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Situativer Ansatz

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Diese neue Theorie der Organisationsprinzipien, die auch unter der Bezeichnung Kontingenztheorie (engl. „Contingency Approach“ und „Situational Approach“) bekannt wurde, entstand Mitte der 60er Jahre in den USA und England. Wirtschaft und Gesellschaft waren damals geprägt von Fortschritt der Informationstechnologie, zunehmender Komplexität der Unternehmensorganisationen und steigendem Bildungsniveau der Mitarbeiter. Daher wurde es nötig, die Existenz von allgemein gültigen Organisationsprinzipien in Frage zu stellen. Es wurden in diesem Zusammenhang sowohl die positiven Elemente der bisherigen Ansätze als auch deren Kritikpunkte in die Entwicklung dieses neuen Ansatzes miteinbezogen.

Heute werden unter dem situativen Ansatz alle Beiträge zusammengefasst, die verschiedene reale Organisationsstrukturen auf Unterschiede in der spezifischen Situation zurückführen, in denen sich die jeweilige Organisation zurzeit befindet. Weiters geht man auch davon aus, dass das Zusammenspiel zwischen Organisationsstruktur und Verhaltensweise, je nach Situation, unterschiedlich effizient ist.

Das Ziel ist daher die Aufdeckung der Wirkungszusammenhänge zwischen der Organisationsstruktur, dem Verhalten der Organisationsmitglieder sowie der Effizienz der Organisation in der spezifischen Situation. Es ist auch eine Suche nach dem idealen Führungsstil der in einer spezifischen Situation den größten Führungserfolg bringt.


Grundthesen

Zwei Grundthesen kennzeichnen die Beiträge des situativen Ansatzes:

1. Unterschiedliche Organisationsstrukturen und unterschiedliche Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder sind auf Unterschiede der Situation zurückzuführen, in der sich die Unternehmen befinden.

2. Organisationsstrukturen und Verhaltensweisen sind je nach Situation unterschiedlich effizient. (Schulte-Zurhausen 2005, S. 23)“

Diese Hypothesen lassen somit keine verallgemeinerbare optimale Form von Organisationen zu. Die starre Typologisierung von Organisationsstrukturen wird stattdessen zu Gunsten der Beschreibung von Organisationen durch Merkmalsvariable mit unterschiedlicher Ausprägung aufgegeben.


Die Beiträge des situativen Ansatzes werden bei Kieser und Kubicek in analytische und pragmatische Varianten unterteilt.

Analytische Varianten

Hier geht es um die Verfolgung eines theoretischen Wissenschaftszieles. Dafür werden die Strukturvariablen der Organisation als abhängige Größen aufgefasst. Die Situationsvariablen hingegen werden zur Erklärung von Unterschieden in den untersuchten Organisationsstrukturen als unabhängige Größen aufgefasst.

Drei Fragestellungen kennzeichnen das Forschungsprogramm des analytisch situativen Ansatzes:

„1. Wie können Organisationsstrukturen beschrieben - in Begriffe gefaßt - und operationalisiert - meßbar gemacht - werden, um Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen in empirischen Untersuchungen aufzeigen zu können?

2. Welche situativen Faktoren oder Einflußgrößen erklären eventuell festgestellte Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen?

3. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Situation-Struktur-Konstellationen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder und die Zielerreichung (Effizienz) der Organisation? Läßt sich für jede Situation eine Organisationsstruktur finden, die das Verhalten der Organisationsmitglieder so steuert, daß die Effizienz der Organisation gesichert werden kann? (Kieser 2002, S. 171)“

Häufig werden auch "Warum-Fragen" zum Erkenntnisgewinn herangezogen. Die aus diesen Fragen gewonnenen Erkenntnisse sind dann neue Theorien.(Schulte-Zurhausen 2005, S. 24)

Voraussetzungen

Für die Beantwortung dieser Fragen müssen zuvor folgende Parameter definiert werden:

  • Festlegung der situativen Faktoren die zur Messung notwendig sind. Diese Faktoren müssen operationalisiert werden, damit sie in empirischen Untersuchungen miteinbezogen werden können. Beispiele hierfür sind Stärken sowie Häufigkeiten von Nachfrageschwankungen oder Auftreten neuer Konkurrenten auf dem Markt. Es können auch Mitglieder der Organisation über ihre Ansichten zu diesem Thema befragt werden.
  • Weiters ist zu klären, welche Dimensionen des Verhaltens, Effizienz in Abhängigkeit von formaler Organisationsstruktur und der Situation der Organisation selbst gemessen werden sollen.

Sind diese Parameter definiert, kann man den Zusammenhang zwischen den situativen und strukturellen Variablen auf Basis empirischer Daten ermitteln. Hypothesen zu bilden, ist hierfür nötig. (Kieser 2002, S. 172ff)

Pragmatische oder handlungsbezogene Varianten

Ziel ist die Formulierung von Gestaltungsmöglichkeiten und -empfehlungen, sowie deren Begründung. Die Auswahl jener Strukturvariante, die der Situation des Unternehmens am besten entspricht, spielt hier eine entscheidende Rolle.(Schulte-Zurhausen 2005, S. 26).

Aufgabe der Organisationsforschung ist es dann, die als relevant anzusehenden Situationsvariablen festzulegen und in Folge die richtigen Schlussfolgerungen für die organisatorische Gestaltung zu ziehen. (Schulte-Zurhausen 2005, S. 28)

Bei der organisatorischen Gestaltung sind die Strukturvariablen so zu wählen, dass Konsistenz mit den situativen Bedingungen des Unternehmens besteht. Dafür ist ein Organisator erforderlich, der diese optimale Strukturalternative ermittelt (Schulte-Zurhausen 2005, S. 26).

Um dies zu erreichen, werden „Wie-Fragen“ eingesetzt werden, deren Antworten denjenigen nützen sollen, die Probleme der organisatorischen Gestaltung in der Praxis zu lösen haben (Schulte-Zurhausen 2005, S. 24).

Dimensionen der Organisationsstruktur

Die Merkmale der Organisationsstruktur werden anhand von Dimensionen gegliedert. Sie ist eine Konstellation von Regelungen.

Dimensionen der internen Sitatution Dimensionen der externen Sitatution
Gegenwartsbezogene Faktoren:
  • Leistungsprogramm
  • Größe
  • Fertigungstechnologie
  • Informationstechnologie
  • Rechtsform und Eigentumsverhältnisse
Aufgabenspezifische Umwelt:
  • Konkurrenzverhältnisse
  • Kundenstruktur
  • Technologische Dynamik
Vergangenheitsbezogene Faktoren:
  • Alter der Organisation
  • Art der Gründung
  • Entwicklungsstadium der Organisation
Globale Umwelt:
  • gesellschaftliche Bedingungen
  • kulturelle Bedingungen

Erweiterungen und Nachfolgetheorien

  • Theorie der strategischen Wahl von John Child (1972) Strategic Choice, war eines der ersten erweiterten Konzepte zum situativen Ansatz
  • Konfigurationsansatz von Mintzberg (1979), entwickelte als Erster die sogenannte Strukturtypen bzw. Konfigurationen
  • Strukturationstheorie von Giddens (1984), Dualität von Struktur und Handlung
  • 3D Modell von Reddin (1967), dreidimensionales Frührungsmodell
  • Kontingenztheorie von Fiedler (1967), Messung der Effizienz von Führungsstilen mit Hilfe des LPC Wertes

Literatur

  • Manfred Schulte-Zurhausen: Organisation. 4. Auflage. Vahlen, München 2005, ISBN 3-8006-3205-5
  • Alfred Kieser (Hrsg.): Organisationstheorien. 5. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017917-9
  • Matthias Wunderlich: Qualitätsorientierte Organisationsstrukturen. Shaker, Aachen 1998, ISBN 3-8265-3791-2
  • Martin Heinl: Ultramoderne Organisationstheorien. Lang, Frankfurth/Main, Wien (u.a) 1996, ISBN 3-631-50059-9
  • Wilhelm Hill: Organisationslehre. Theoretische Ansätze und praktische Methoden der Organisation sozialer Systeme. 4. Auflage. Bern 1992, ISBN 3-258-04389-2