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Kerbtal

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Ein Kerbtal

Kerbtäler (auf Grund ihrer häufigen vereinfacht-symmetrischen Talhänge auch V-Täler genannt) sind Täler, die sich vor allem in Mittel- und Hochgebirgen befinden. Häufig sind sie an ihrer Sohle so schmal, dass sie als Engtal gelten können. Sie entstehen durch starke Tiefenerosion und Denudation an den Talhängen. Kerbtäler können sich auf Grund der überwiegenden Tiefenerosion nur in festem Gestein bilden und werden auf der Erde fast ausschließlich durch fließendes Wasser erodiert.

Geomorphologie

Vorläufer

Der Übergang vom Tobel zur Klamm und zum Kerbtal am Briksdalsbreen einem Teil des Gletschers Jostedalsbreen

Das vor allem in Oberläufen der Flüsse aufgrund großen Gefälles stark fließende Wasser, zum Teil in Form von Wasserfällen, schneidet sich durch Auswaschung in das Gestein ein und führt zur Ausbildung eines Tobels. Je nach Beschaffenheit des Gesteins folgt daraus ein Kerbtal oder eine Klamm (Schlucht). Diese findet man vor allem im Hochgebirgen vor. Die Tiefenerosion ist dabei so stark, dass eine Verwitterung der Hänge und deren Abtrag nicht folgen können. Die Klämme sind dann nahezu senkrechte Felswände und nur so breit wie ihr Flussbett. Die maximale Tiefe einer Klamm ist durch die kritische Höhe der Felswände bestimmt.

Entstehung

Wird die kritische Höhe der Felswände überschritten, kommt es aufgrund der Instabilität zu Felsstürzen und Rutschungen. Die Hänge werden zurückverlagert und die senkrechten Talhänge verflachen. Es kommt also auch die seitliche Erosion der Hänge hinzu.

Hat das Tal nun überwiegend eine V-Form, so spricht man von einem Kerbtal. Dies wird durch einen starken Materialabtrag auf den Hängen charakterisiert, der mit der Tiefenerosion des Flusses standhält. Je flacher die Talhänge werden, desto inkontinuierlicher stellt sich die Denudation dar. Kommt es anfangs in einer tiefen Klamm noch regelmäßig zu Felsstürzen, tritt die Seitenerosion später nur noch bei entsprechenden meteorologischen Ereignissen ein. Diese Dedunationen sind dann durch Rutschen oder Gleiten sowie in Form von Muren und anderen Fließungen zu beobachten.

Kerbsohlentäler zeichnen sich durch eine geringere Tiefenerosion und eine geringe, aber vorhandene Seitenerosion aus. Teilweise können diese auf Grund von undurchdringlichen Schichten im geologischen Aufbau des Gesteins Abschnitte eines Kerbtals markieren. Eine Sonderform der Kerbtäler sind die Canyons. Der Übergang vom Kerbtal zum Sohlental ist fließend. Durch die Erosion an den Hängen ist das Gewässer gezwungen, das abgetragene Material bewegen zu können. Ist das Gefälle im Tal geringer, kommt es zur Mäandrierung des Flussverlaufs. Am Prallhang trifft das Gewässer dann häufig auf den Hang des Tals und greift diesen intensiv an. Wie stark die Wirkung gegen den Hang an solchen Stellen ist, lässt sich bei Hochwasser beobachten. Ablagerungen von Material finden gleichzeitig am Gleithang statt, wodurch sich die Sohle des Tals verbreitert.

In ihrer Form können Kerbtäler den Durchbruchstälern großer Flüsse gleichen, durchdringen aber im Gegensatz zu diesen das angegriffene Gebirge nicht. Sie sind daher auf ihrer gesamten Länge steiler.

Nachfolger

Kerbtäler stellen bei der Erosion von Gebirgen nicht die letzte Talform dar, die sich bilden kann. In Hochgebirgen mit Gletschern führen Kerbtäler die sich bei Eiszeiten ausdehnenden Gletscher. Dabei kommt es zur intensiven seitlichen Erosion, während sich die Tiefenerosion fast völlig einstellt. Das Eis schleift die Talwände weiter auf; sprengt Felsmaterial durch den enormen Druck teilweise heraus. Dies passiert vor allem im engsten Teil des Tals, also kurz über der Sohle, da dort der Gewichtsdruck des Gletschers am höchsten ist. Am Rand des Gletschers wird durch Detraktion weiteres Material mitgerissen und selber erosiv wirksam. Die dabei entstehenden Talformen sind Trogtäler bzw. Fjorde.

Das eingekerbte Gebirge wird mit der Zeit vollständig erodiert und dabei eingeebnet; der Höhenunterschied zwischen Talsohle und Berggipfeln nimmt wieder ab. In dem immer flacher werdenden Gebirge wird das sowieso schon breite Kerbsohlental zu einem Sohlental. Der Grund für die Reduzierung des Höhenunterschieds zwischen Talsohle und Bergen muss dabei nicht durch Erosion bedingt sein. Sie kann auch durch Plattentektonik bzw. Schollentektonik begründet sein. Insbesondere bei Schollen ist es möglich, dass sie absinken und so das Gewässer selbst das Kerbtal immer weiter sedimentiert, also auffüllt. Kommt es zu einem enormen Absenken der Scholle, entwickelt sich das Fließgewässer in dem flachen Tal zu einem Steppensee. Später wird das Kerbtal in einem Sedimentbecken vollständig eingeebnet.

Bodenkunde

Talsohle

Die Böden in einem Kerbtal sind stark durch Ablagerung und Erosion des durchfließenden Gewässers gezeichnet. Kann man Böden großer Muldentäler noch fast überall im Sohlenbereich den Auenböden zuordnen, so ist das bei Kerbtälern schwerer. Zum Aufbau des Bodens durch Sedimentation kommt es im Kerbtal ganz unterschiedlich. In flacheren Passagen sowie am Gleithang kommt es zu Ablagerungen, die je nach Beschaffung des Gebirges sehr humus- und lößhaltig sein können. Im Kerbsohlental, wo die Sohle breiter ist und das damit auch bei Hochwasser viel mehr normaltrockene Flächen zur Sedimentierung bereithält, befinden sich schon ausgeprägt und flächendeckend Auenböden.

Vor allem im Kerbsohlental befinden sich auch alte Arme des Fließgewässers. Die Böden dort sind geprägt von der Schotter und Kiesschicht des alten Bachbetts und können sich im Laufe der Zeit zu Auengleyen entwickeln. Andererseits sind diese Verläufe eines alten Bachbetts auch bei Hochwasser durch Überschwemmung mit Strömung und Abtragung geprägt.

Hänge

Der Bodentyp am Hang ist im Allgemeinen stark durch Gesteine geprägt, teilweise großflächig durch Felsen unterbrochen. Interessanterweise können im Verlauf und auch im Querschnitt eines Tals binnen wenigen hundert Metern verschiedenste Böden an den Hangflanken vorkommen. Abhängig ist der entstandene Bodentyp am Hang von verschiedenen Faktoren, zu denen vor allem die Ausrichtung im Windsystem (Eintragung von Löß und Stauben) und die Steigung des Hangs gehören (Stärke der Erosion und Dichte der Vegetation). Dort, wo durch Erosion der Hang großflächig aufgerissen ist, kommen vor allem die Rohböden der Syroseme vor. Sie bestehen aus mächtigen Schotter- und Lockergesteinsschichten, besitzen aber kaum Humusschichten.

In den gemäßigten Klimazonen bildeten sich an den oberen Hängen entlang des Tals Braunerden. Stark vom Grundgestein des Gebirges abhängig, sind dies meist Kalkbraunerden. Im Vergleich zu Braunerden auf ebenen Gründen sind diese trotzdem sehr flach.

Klima und Wetter

In Kerbtälern herrscht ein anderes Lokalklima als im umliegenden Bergland. Ursächlich dafür ist natürlich die tiefere Lage, aber auch die andere Bestrahlung durch die Sonne. Dies ruft verschiedene Phänomene hervor.

Grundlagen

Je nach Richtung eines Tals ist die Sonnenscheindauer im Talgrund sehr unterschiedlich. Täler, die nach Norden bzw. Süden zeigen, sind tendenziell benachteiligt, da in den Morgen- und Abendstunden ein Schatten durch die Talhänge geworfen wird. Täler die in Ostwestrichtung verlaufen, werden demnach länger beschienen, wenn ihr Nordhang nicht zu steil ist. Es spielt demnach auch eine Rolle, an welchem Breitengrad das Tal liegt.

Eine klimatische Bestimmung des Tals erfolgt - natürlich neben dem vorherschenden Makroklima - auch durch die Lage im Gebirge. Dabei spielt es eine bedeutende Rolle ob das Tal an der Luv- oder Leeseite liegt.

Windsysteme

Gleitschirmflieger nutzen den Hangwind, der in Kerbtälern wie in Trogtälern bei entsprechendem Wetter vorherrscht

Im Tal herrschen zwei Windsysteme vor, die in ihrer Entstehung zusammenhängen und verwandt sind. An den Talwänden kommt es zur Hangwindzirkulation und in Talrichtung selbst zum Talwind. Zusammen bilden diese das Berg-Tal-Windsystem. Ursache für Wind ist immer ein Druckunterschied zwischen zwei Orten oder in diesem Fall zwischen zwei Bereichen. Bei Kerbtälern wird dieser Druckunterschied durch die unterschiedlich intensive Einstrahlung der Sonne verursacht.

Da dieser engräumige Windeffekt intensive Sonneneinstrahlung benötigt, ist er hauptsächlich im Sommer bei Hochdruckwetterlagen zu beobachten. Aber auch im Winter kann es, in Folge der fast ausschließlichen Bestrahlung der Berge zu Teilprozessen des Phänomens kommen. Allerdings wird der Effekt auch von den Winden der Großwetterlagen überlagert.

Die Hangwindzirkulation entsteht, wenn am Vormittag die oberen Talhänge durch Sonnenschein intensiv erwärmt werden. Die warme Luft steigt dort auf und zieht Luft aus dem Tal nach. Da sich wenige Meter über dem Hang noch kühle Luft befindet, steigt der Hangwind nicht senkrecht nach oben auf, sondern bleibt in etwa am Hang, also als Wind spürbar. Die kalte Luft darüber fällt ab und bewegt sich als Ausgleich ins Tal zurück. Der langsame, aber stetige Aufwind wird zum Beispiel beim Gleitschirmfliegen genutzt.

Am Nachmittag stellt sich die Aufströmung am Hang quer zur Talrichtung fast völlig ein, da nun auch die Talsohle erwärmt wird und kehrt sich Abends und in den Nachtstunden völlig um, in dem kalte Luft am Talhang herunterfällt. An der Talsohle wird aber mitunter die ganze Nacht hindurch Wärme abgestrahlt, weshalb es dort zum senkrechten Aufsteigen der Luft kommt.

Der in Talrichtung wehende Talwind folgt den vertikalen Richtungen des Hangwind zeitversetzt. Vormittags weht er talabwärts und bringt dabei die kühle Luft aus den Höhenlagen in das Vorland des Tals. Seine Richtung bestimmt sich nicht durch die Temperaturunterschiede zwischen Talsohle und oberem Hang sondern durch den Druckunterschied zwischen Vorland und den Höhenlagen am oberen Ende des Kerbtals. Ursache für den Talwind sind aber vor allem Ungleichnisse der Hangwindzirkulation. Um die Mittagsstunden herum reichen die abfallenden Luftmassen nicht mehr, um die am Hang aufsteigenden auszugleichen: Es kommt zu einem Wind aus dem Vorland des Tals heraus talaufwärts. In den mittleren Nachtstunden fallen wiederum größere Luftmassen in das Tal hinein, als mittig noch aufsteigen, wo durch der abfallende Wind in Talrichtung entsteht, der bis zum Sonnenaufgang anhält.

Die niedrigsten Temperaturen im Tal werden daher kurz vor Sonnenaufgang (im Tal) erreicht. Das Windsystem hat auch Einfluss auf die lokale Entstehung von Niederschlag.


Anthropogeographie

Kerbtäler bieten für den Menschen als Ort zum Wohnen und Wirtschaften, aber auch als Verlauf für Infrastruktur Vorteile wie Schutz vor Wind und Sonne. Außerdem gewährleisten sie – abgesehen von Ausnahmen in den Subtropen – eine Frischwasserversorgung. Probleme bereiten sie dem Menschen durch Hochwasser, die die Entstehung der Täler im wesentlichen verursachen, den Menschen aber in Form von Sturzfluten gefährden.

Besiedlung

Das Dorf Surrein im Schweizer Bezirk Surselva

Im Gegensatz zur Klamm oder zu steilen Durchbruchstälern ist das Kerbtal durch angepasste Besiedlungsformen für den Menschen bewohnbar. Auf Grund ihrer Enge ist die Besiedlung in Form von Dörfern und Städten fast ausschließlich in Talrichtung möglich. In solchen Tälern bildeten sich daher Formen des Reihendorfs. Begrenzt werden menschliche Besiedlungen in Kerbtälern neben historisch-politischen Einteilungen auch sehr deutlich durch natürliche Begebenheiten (Engstellen und steile Passagen). Bei der Anlage von Siedlungen besteht in einem Kerbtal immer die Gefahr von Hochwasser. Besonders Kurven des Gewässers, die im Kerbtal sehr starke Prall- und Gleithänge bilden, stellen bei Hochwasser durch starke Verschiebungen des Gewässerufers eine hohe Gefahr dar.

Insbesondere da, wo kurze Nebentäler in ein größeres Kerbtal mündeten und ein seitliches Aufsteigen über den Bergkamm oder zumindest auf hohe Ebenen zu ließen, entwickelten sich Dörfer in Kerbtälern zu Städten. Wege, Straßen und neuzeitliche Transportverbindungen werden von Kerbtälern geführt. Wichtige Orte entwickelten sich dabei dort, wo sich in Tälern Kreuzungspunkte entwickelten. Dies ist zum Beispiel an größeren Verzweigungen eines Tals der Fall, aber auch dort möglich, wo Nebentäler eine bequeme Durchquerung des Tals ermöglichen.

Klein- und Mittelstädte konnten sich in Kerbtälern durchaus entwickeln, allerdings bietet ein Kerbtal im engen Sinn nicht genug Raum für Großstädte, sondern wird bei der Ausdehnung der Städte (die dann in benachbarten beckenartigen Tälern liegen) eingenommen. Beispiele für solche Großstädte in Deutschland, die durch Eingemeindung und Wachstum in Kerbtäler vordringen konnten, sind Freiburg im Breisgau mit etwa 1000 Meter Höhendifferenz im Stadtgebiet sowie in einigen Teilen auch Dresden, Wiesbaden und Würzburg.

Eine Sonderform der städtischen Besiedlung eines Kerbtals stellt Wuppertal dar, dass sich im Kerbsohlental der Wupper befindet und sich in diesem entwickeln und ausdehnen konnte. Stellenweise ist die Talsohle beckenartig ausgedehnt, teilweise ist das besiedelte Tal aber nur etwa 300 Meter breit. Die seitlichen Nebentäler dienen zum Teil der verkehrstechnischen Erschließung und sind in der Regel urban überformt.

In den Alpen, wo großflächige Besiedlung ausschließlich in den Tälern möglich ist, entwickelten sich Großstädte in den Trogtälern von denen aus Kerbtäler urban erschlossen wurden. Innsbruck ist ein Beispiel für die Besiedlung aus einem Trogtal heraus.

Bewirtschaftung

Streuobstwiese am Hang eines Kerbtals
Talsperre im Kerbtal
Horizontalrad-Wassermühle auf Kreta: Ein Beispiel für extreme Gefällereduzierung des Gewässers

Kerbtäler lassen sich auf verschiedene Art und Weise bewirtschaften:

Steile Kerbtäler lassen an ihren Flanken meist nur Forstwirtschaft zu. Schwierig stellt sich dabei der Abtransport des geschlagenen Holzes dar. Der Hangwald ist nicht überall durch Forstwege erschließbar, so dass früher Rückepferde eingesetzt wurden. Da sich die Erschließung (vor allem über Rückewege) für großes technisches Gerät wie dem Forwarder nicht verbessert hat, ist der Einsatz von Rückepferden (abgesehen von ökologischen Betrieben) kaum ökonomisch. Darum werden immer mehr Wälder an den Talhängen nicht mehr zur Holzgewinnung genutzt. Forstwirtschaft im Kerbtal bedeutet heute insbesondere Bestandserhaltung.

Landwirtschaftlich bieten sie häufig durch das Gewässer fruchtbare Böden. Im Grunde lassen sich Kerbtäler im Talgrund auf jede Art landwirtschaftlich nutzen, die das Klima im Tal zulässt. Allerdings ist ein Kerbtal in seiner Sonnenscheindauer und damit Vegetationszeit (siehe Flora und Fauna) durch den steilen Hang beschränkt. Neben der reinen Breite des Talgrunds begrenzen auch das Gewässer und deren alte Flussbetter die nutzbaren Flächen des Tals. Ein hoher Anteil des Talbodens kann deshalb auch durch schwer bewirtschaftbare Kies- und Schotterschichten gekennzeichnet sein.

Enge Täler in Europa werden gegenwärtig am Talboden vornehmlich durch Weide- und Wiesenwirtschaft genutzt. Vor allem bei der Haltung von Vieh auf Weiden bieten sie gegenüber Hochflächen den Vorteil der Wasserversorgung. Nur an breiteren Stellen lassen sie Ackerbau in kleinen Parzellen zu.

Der in der Sonneneinstrahlung begünstigte Hang lässt sich in den gemäßigten Breiten häufig zum Obstbau und teilweise auch zum Weinbau nutzen. Obstanbau wird in den höheren Kammlagen häufig in Form der Streuobstwiesen betrieben, die eine effizientere Bodenausnutzung erlaubt.

Eine weitere Nutzung des Tals findet Wasserwirtschaftlich statt. In der Gegenwart beschränkt sich dies fast ausschließlich auf den Betrieb von Stauseen, deren Talsperren Kerbtäler an Engstellen abschließen und so das Fließgewässer des Tals aufstauen. Der Zweck der Stauseen ist in der Energiegewinnung und im Hochwasserschutz zu sehen. Das schnell fließende Gewässer des Kerbtals wird allerdings schon seit vielen Jahrhunderten zur Energiegewinnung genutzt. Als ursprüngliche Technologie ist dabei das Wasserrad mit dem Mühlen betrieben worden. Da das Kerbtal steiler ist, besitzt es folglich eine höhere Dichte an potenzieller und kinetischer Energie des Wassers. Damit ist auch eine Aufstellung von Wassermühlen mit vorteilhaftem „oberschlächtigem Wasserrad“ möglich. Das Gefälle des Gewässers des Tals (oder eines abgezweigten Verlaufs) wird dazu künstlich reduziert um die kinetische Energie punktuell auf das Wasserrad wirken zu lassen.

Die größte Verbreitung in Mitteleuropa besaßen die Wassermühlen in der Frühindustrialierung. In der Zeit wurden neben Getreide auch Grundstoffe der Glas- und Farbherrstellung sowie Gewürze und Kaffee gemahlen. Wasser wurde zur Herstellung von Papier und Holzbrettern genutzt. Durch Wasserkraft betriebene Sägewerke in den Tälern hatten vor allem den Vorteil, dass sie sehr nah am Holzabbaugebiet, den Wäldern am Talhang lagen (s. o.). Besonderen Wert durch die Nähe zum Abbaugebiet hatte Wasserkraft auch zum Mahlen von Erz in den Kerbtälern inne.

Im Bergbau bilden Kerbtäler häufig den Zugang zu Bergwerken, die senkrecht über einen Stollen in den Berg getrieben sind. An solchen Stellen müssen sie neben den entsprechenden Steilhängen auch genug Raum zur Auslagerung des ausgeschlagenen Materials bereitstellen. Eine Sonderform dieser Stollen ist der „Wasserlösungsstollen“, der Bergwerke entwässert. Das Kerbtal wird ab der Austrittstelle des Stollens mit zu Entwässerung genutzt. Beim Anlegen großer Reviere mit entsprechender Tiefe muss ein solcher Stollen teilweise eine beträchliche Länge bis zu einem ausreichend tiefen Kerbtal haben. Der Rothschönberger Stolln im Erzgebirge ist mehr als 50 Kilometer lang und unterquert das nicht ausreichend tiefe Tal der Freiberger Mulde und entwässert deshalb in das Kerbtal der Triebisch.

Transportweg

Kerbtäler sind Ausgangspunkt von Pässen, die über Gebirge führen. Zum Kerbtal als nützlicher Transportweg tragen vor allem die Schutzrollen des Tals bei. Sowohl der Mensch als auch Transporttiere sind im Tal besser vor Wind und Sonne geschützt. Vor allem als Waren noch sehr viel mit Tieren transportiert wurden, spielte die verteilte und gesicherte Wasserversorgung im Tal eine große Rolle. So sind Kerbtäler in subtropischen Regionen häufig einzige Alternative für Verkehrswege gewesen, so fern ihr Gewässer durchgängig Wasser führte.

Die Rolle des Kerbtals als Träger von Infrastruktur erhöhte sich noch einmal mit dem Aufbau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert. Die geringe Steigungsfähigkeit der ersten Eisenbahnen waren Ausschlag dafür, Strecken in den Tälern anzulegen. Am oberen Ende einer solchen Passage erfolgte über eine an den Hang angelegte Rampe der Aufsteig in die höheren Lagen des Gebirges. In Hochgebirgen führen Tunnel und Pässe aus einem Kerbtal in ein anderes. Je nach Höhe der Tunnelanlagen spricht man von Basistunnel, wenn dieser den Berg an dessen „Basis“ durchquert oder vom Scheiteltunnel, wenn erst ein Aufstieg über Rampen erfolgt. Ist das Kerbtal zu steil oder die Fläche am Hang nicht ausreichend für eine Rampe, wurden Kreiskehrtunnel eingesetzt, um in einem spiralförmigen Aufstieg „neben“ dem Tal Höhe zu gewinnen. Ein bekanntes Beispiel dafür befindet sich auf der Wutachtalbahn im Schwarzwald.

Talüberquerung einer modernen Schnellfahrstrecke

Mit dem Bau der Schnellfahrstrecken hat sich die Rolle des Kerbtals für die Eisenbahn gewandelt. Durch stärkere Antriebe der Züge aber auch durch kostengünstigere Tunnel- und Brückenbauweisen ist das Kerbtal eher zum Hindernis geworden. Neugebaute Eisenbahnstrecken ähneln in ihrem Verlauf der Bauweise von Autobahnen. Im deutschen Mittelgebirgsraum sind Autobahn fast seit Anbeginn so angelegt, dass sie die Kerbtäler kreuzen um geradliniger laufen zu können. Da Autobahnen nach wie vor stärkere Steigungen besitzen können, ist bei ihnen der Verlauf mit direkten Übergängen von Brücken zu Tunneln im Mittelgebirgsraum eher selten. Bei vielen Neubaustrecken ist diese Bauweise aber über weite Strecken angewandt.

Urtypisch für den Verlauf moderner Eisenbahnstrecken ist die 1869 fertig gestellte Sachsen-Franken-Magistrale, die auf dem flache Pult des Erzgebirges von Ost nach West verläuft. Dabei kreuzt die Strecke sehr viele Kerbtäler des Erzgebirges über Großbauwerke zum denen die Göltzschtalbrücke oder das Hetzdorfer Viadukt (1992 stillgelegt) gehört. Der Verlauf dieser Eisenbahnstrecke war aber eher dem parallelen Verlauf zum Erzgebirgskamm denn dem Erreichen hoher Geschwindigkeiten geschuldet.

Siehe auch

Weitere Talformen:

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