Lustprinzip
Das Lustprinzip ist eine Theorie, die Sigmund Freud auf dem Wege der Traumanalyse gewann und formulierte. Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum bezieht er das Lustprinzip in seinen jüngeren Werken nicht (mehr) nur auf das Streben nach sog. "sexueller" Lust. Aus Beobachtungen von Kleinkindern schloss er zwar auf ein von Geburt an bestehendes Luststreben, dies war jedoch so vielgestaltig/ unspezifisch, daß er es nicht als Vorläufer ausschließlicher sexueller Lust zu bezeichnen vermochte. Anstatt dessen ersann er zur Benennung des kindlichen Lustverhaltens den Begriff der "polimorphen Perversionen" - ein Kunstgriff, der ihm erforderlich schien um von den zweitgenössischen Forschern überhaupt annäherend verstanden zu werden, da diese den Kindern körperliche Lustbetätigung konsequent abgesprochen haben. Auch galten um die Wende letzten Jahrhundert alle sonstigen Arten der Lust, die nicht direkt und ausschließlich nur im Dienste der Vermehrung stehen - wie der "homoertische" Lustaustausch - als 'perverse' Entartung.
Die kindlichen polimorph'perversen' Regungung äußern sich nicht nur in der Befriedigung über die Geschlechtsorgane [Onanie bereits im Mutterleib/ 'Doktorspiele'), sondern ganz allgemein in jeder Form des Lustgewinns durch Körperkontakt, von Haut zu Haut zu mehreren, allein an Gegenständen sich reiben, Saugen, Nuckeln mit und ohne Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Nasebohren usf alle weiteren denkbaren der vielgestaltigen 'Perversionen ' / kein wörtlich zu nehmender Begriff also.. (lat. pervere: verdreht, 'unnatürlich', 'abartig') (Poli: viel / morphéin: Gestalt).
Nicht zu dem polimorphperversen Lustverhalten der Kinder, gehört selbstverständlich die vollzogene Begattung und ihr orgasmischer Höhepunkt, da beides die hormonell/physische Entwicklung voraussetzt, welche erst während der Pubertät erreicht wird; Jedoch üben Kinder unter sich dieses Verhalten in ihren Spielen, sofern sie keinen Einschränkungen durch die Lustfeindlichkeit der moralischen Erziehung unterworfen werden. Deren Vollzug bis zum Ende, führt Freuds Theorie zufolge zu der Instinktreduktion des 'zivilisierten' Gesellschaftsmenschen (siehe auch: Neurose ), allerdings akzeptieren andere Richtungen diesen Ansatz nicht und vertreten abweichende oder auch unvereinbare Hypothesen.
Die Herkunft aller Formen der Lust verortete Freud über die biologische Ebene in einer universalen, Triebenergetischen Lebenskraft, die Libido, die an sich monistisch, ab Verwirklichung aber dualsitisch, psycho-physisch, geist-körperlich sich statisch gestalten und dynamisch verhält, beide Aspekte im "ES" - Freuds Begriff der Seele [die nicht mit der religiösen Seelenauffassung verwechselt werden darf!!) - harmonisch vereinigend, sobald das Gleichgewicht zwischen einem sich mit Unlust meldenden Grundbedürfnis und seiner (lustvollen) Befriedigung hergestellt worden ist, für eine Weile. Ein unbefriedigtes Grundbedürfnis, erzeugt demnach Spannungen auf entweder eher körperlicher oder eher geistiger Ebene, je nach dem welches es war, das unbefriedigt blieb, z. B. Einsamkeitsspannungen imfolger sozialer Frustrationen, oder Unsicherheit imfolge eines Sachverhaltes, der nicht (geistig) geklärt worden ist; beides verlangt auf seine je eigene Weise nach Befriedigung, Lustgewinn bis zur Sattheit des Bedürfnis...
Die Libido ist also die Quelle aller Unlust- und Lustgefühle; dabei hat das ICH/Bewußtsein - wie Freud den "Geist" ernannte - die Aufgabe, nach Klarheit in sich oder nach einer äußeren Lebensquelle zu suchen, Menschen, Nahrung, Versuchsobjekten, die geeignet sind, durch wechselseitig lustvollen Kontakt, 'egoistische' Einverleibung und experimentelle Manipulation mit Betrachtung der Ergebnisse bis zum Heureka!-Effekt der Erleuchtung die Spannungen abzubauen, welche sich durch die vorherigen Frustrationen ergaben. War die geistige Unruhe einem geheimnissvollen, von Schreckens- und Lustvollen Symbol handelnden Traum bezogen, so forderte Freud auf zu Freie Assoziationen über die Symbole - das Mittel zum Zweck der Bahnung des "Königsweges in das Unbewußte", die Traumanalyse der freudschen Psychoanalyse, die das Lustprinzip entdeckte. Der psychoanalytischen Theorie gemäß, ist sie selbst nur ein Ausdruck der Libido und ihres Lustprinzips auf dem Gebiet des Geistes, nicht mit ihr identisch. Entsprechend erhebt sie auch keinen Anspruch auf absolute Wahrheit, sondern stellt sich zwecks ihrer weiteren Verbesserung zur Diskussion (geistige Lustausübung im Sinne der Befriedigung des Grundbedürfnis "Neugierde"; Wissensdrang).