffentlich unterrichtet und mit der gültigen medizinischen Terminologie versehen wurde. Die manuellen Techniken selbst stammen überwiegend aus der Heilkunde der "bone setter".

"Bone setter" waren wie die "Landbader" in Mitteleuropa die allgemein anerkannten traditionellen Heilkundigen in England. Valentine Greatrex, Sally Mapp und der für sein Können geadelte Sir Herbert Barker waren die Bekanntesten unter ihnen. "At present my desire is to have a good bone-setter," schrieb Dr. Johnson 1803 in seinem "A Dictionary of the English Language", um das Wort "bone setter" zu illustrieren. Ihr Einfluss wurde mit dem Erstarken der Schulmedizin im 19ten Jahrhundert immer mehr zurückgedrängt. Noch Ende des 19ten Jahrhunderts annoncierten englische Zeitungen, wenn bone setter aus Schottland oder Wales ankamen, um zu behandeln. Der Chirurg HUGH OWEN THOMAS (1834-1891) lernte bei seinem Vater das bone setting. Hunderte von Patienten umlagerten ständig seine Praxis in Liverpool.

Das Journal "Lancet" nannte das bone setting "a negleted corner of the domain of surgery" und Sir JAMES PAGET schrieb am 5. Januar 1867 in "Cases That Bonesetters Cure", veröffentlicht im British Medical Journal: "Few of you will enter into practice today without having the so-called "bone-setter" as a competitor. Learn then to imitate what is good and avoid what is bad in the practice of bone-setters. It is advisable to learn from one's opponent." WHARTON HOOD schrieb 1871 in "On Bone-setting (so-called)": "I was most astonished, and often no less mortified at the number and variety of instances in which the manipulations I have endeavored to describe were followed by almost immediate cure". Der Chirurg WHARTON HOOD hatte das bone-setting bei Robert Hutton gelernt, einem bekannten bone-setter in London.

Englische Chirurgen wie Sir JAMES PAGET (1814-1899) und WHARTON HOOD sowie LOUIS BAUER aus den USA wollten bone setting als Teil der ärztlichen Ausbildung etablieren. Ihre Veröffentlichungen erschienen einige Jahre, bevor der Chirurg Dr. Andrew Taylor Still und der bone setter Daniel David Palmer die Umstände nutzten, um eigene Konzepte zu etablieren, basierend auf dem alten Können der bone setter.

Dr. Still selbst bezeichnete sich noch als "lightning bone setter" auf seiner Visitenkarte, die sich im Museum in Kircksville befindet. Erst zur Zeit, als der von dem "bone setter" Jim Atkinson ausgebildete Daniel David Palmer sein Projekt "Chiropractic" nannte, bezeichnete Dr. Still sein Projekt als "Osteopathy". "Bone" bedeutet auf griechisch "osteo" und "setter" ist derjenige, der sich damit auskennt, der "path". So wurde aus dem "bone setter" Dr. Still der "osteo path". Jim Atkinson lebte in Davenport in Iowa. Er hatte 50 Jahre Berufserfahrung, als er Palmer ausbildete. Dr. Still und Palmer lebten 100 Meilen entfernt voneinander. 1894 besuchte Palmer für 2 Wochen Dr. Still in Kirksville.

Dr. Stills Ausbildung als Chirurg und bone setter bildeten das Fundament der späteren osteopathischen Medizin. Sein Anliegen war es auch, die christlich spirituelle Sichtweise der alten bone setter durch ein eigenes spirituell philosophisches Konzept ähnlich dem Monismus zu ersetzen. Diese Seite der Osteopathie ist noch weitgehend unerforscht. Man kann also nicht sagen, dass Andrew T. Still die Osteopathie erfunden hat, sondern eher, dass er eine alte Heilkunde in den 70er Jahren des 19. Jahrhundert in ein medizinisches Konzept überführt hat. Erst 1884 bekam das Projekt den Namen 'Osteopathy'. 1892 gründete er die erste Osteopathie-Schule (American School of Osteopathy) in Kirksville, USA (heute Kirsksville College of Osteopathic Medicine KCOM). Die ursprünglich von Dr. Still für den Unterricht ausgewählten Behandlungstechniken der "bone setter" sollten leicht erlernbar sein. H.A. Lipincott D.O. veröffentlichte sie 1949 als "osteopathic technique" seines Lehrers W.G. Sutherland, welcher diese historischen Anfänge 1929 auf einer osteopathischen Tagung noch einmal vorgetragen hatte.

Heute ist osteopathische Medizin in den USA eine Ausbildung an Colleges, nicht an Universitäten. Die Ausbildung ist schulmedizinisch und folgt dem Schema der Facharztausbildungen an den Universitäten. Die Ausbildung in osteopathisch manueller Behandlung ist nur ein Fachbereich dieser Colleges. Die meisten Absolventen arbeiten nach ihrer Ausbildung rein schulmedizinisch. Der Abschlußtitel ist D.O. Dieser Titel ist nur innerhalb der USA staatlich anerkannt. In Europa werden diese Titel nicht staatlich anerkannt. Im Unterschied dazu ist der Titel M.D. der amerikanischen Ärzte mit universitärer schulmedizinischer Ausbildung in Europa staatlich anerkannt. In Europa unterscheiden sich die Ausbildungskonzepte in Osteopathie erheblich von dem Gesamtkonzept der Ausbildung in den USA.

Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte die Osteopathie England und in den fünfziger Jahren gelangte sie nach Frankreich.

Teilgebiete der Osteopathie

Auch wenn der Name Osteopathie ein einheitliches Grundkonzept andeutet, werden in der Osteopathie doch verschiedene Methoden unterrichtet, die sich mit der Chiropraktik oder der manuellen Medizin überschneiden. Einige solcher Behandlungsmethoden sind:

Strain/Conterstrain - positional release

Muskel-Energie-Techniken (siehe zum Prinzip auch Postisometrische Relaxation)

Faszien-Techniken

Cranio-Sacral-Therapie

HVLA-Techniken ("high velocity, low amplitude", also kleine schnelle Bewegungen; sie entsprechen dem "Einrenken" in Chirotherapie und Chiropraktik)

Sie werden z. T. verschiedenen Entdeckern zugeschrieben und sind verschieden gut mit schulmedizinischen Ansichten vereinbar.

Information:


Ausbildungsstätten