Mobilfunkanbieter
Als Mobilfunk-Diskonter oder Mobilfunk-Discounter bezeichnet man im Mobilfunkbereich solche Anbieter, die vergleichsweise günstige Gesprächsminuten ohne Gerätesubventionen anbieten und dabei über kein eigenes Mobilfunknetz verfügen, sondern als virtueller Netzwerk-Betreiber (MVNO - Mobile Virtual Network Operator) auf die Infrastruktur der großen Mobilfunk-Anbieter (MNOs - Mobile Network Operators) zurückgreifen.
Definition
In den Anfangszeiten der Mobilfunk-Resale überwog die technische Definition eines MVNO (z.B. laut einer Ovum-Studie aus dem Jahre 2000): ein Unternehmen, das über eigene GSM-Infrastruktur wie etwa ein Mobile Switching Center (MSC) und ggf. auch ein Core Network verfügt, d.h. über alle Infrastruktureinrichtungen eines Mobilnetzbetreibers oder Mobile Network Operator (MNO) mit Ausnahme des Radionetzes (der so genannten Luftschnittstelle. Nach dieser Definition gäbe es allerdings weltweit nur wenige MVNO.
Als Alternative zum Aufbau eines echten MVNO gilt die Nutzung der Dienste eines MVNE (Mobile Virtual Network Enabler), der tatsächlich (zumindest teilweise) in Infrastruktur investiert und diese dritten Unternehmen zur Nutzung anbietet, ohne dass diese selbst investieren müssten.
Mittlerweile hat sich eine Definition nach dem Marktangang durchgesetzt, nach der es zwei Typen MVNO gibt. Der Lifestyle-Anbieter, der sich auf bestimmte Ziel- und Kundengruppen konzentriert (z.B. Viva), und der Discount-Anbieter, der möglichst günstige Tarife bei wenig Aufwand anbietet (z.B. Aldi). In Deutschland haben sich besonders die Discount-Anbieter durchgesetzt.
Die Investition in den Aufbau eines eigenen Home Location Register (HLR), welche mehr Flexibilität hinsichtlich der Auswahl von Gastnetzen und Roamingpartnern brächte, wurde von den meisten im Markt präsenten Anbietern vermieden, weshalb die MVNO-Definition mittlerweile auch auf Mobilfunk-Service-Provider ausgedehnt wurde. Diese Reseller entsprachen jedoch noch nicht der Definition eines Discounters, da klassisches Laufzeitvertrags-Geschäft mit Gerätesubventionen und diversen besonderen Service-Leistungen (Added Value) betrieben wurde. Bekannte Non-Discount-MVNO in Deutschland sind Mobilcom, Debitel, Drillisch und VictorVox oder das nicht mehr am Markt agierende Quam.
Geschichte
Erster MVNO war 1999 der britische Anbieter Virgin Mobile, der heute auch in Kanada, Australien und den USA aktiv ist, und über 5 Millionen Kunden hat. Der große Erfolg dieses Anbieters ließ zahlreiche weitere Unternehmen folgen. Weltweit gibt es im Jahr 2006 etwa 200 MVNO. In Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Finnland, Australien, den USA und den Niederlanden gibt es bereits zahlreiche MVNO. In Österreich und Frankreich begannen im Jahr 2005 die ersten Anbieter mit einem Angebot.
Bekanntester deutscher MVNO war ab Ende 2001 bis Ende 2002 Quam, die bis zur Errichtung eines eigenen Netzes auf das Netz von E-Plus zugreifen wollten.
Durch eine Kooperationen von O2 mit Tchibo erfuhr der Markt 2004 in Deutschland einen ungeahnten Aufschwung, der mit Aldi im Jahr 2005 einen erfolgreichen Nachahmer fand. Nach dem Vertriebsstart vieler Mobilfunk-Discounter Ende 2005 überwiegen unter den MVNO die Discounter zwar zahlenmäßig als Anbieter, wenngleich Anfang 2006 auf Grundlage der Pressemitteilungen der Anbieter anzunehmen ist, dass hinsichtlich der Kundenzahlen die klassischen Non-Discount-Anbieter führen. Bei den Mobilfunk-Discountern handelt es sich meist um schlanke Startups (oft Tochtergesellschaften bekannter Firmen), deren Kernkompetenz außerhalb des Mobilfunkbranche liegt, die also vornehmlich marktseitig agieren (mit eigenen Tarif-Strukturen) und dabei ihre technische Komplexität auf ein Minimum reduzieren wollen und müssen.
Mit dem Dortmunder Unternehmen Vistream (einer Tochter des Mobilfunk-Serviceanbieters MATERNA) betrat im Jahr 2005 erstmals ein MVNE den Markt, der selbst in Netzwerk-Infrastruktur und die Anbindung an einen deutschen MNO investiert und deren Nutzung dritten Unternehmen anbietet.
Discounter (Tarifstruktur nach No-Frills-Konzept)
Im Unterschied zu den klassischen Mobilfunkanbietern erfolgt der Vertrieb nicht über spezialisierte Ladengeschäfte oder Elektronikmärkte, sondern über Lebensmittelläden oder völlig ohne Laden, per Internet und Telefon. Das Gebührenschema ist bewusst einfach gehalten, die Unternehmen setzen auf Rund-um-die-Uhr-ein-Preis-Tarife. Es gibt nur einen einheitlichen, niedrigen Minutenpreis zu jeder Uhrzeit. Allerdings sind die vom Verbraucher seltener genutzte und verglichenen Leistungen wie Roaming, 0190/0900-Service-Nummern und Datendienst erheblich teuerer als bei anderen Tarifen; teilweise ist auch die Taktung ungünstiger.
Eine Grundgebühr, einen Mindestumsatz oder eine Mindestvertragslaufzeit werden nicht verlangt. Dafür gibt es bei einigen Anbietern Geringnutzungsgebühren oder Sonderkündigungsrechte bei zu wenig Umsatz. Darüber hinaus werden keine Subventionen für den Kauf eines neuen Mobiltelefons verrechnet, weshalb der Kunde ein SIM-lockfreies Mobiltelefon benötigt. Einige Anbieter sind zu diesem Zweck bereits Kooperationen mit Elektronik-Märkten oder Versandhandel eingegangen und bieten passende SIM-Lock-freie Mobiltelefone dazu an. Bei den Discounter des E-Plus-Netzes ist die Mailbox nicht deaktivierbar, was zur Folge haben kann, dass beim Anrufer Kosten entstehen und dem Mobilfunkbetreiber Einnahmen verschafft. Bei den Discountern im D1 -und o2-Netz ist die Mailbox zwar voreingestellt, kann jedoch vom Kunden deaktiviert werden.
Bei PostPaid-Angeboten erfolgt die Rechnungslegung lediglich elektronisch kostenfrei. Die postalische Zusendung einer gedruckten Rechnung wird optional lediglich gegen Aufpreis angeboten.
Anbieter
Seit 2004 drängen immer mehr Mobilfunk-Discounter auf den deutschen Markt. Meist sind sie von großen Mobilfunkunternehmen gegründete Tochterunternehmen (z.B. klarmobil), die deren Mobilfunknetze mitbenutzen oder OEM/Branding-Produkte (z.B. ALDI-TALK), die den Namen und/oder die Vertriebskanäle von bereits etablierten Marken nutzen, um deren Kundenstamm gezielt anzusprechen.
Tochterunternehmen der Mobilfunknetzbetreiber und -provider
- simyo
- startete sein No-Frills-Angebot Ende Mai 2005 und ist 90-prozentige Tochter von E-Plus.
- debitel-light
- ist das PrePaid-No-Frills-Angebot des Mobilfunk-Serviceproviders debitel und nutzt das E-Plus-Netz.
- klarmobil.de
- simply
- startete im Frühjahr 2005 und wurde am 24. Oktober 2005 vom Mobilfunk-Serviceprovider Drillisch in ein Tochterunternehmen ausgegründet. simply nutzt das Netz von T-Mobile. (Vodafone nur für Bestandskunden vor 09/2005). Zahlungsarten sind sowohl PrePaid als auch PostPaid.
- EasyMobile
- startete als Kooperation des dänischen Telekommunikationskonzerns TDC und der dänischen TIH Invest im November 2005 und nutzt dabei das Netz von T-Mobile. Damit ist Easymobile ein Schwesterunternehmen von Talkline, die auch zu TDC gehören. In Großbritannien und Holland ist EasyMobile bereits seit Frühjahr 2005 aktiv und nutzt auch dort das Corporate Design der easyGroup.
- Ay Yıldız (Ay Yildiz: deutsch: Stern und Halbmond)
- startete E-Plus im Oktober 2005 eine No-Frills-Marke mit spezieller Ausrichtung auf türkischsprachige Kunden.
- Xtra Click&Go
- das PrePaid-Angebot ohne Gerätesubvention direkt von T-Mobile.
- CallYa Compact
- heißt das entsprechende Angebot von Vodafone. Bemerkenswert ist, dass Vodafone - abgesehen von Debitel - mit keinem anderen MVNO - Mobilen Virtuellen Network Operatoren zusammenarbeitet.
Branding
- Tchibo Mobil
- blau.de
- startete am 16. September 2005 als erster unabhängiger Anbieter als Gründung der ehemaligen handy.de-Betreiber Martin Ostermayer, Thorsten Rehling und Dirk Freise in Zusammenarbeit mit E-Plus.
- ALDI-TALK
- wurde im Dezember 2005 in Zusammenarbeit mit Medion vertrieben und nutzt das Netz von E-Plus. Am 21. Dezember 2005 wurde der Vertrieb der SIM-Karten mit sofortiger Wirkung unterbrochen und wurde am 2. Februar 2006 wieder aufgenommen.
- Schwarzfunk
- ist das PrePaid-Angebot von SMS-Community-Anbieter uboot.com, basierend auf dem Netz von E-Plus.
- Jamba!Sim
- vom Klingelton-Anbieter Jamba, welches ebenfalls das Netz von E-Plus nutzt.
- Viva
- damit bietet der TV-Sender VIVA ein auf E-Plus aufbauendes Tarifmodell mit Ausrichtung auf starker SMS-Nutzung.
Hintergrund
Der Mobilfunk-Bereich ist ein ständig wachsender und auch lukrativer Markt. Da es aber nur wenige Unternehmen gibt, die über eigene Netze verfügen, wird nach neuen Geschäftsmodellen gesucht, die auch andere Unternehmen am Markt partizipieren lassen. In Anbetracht der bereits Ende 2004 erreichten hohen Marktsättigung sind Zuwachsraten hauptsächlich durch Verdrängungswettbewerb zu erzielen. Über günstigere Tarifmodelle würden jedoch die Umsätze im bestehenden Kundenstamm gefährdet, was die Etablierung der No-Frills-Marken als 100%-Töchter der bestehenden Operatoren erklärt.
Ein weiteres Zuwachspotential ergibt sich in der Erschließung von bislang nicht zugänglichen Kundenkreisen. Mit komplett eingekauften Resale-Produkten, können A-Brands ihre bestehenden Kundenbeziehungen nutzen, um bislang nicht mobil telefonierende Kunden anzusprechen. Vergleichbar mit Call-by-Call-Telefonieanbietern und Internet-Zugangsprovidern existieren inzwischen vorgefertigte Konzepte, die den technischen Aufwand für die Bereitstellung einer neuen Mobilfunkmarke auf ein Minimum reduzieren. Der zu überwindende Markteintrittswiderstand besteht also in der Positionierung am Markt und dem Vertrieb des Produktes und nicht mehr in der technischen Abwicklung (Netzbetrieb, Logistik, Abrechnung), da dieser vom eigentlich Network-Operator (oder einem zwischengeschalteten Mobilfunk-Provider) als Vorleistung im Namen des Anbieters erbracht wird.
Die Discount-Anbieter treten mit ihren Tarifen als Zwischenhändler auf, kaufen bei den Netzinhabern Gesprächsminuten ein und geben sie anschließend an ihre eigenen Kunden weiter – natürlich mit einem kleinen Preisaufschlag. Mobilfunk-Discounter sind also nichts anderes als Zwischenhändler. Sie werden deshalb auch als Mobile Virtual Network Operators (MVNO) bezeichnet, also virtuelle Mobilfunknetzbetreiber.
Analysten sagen dem Segment der Mobilfunk-Discounter große Wachstums-Chancen voraus. In Ländern wie Dänemark und Schweden telefonieren 2005 bereits bis zu 20 Prozent der Handy-Besitzer zu Discount-Konditionen.