Gazprom
Gazprom (russisch Газпром, wiss. Transliteration und engl. Transkription Gazprom, deutsche Transkription Gasprom) ist das weltweit größte Erdgasförderunternehmen und das größte Unternehmen Russlands. Der ehemalige Staatskonzern, der 1998 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, ist heute mit rund 330.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes.
Entwicklung des Unternehmens
Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion wurde im Jahr 1989 der Geschäftsbereich für Gasförder- und Gastransportindustrie des Ministeriums für Erdöl- und Gaswirtschaft der UdSSR in den russischen Staatskonzern Gazprom umgewandelt. Der bisherige Minister für Erdöl- und Gaswirtschaft, Wiktor Tschernomyrdin, wurde zum ersten geschäftsführenden Vorstandsvorsitzenden gewählt. Als Tschernomyrdin 1992 Ministerpräsident wurde, folgte ihm sein Stellvertreter Rem Wjachirew als Gazprom-Vorstandsvorsitzender.
Seit Mai 2001 ist Alexei Miller Vorstandsvorsitzender. Aufsichtsratsvorsitzender ist Dmitri Medwedew, der Erste Stellvertretende Ministerpräsident der Russischen Föderation. Beide sind enge Vertraute Präsident Putins, die der Präsident bereits aus seiner Tätigkeit in der Stadtverwaltung in Sankt Petersburg kennt.
Wichtigste Geschäftsbereiche und Unternehmensstrategie
Gazprom kontrolliert die Gaswirtschaft der Russischen Föderation weitgehend. Es gibt nur wenige andere Förder- und Handelsgesellschaften im Erdgasbereich. Auf Gazprom entfallen rund 85 % der russischen Erdgasförderung, rund ein Fünftel der weltweiten Förderung. Für den Erdgasexport aus Russland hat Gazprom ein Monopol. Russland – und damit Gazprom – ist mit Abstand weltweit größter Gasexporteur.
Im Jahre 2005 erfolgte eine Vereinbarung zwischen der deutschen Bundesregierung und Gazprom, eine Erdgasleitung durch die Ostsee zu verlegen. Nach der Wahlniederlage von Bundeskanzler Gerhard Schröder nahm dieser ein Angebot von Gazprom zur Mitarbeit im Aufsichtsrat der NEGP an.
Gazprom ist aber nicht nur im Erdgasbereich tätig. Weitere Geschäftsbereiche sind in Russland – abgesehen vom Erdölbereich – insbesondere die Stromwirtschaft, der Medienbereich und das Bankwesen. Kritiker der Unternehmenspolitik fordern von der Gazprom-Führung hingegen eine Konzentration auf die Energiewirtschaft. Sie sehen eine Verzettelung, die das Unternehmen unüberschaubar macht. Gazprom wird in Presseberichten auch immer wieder eine besonders ausgeprägte Anfälligkeit für Korruption vorgeworfen, obwohl die Gazprom-Mitarbeiter im innerrussischen Vergleich als privilegiert gelten.
Erklärtes Ziel der Gazprom-Führung ist, das Unternehmen zum weltweit führenden Energiekonzern auszubauen. In den letzten Jahren hat sie bedeutende Beteiligungen im Ölbereich (Sibneft) und Strombereich erworben. Dabei will sich Gazprom nicht auf Russland und den Export von Energie aus Russland beschränken, sondern über ihre Exportgesellschaft OOO Gazpromexport auch ihre Aktivitäten im Ausland, einschließlich des Vertriebs von Energie an Endverbraucher, verstärken.
Unternehmensbeteiligungen
Gazprom hat 61 100%-ige Tochtergesellschaften und hält bei 45 Firmen die Aktienmehrheit. Beteiligt ist Gazprom an 69 Unternehmen, darunter auch bekannte wie die Horizon Investment Company und eine 50% Minderheitsbeteiligung an der deutschen WINGAS.
Zahlen und Fakten
- Erdgasreserven und -ressourcen: Gazprom verfügt über etwa ein Sechstel aller sicher wirtschaftlich gewinnbaren Gasreserven der Welt. Hinzu kommen umfangreiche potentielle Ressourcen, vor allem in West- und Nordsibirien.
- Erdgasförderung 2004: 545 Mrd. Kubikmeter (m³)
- Leitungsnetz: Das Fernleitungsnetz von Gazprom, mit einer Länge von rund 150.000 Kilometer das weltweit größte, transportiert Erdgas zu 179 Verteilungsstationen. Über ein Weiterverteilungsnetz von 428.000 Kilometer werden Unternehmen und Haushalte in rund 80.000 Städten und Ortschaften in Russland beliefert.
- Umsatz insg.: rund 45 Mrd. Dollar (2005, geschätzt, ohne Sibneft)
- Exportumsatz: rund 25 Mrd. Dollar (2005 geschätzt)
- Reingewinn: 161 Mrd. Rubel oder 4,689 Mrd. € (34,3347 Rubel für 1 €)
- Wertpapierkennnummer (WKN): 903276
Eigentümerstruktur
- Die Gesamtzahl der Aktionäre beträgt rund 460.000 juristische und natürliche Personen.
- Juristische Personen aus der Russischen Föderation besitzen 36,81 Prozent der Aktien
- Juristische Personen aus dem Ausland besitzen 11,5 Prozent der Aktien
- Natürliche Personen aus der Russischen Föderation besitzen 13,32 Prozent der Aktien
- Die Russische Föderation selbst besitzt 38,37 Prozent der Aktien (Stand 2005)
Unter den juristischen Personen aus der Russischen Föderation sind diverse Gazprom-Tochtergesellschaften, an denen der Staat wiederum Anteile hält. Indem der Staat im Juni 2005 von vier Gazprom-Töchtern 10,74 Prozent der Gazprom-Anteile erwarb, sicherte sich der Staat einen Kapitalanteil von knapp über 50 %.
Die Begrenzung des Aktienanteils von Ausländern auf höchstens 20 % wurde Ende 2005 aufgehoben. Nach Einschätzung von Analysten besaßen Ausländer aber schon vor dieser Liberalisierung des Aktienhandels über Strohmänner bereits gut ein Viertel der Gazprom-Aktien.
Unternehmensführung
- Strategisches Leitungsgremium ist der Aufsichtsrat, der von der Generalversammlung der Aktionäre für jeweils ein Jahr gewählt wird. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Dmitri Medwedew, der Erste Stellvertretende Ministerpräsident der Russischen Föderation. Dem Aufsichtsrat gehört als einziger Ausländer auch ein Deutscher an – Dr. Burckhard Bergmann, Vorstandsmitglied der E.ON Aktiengesellschaft, die gut 6 % der Gazprom-Aktien hält.
- Vorstandsvorsitzender von Gazprom ist Alexei Miller; Generaldirektor der Exportgesellschaft Gazpromexport ist Alexander Medwedew
Gaspreispolitik
Im Inland fordert Gazprom Gaspreise, die deutlich niedriger sind als die Preise für Lieferungen ins Ausland. So erklärt sich, dass Gazprom zwar mengenmäßig knapp zwei Drittel seines Gases im Inland absetzt, damit aber nur rund ein Drittel der Umsatzerlöse erzielt. Manche Experten halten die Inlandspreise für einzelne Verbrauchergruppen für nicht kostendeckend. Forderungen von Gazprom nach Preiserhöhungen werden von der Regierung aber regelmäßig nur teilweise genehmigt.
Im Exportgeschäft berechnet Gazprom Pressemeldungen zufolge sehr unterschiedliche Preise (jeweils für 1.000 Norm-Kubikmeter Erdgas; Stand 01.01.2006):
- Weißrussland: 46,78 Dollar
- Ukraine: 50 Dollar (bis 31.12.2005), Anfang 2006 schrittweise Erhöhung auf 160 Dollar vereinbart
- Georgien: 110 Dollar (für 2006) [1]
- Westeuropa: 230 Dollar
Als Begründung für den niedrigen Preis für Gas-Lieferungen an Weißrussland (46,78 US-Dollar) wird von Gazprom angegeben, dass Weißrussland im Gegenzug die Kontrolle über sein Gas-Pipeline-Netz an Gazprom abgegeben und für etwa 50 Jahre an Gazprom verpachtet hat. Der Ukraine war von Gazprom 2005 nach Unternehmensangaben ein vergleichbares Angebot gemacht worden, das sie aber ablehnte.
Für den Bezug von Erdgas aus Turkmenistan bezahlt Gazprom 65 Dollar (für 2006) [2]
Konflikt mit der Ukraine
ausführlicher Artikel siehe: Russisch-ukrainischer Gasstreit
Ende 2005 lief der Vertrag über Gaslieferungen der Gazprom an die Ukraine aus. Verhandlungen über einen neuen Vertrag führten zu keiner Einigung. Gazprom forderte eine drastische Erhöhung des sehr niedrigen Preises (50 Dollar je 1.000 Kubikmeter) auf das Niveau der Lieferungen an westeuropäische Abnehmerländer (230 Dollar). Eine Anhebung des Gaspreises entsprach nicht nur den Gewinninteressen der Gazprom-Gesellschafter, sondern auch Forderungen der Welthandelsorganisation (WTO), die wettbewerbsverzerrende Energiepreissubventionen ablehnt. Die Ukraine war lediglich zu einer schwächeren Erhöhung des Preises bereit. Gazprom stellte die Lieferung an die Ukraine daraufhin am Jahresende 2005 völlig ein.
Im weiteren Verlauf des Streits beschuldigte Gazprom den ukrainischen Gasversorger Naftohas, illegal Pipelines anzuzapfen, die durch die Ukraine führen und Erdgas nach Westeuropa transportieren. Der ungarische Gasversorger MOL stellte laut eigenen Angaben einen Rückgang der Gasmenge um 25 % fest.
Wenige Tage nach Einstellung der Lieferungen an die Ukraine kam es zu einer Einigung. Gazprom nahm die Lieferungen an die Ukraine wieder auf.
Literatur
- Andreas Heinrich: Gazprom – ein verlässlicher Partner für die europäische Energieversorgung?; Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (Hrsg.): Russlandanalysen 97/06, 28.04.2006
- Stefan Scholl: Die Gasölmedienbankkolchose – in: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (Hrsg.): Internationale Politik, Heft 2 2006
- Roland Götz: Nach dem Gaskonflikt, Januar 2006
- Stiftung Wissenschaft und Politik: Dossier Energieversorgung
Weblinks
- Website des Konzerns (russisch und englisch)
- russland.RU-Nachrichtendossier zu Gazprom
- Britta Scholtys, tagesschau.de: Gazprom - der Energiekonzern des Kremls
- Alexander Rahr: Es gibt keinen Anlass, an Moskaus Loyalität zu zweifeln; Tagesspiegel-Interview vom 28.04.2006
- Johannes Voswinkel: Putins willige Handlanger, Die Zeit, 27.04.2006
- Harald Neuber: Gazprom heizt Europa ein - Russland hat die Regeln des Neoliberalismus schnell gelernt. Das merken nun auch die Befürworter des EU-Marktprotektionismus, 26.04.2006Telepolis
- Vanessa de l’Or: Der Kreml gibt Gas, in: Cicero, Februar 2006
- Harald Neuber: Russland sitzt am längeren Hebel, 02.01.2006; Informationen über den Erdgaskonflikt mit der Ukraine Telepolis
- netstudien.de: Gasprom - Russisch Monopoly - Wie entstanden Russlands große Vermögen?, Oktober 2005