Einwendung
Einwendungen und Einreden sind im deutschen Zivilrecht materiell-rechtliche Verteidigungsmittel eines Schuldners, die bewirken, dass ein sonst gegebenen Anspruch nicht entsteht, wieder erlischt oder nicht durchgesetzt werden kann.
Zwischen Anspruchsvoraussetzungen und Verteidigungsmitteln gegen einen Anspruch unterscheidet man, um die Beweislast zwischen Schuldner und Gläubiger sinnvoll zu verteilen. Anspruchsvoraussetzungen und Verteidigungsmittel stehen zueinander in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis: Die Anspruchsvoraussetzungen müssen immer gegeben sein, damit ein Anspruch besteht - die Einwendungen und Einreden begründen dagegen, wann ein Anspruch ausnahmsweise nicht besteht. Macht ein Gläubiger einen Anspruch geltend, dann muss er gegebenenfalls vor Gericht beweisen, dass die Voraussetzungen dieses Anspruchs vorliegen. Die Voraussetzungen der Einwendungen und Einreden muss dagegen der Schuldner des Anspruchs beweisen.
Die Einwendungen, die bereits das Entstehen eines Anspruchs verhindern, heißen rechtshindernde Einwendungen. Die Gründe, aus denen ein bestehender Anspruch wieder erlischt, nennt man rechtsvernichtende Einwendungen. Besteht der Anspruch dagegen weiter und kann lediglich nicht mehr durchgesetzt werden, spricht man von rechtshemmenden Einwendungen. Nach der Terminologie des BGB bezeichnet man die rechtshemmenden Einwendungen als Einreden.
Mit dieser Einrede im materiell-rechtlichen Sinne ist jedoch der Begriff der Einrede, wie ihn das Zivilprozessrecht verwendet nicht identisch: Dort meint Einrede jede Norm, die einem Anspruch im Prozess entgegengehalten werden kann (Gegenrecht). Der prozessuale Begriff „Einrede“ umfasst damit nicht nur die Einwendungen des Zivilrechts (einschließlich der Einrede im materiell-rechtlichen Sinne), sondern auch Gegenrechte, die aus dem Zivilprozessrecht stammen (prozessuale Einreden).
Einteilung der Einwendungen
Einreden verschaffen dem Anspruchsgegner eine bloße Verteidigungsmöglichkeit. Diese kann er nach Belieben nutzen oder auch nicht. Um ihm diese Entscheidungsfreiheit zu belassen, genügt es nicht, dass das Gericht von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zum Bestehen einer Einrede führen. Der Anspruchsgegner muss sich vielmehr ausdrücklich auf die Einrede berufen, wenn er sie nutzen will: er muss sie ausüben, damit sie ihre Wirkung entfaltet. Wer beispielsweise auf Erfüllung eines verjährten Anspruchs verklagt wird, kann selbst entscheiden, ob er die Verjährungseinrede erhebt, womit die Klage abgewiesen würde, oder ob er sich (etwa weil er das für unehrenhaft hält) auf andere Weise zu verteidigen versucht und eine Verurteilung riskiert.
Im Gesetzestext kann man Einreden an der Formulierung erkennen, dass das Gesetz den Schuldner berechtigt, eine Leistung zu verweigern.
Anders als die Einreden, die dem Schuldner lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht bieten, das die Existenz des Anspruchs im Kern nicht berührt, leugnen rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen den Anspruch an sich. Rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen entfalten ihre Wirkung kraft Gesetzes. Vom Gericht müssen sie von Amts wegen berücksichtigt werden. Deshalb genügt es, dass das Gericht von den entsprechenden Tatsachen erfährt, um sie im Urteil zu berücksichtigen. Keine Rolle spielt insbesondere, ob Kläger oder Beklagter sie vortragen.
Manche Einwendungen wirken gegen alle oder doch gegen viele Ansprüche, unabhängig von ihrem Entstehungsgrund. Andere dagegen sind speziell auf bestimmte Ansprüche abgestimmt.
Rechtshindernde Einwendungen
Rechtshindernde Einwendungen lassen einen Anspruch schon gar nicht entstehen, etwa weil der zu Grunde liegende Vertrag unwirksam ist. Insbesondere kommen in Betracht:
- Geschäftsunfähigkeit, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB bzw. fehlende Deliktsfähigkeit, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB
- Scheingeschäft, Vorlage:Zitat de § BGB und Scherzerklärung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, Vorlage:Zitat de § BGB
- Sittenwidrigkeit, Vorlage:Zitat de § BGB
- rückwirkende Nichtigkeit in Folge der Anfechtung, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB
- Formunwirksamkeit, Vorlage:Zitat de § BGB
- anfängliche Unmöglichkeit, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB
- Mitverschulden, Vorlage:Zitat de § BGB
- Rechtfertigungsgründe Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB und Schuldausschlussgründe Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § gegenüber Schadensersatzansrpüchen aus Vorlage:Zitat de § BGB
- das Besitzrecht gegenüber dem Herausgabeanspruch nach Vorlage:Zitat de § BGB
Rechtsvernichtende Einwendungen
Rechtsvernichtende Einwendungen lassen den bereits entstandenen Anspruch erlöschen. Insbesondere kommen in Betracht:
- das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses in Folge von Rücktritt oder Widerruf, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB
- nachträgliche Unmöglichkeit, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB
- Erfüllung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Hinterlegung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Aufrechnung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Erlass, Vorlage:Zitat de § BGB
- Wegfall der Geschäftsgrundlage Vorlage:Zitat de § BGB
- die nicht gesetzlich geregelte Konfusion
- Eintritt einer auflösenden Bedingung bzw. Ablauf der Befristung, Vorlage:Zitat de § Abs. 2, Vorlage:Zitat de § BGB
- Verwirkung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Vertragsaufhebung oder Novation
- bei Dauerschuldverhältnissen die Kündigung
- Entreicherung Vorlage:Zitat de § Abs. 3 BGB gegenüber einem Bereicherungsanspruch
Einreden (Rechtshemmende Einwendungen)
Einreden lassen den Anspruch unberührt fortbestehen. Insbesondere ist er nach wie vor erfüllbar. Er ist aber nicht mehr gerichtlich durchsetzbar, also gehemmt.
Einreden, die den geltendgemachten Anspruch, wie etwa die Verjährung, dauerhaft hemmen, heißen peremptorische Einreden. Zögern sie die Durchsetzbarkeit dagegen nur heraus, bezeichnet man sie als dilatorisch. Ihre Hemmungswirkung entfalten sie erst, wenn sie geltend gemacht wurden. Insbesondere kommen in Betracht:
- Verjährung, Vorlage:Zitat de § BGB
- Stundung
- Einrede des nichterfüllten Vertrags, Vorlage:Zitat de § BGB
- Unsicherheitseinrede, Vorlage:Zitat de § BGB
- Zurückbehaltungsrechte, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB
- die aus Vorlage:Zitat de § BGB gestützte und in Vorlage:Zitat de § BGB vorausgesetzte Dolo-agit-Einrede
- die Einreden des Erben, etwa Verschweigungseinrede, Vorlage:Zitat de § BGB, Dürftigkeitseinrede, Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § BGB, Dreimonatseinrede, Vorlage:Zitat de § BGB, Erschöpfungseinrede, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 S. 1 BGB, und Einrede des Aufgebotsverfahrens, Vorlage:Zitat de § BGB.
Wird auf eine Schuld geleistet, deren Durchsetzbarkeit durch eine (peremptorische) Einrede dauerhaft ausgeschlossen ist, so kann das Geleistete nach Vorlage:Zitat de § Abs 1 BGB zurückverlangt werden, wenn der Leistende die Einrede nicht kannte, Vorlage:Zitat de § BGB. Für den häufigsten Fall der peremptorischen Einrede gilt dies aber gerade nicht: Wird auf eine verjährte Forderung geleistet, ist die Herausgabe ausgeschlossen, Vorlage:Zitat de § Abs. 1 S. 2, Vorlage:Zitat de § Abs. 2 BGB. Der Grund dieser Ausnahme liegt im Wesen der Verjährung: nach ihrem Eintritt soll Rechtsfrieden herrschen und ein Prozess nicht mehr stattfinden, sei es auch nur ein Prozess über die Rückforderung des Geleisteten.
Beweislast
Ob ein bestimmtes Merkmal vom Gesetz zur Voraussetzung eines Anspruchs gemacht wird oder umgekehrt das Fehlen des Merkmals als rechtshindernde Einwendung, ist von der Wirkung her zunächst gleich: in beiden Fällen hängt die Entstehung des Anspruchs von eben diesem Merkmal ab.
Der Unterschied zeigt sich aber im Prozess: während derjenige, der einen Anspruch geltend macht, dessen tatsächliche Voraussetzungen vortragen und notfalls beweisen muss, trifft die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Einwendungen den Anspruchsgegner. Indem das Gesetz also Tatbestandsmerkmale oder Einwendungen formuliert, bestimmt es zugleich, wer das Risiko trägt, dass sich das Geschehen vor Gericht nicht mehr aufklären lässt.
So formuliert etwa Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“ Die doppelte Verneinung im zweiten Satz ist dabei nicht Selbstzweck, sondern zeigt an, dass es sich um eine rechtshindernde Einwendung handelt. Das Vertretenmüssen hat also nicht der Geschädigte vorzubringen und notfalls zu beweisen, sondern umgekehrt der Schädiger, wenn er meint, er habe die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Man sagt auch, das Vertretenmüssen werde (widerleglich) vermutet. Wäre dagegen formuliert „... so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat“, so hätte der Geschädigte auch diese Voraussetzung zu beweisen. So hat das Gesetz an anderer Stelle tatsächlich entschieden, beispielsweise im Deliktsrecht bei Vorlage:Zitat de § BGB.
Literatur
- Karl Larenz/ Manfred Wolf: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. 9. Aufl., München, 2004.
- Karin Linhart: Das System der Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Einreden in der Zivilrechtsklausur. In: Juristische Arbeitsblätter 2006, 266-270.