PorNO-Kampagne
PorNO ist ein Kofferwort aus Porno(-grafie) und NO (englisch: nein). Es steht für eine von der Feministin Alice Schwarzer ins Leben gerufene Initiative Pornografie in Deutschland zu verbieten.
Inhalte der Kampagne
Die politische PorNO-Kampagne wurde im Jahr 1987 initiiert. Sie wendet sich gegen pornografische Darstellungen, in denen Frauen als passives Objekt männlicher sexueller Begierden statt als aktives Subjekt dargestellt werden. Pornografische Darstellungen seien eine Form von medialer Gewalt, die die Würde der Frau verletzen. Zudem können pornografische Darstellungen die Hemmschwelle für reale Gewalttätigkeit gegen Frauen heruntersetzen, so das Argument.
Die Kampagne wurde durch die Herausgabe eines Buches mit gleichem Titel lanciert. Autorin ist Alice Schwarzer, die Frauenrechtlerin und Herausgeberin der EMMA . Die us-amerikanische Autorin des Buches „PorNOgraphy-Men possessing women“ (1979) Andrea Dworkin unterstützte Schwarzers Kampagne.
Das Thema der Medialen Gewalt wurde in Deutschland bereits neun Jahre zuvor diskutiert. 1978 wurde die Zeitschrift Stern wegen entwürdigender Frauendarstellung angeklagt nachdem ein Titelbild Grace Jones in Ketten dargestellt hatte. Die Klage verfasste auch diesmal Alice Schwarzer, zusammen mit Inge Meysel und weiteren prominenten Frauen. Die Anklägerinnen argumentierten, die Pornografie schaffe "ein Frauenbild, das Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradiert". Pornografie bedrohe dadurch "die elementaren Menschenrechte von Frauen: das Recht auf Würde oder Freiheit, auf körperliche Unversehrtheit oder Leben". Die Klage scheiterte vor Gericht.
In Schwarzers Gesetzesentwurf zur Pornografie heisst es:
"Die Definition geht davon aus, daß der zentrale Sinn der Pornographie die Propagierung und Realisierung von Frauenerniedrigung und Frauenverachtung ist."
sowie:
"Pornographisch sind diejenigen Darstellungen zur sexuellen Anregung, die Frauen erniedrigen, sie in einer Ohnmachtsposition gegenüber Männer zeigen und zum Frauenhass oder gar Mord aufstacheln."[1]
1987 forderte EMMA im Rahmen der PorNO Kampagne erneut ein Anti-Porno-Gesetz, das hierdurch ausgelöste Hearing in Bonn blieb ebenfalls folgenlos.
Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund
Die Entstehungsgeschichte der Kampagne läßt sich bis zumindest bis in die 1970er zurückverfolgen. Sie entstand im Umfeld einer bis heute andauernde Auseinandersetzung die im angelsächsisichem Raum unter der Bezeichnung Feminist Sex Wars bekannt ist. Dort wurde die Auseinandersetzung um die Legitimität pornografischer Materialien gerade innerhalb femministischer Gruppen erstmals sehr kontrovers ausgetragen. Insbesondere die anti-pornografische Feministinengruppe "Women Against Violence in Pornography and the Media" (WAVPM) einerseits, und die lesbisch-sadomasochistische Gruppe Samois mit ihren Nachfolgegruppen andereseits, führten einen sehr intensiven Diskurs, der in den Argumenten beider Seiten die Diskussion um die PorNo-Kampagne in allen entscheidenden Aspekten vorwegnimmt.
Generell wird die, ideengeschichtlich aus den 1960ern Jahren stammende, Vorstellung, daß der Hauptzweck jeder Pornographie nicht die sexuelle Erregung des Betrachter, sondern die Unterdrückung der Frau sei, von Kritikern der Kampagne, unter anderem unter Hinweis auf homosexuelle Pornographie im Allgmeinen und lesbische BDSM-Pornographie im Besonderen in Frage gestellt.
Deutsche Kritiker stellen fest, dass Alice Schwarzer und die Publikation EMMA seit 1978 eine erhebliche Ressourcen in die PorNO-Kampagne investiert haben. Dieser Einsatz von Kapital, Zeit und inbesondere Ansehen macht deutlich, das die Kampagne zu einem zentralen Anliegen der Initiatoren geworden ist. Selbst wenn sie es wollten, wäre es aus dieser Sicht sowohl für Alice Schwarzer als auch für EMMA schwierig, sich von den entwickelten theoretischen Positionen ohne einen Gesichtsverlust zurückzuziehen oder zuzugeben, dass diese auf völlig falschen Voraussetzungen beruhen. Die Verbindung von Pornographie und Gewalt ist heute ein zentrales Element in dem Gedankengebäude Schwarzers und eine der wichtigsten externen Botschaften EMMAs geworden.
Pornographie und Gewalt
Schwarzers Position, das Pornographie Frauen generell erniedrige, wird von einigen Feministinen wie z.B. Andrea Dworkin und Catharine MacKinnon geteilt. Diese vertreten die Auffassung, dass die meiste Pornographie die Unterwerfung und Erniedrigung von Frauen fördere und damit letztendlich sexuelle und kulturelle Rahmenbedingungen schafft, die die Ursache von Vergewaltigungen und sexuellem Mißbrauch sind, indem sie Frauen zu beliebig verfügbaren Objekten einer männerdominierten Gesellschaft macht. Andere Feministinen unterscheiden zwischen Pornographischen Werken und Erotika welchen sie die negativen Aspekte der Pornographie nicht zuschreiben.
Auf der anderen Seite lehnen viele Feministinen der Dritten Welle und postmoderne Feministinen
diese Kritik gegenüber der Pornographie ab und vertreten die These, dass die Mitwirkung an der Produktion oder der Konsum von Pornographie durch Frauen eine bewußte individuelle Entscheidung der einzelnen Frau ist und gerade nicht durch eine Sozialisation in einem kapitalistischen Patriachat hervorgerufen wird.
Es wurde lange angenommen, das eine Korrelation zwischen Pornographie einerseits und dem Anstieg sexueller Verbrechen andereseits bestehe. Die Auffasung läßt sich durch konkrete Studien nur schwer untermauern. Beispielsweise weist Japan, ein Land das für seine umfangreiche Vergewaltigungs-, BDSM- und Bondage-Pornographie bekannt ist die niedriegste Verbrechensrate im Bereich sexueller Gewaltdelikte aller Industrienationen auf.[2] Obwohl Menge und Verfügbarkeit sadomasochistischer Pornographie im Zeitraum zwischen 1964 bis 1984 in Deutschland, Schweden, Dänemark und den USA drastisch zunahm, fand eine andere Untersuchung als Längsschnittstudie 1991 ebenfalls keinen Zusammenhang mit der jeweiligen Vergewaltigungsrate. Die Vergewaltigungsrate in den europäischen Ländern blieb konstant.[3] Die gleiche Studie stellt fest, dass trotz der Legalisierung von Pornographie in Deutschland 1973 die Zahlen für Vergewaltigungen durch Fremde und Gruppenvergewaltigung im Zeitraum zwischen 1971 bis 1987 konstant abnahmen. Diesem entsprechen auch die Ergebnisse der Studie für für Dänemark und Schweden, sie stellt hierzu fest:
"Insgesamt gab es keine Steigerung der tatsächlichen Anzahl der in Westdeutschland verübten Vergewaltigungen in den Jahren in denen Pornographie legalisiert und weit verfügbar wurde."[4]
Diese Tatsachen lassen einige Wissenschaftler darüber spekulieren, ob nicht sogar eine umgekehrte Korrelation der Wahrheiit wesentlich näher kommen könne, das also die weite Verbreitung von pornographischen Material potentiellen Straftätern eine allgemein sozial akzeptierte Möglichkeit anbieten könne ihre eigene Sexualität zu steuern.
Schwarzer äußerte sich 1988 zu dem Grundgedanken ihrer Forderung :
Es geht bei der Pornographie ganz zentral um die Schaffung eines entwürdigenden Frauenbilds. Natürlich gibt es auch betroffene Männer, zum Beispiel in der Homosexuellen-Pornographie, wo die schwächeren Männer sozusagen zu Frauen degradiert werden.
Das auch der Mann zum Lustobjekt der Frau wird, wird aus dieser Sicht negiert. Gerade schwule Pornografie, aber auch solche mit lesbischen BDSM-Hintergrund, wirft die Frage auf, wer in ihr einem Machtmissbrauch ausgesetzt ist. Spätestens dieser Bereich stellt die Assoziation von Pornografie mit Begriffen wie Hass und Aufstachelung zum Mord in Frage.
Die enorme Bandbreite pornografischer Angebote, sowohl innerhalb heterosexuell orientierer, als auch homo- oder bisexueller Pornografie wird in der Kampagne generell als unrelevant angesehen, bzw. nicht theoretisch beantwortet. Eine Einordnung nicht-heterosexueller Inhalte erfolgt nicht. Der Wahrheitsgehalt der These, dass Pornografie generell patriarchale Machtstrukturen darstelle und installiere, wird daher als eher unwahrscheinlich angesehen und an ihrer Stelle eine differenziertere Analyse und Kritik pornografischer Darstellungsstrategien von ausgelebter Sexualität gefordert. Die us-amerikanische Vertreterin der Queer Theory Gayle Rubin konstatiert daher, dass die feministische Kritik an Pornografie traditionelle normative Vorstellungen von Sexualität reproduziert, nach denen – gleich einem Dominoeffekt – jegliche Toleranz gegenüber mehr oder weniger von der Norm abweichenden Sexualitätsformen zu katastrophalen gesellschaftlichen Wirkungen führe.
Das Thema der PorNO-Kampagne wird regelmässig wieder in der Öffentlichkeit diskutiert, angeführt von ihrer Initiatorin. Alice Schwarzer kritisiert insbesondere die Vermischung von Sexualität mit Gewalt, da sie "die Frauen und die Sexualität kaputt" mache. Sie lehnt daher sadomasochistische Praktiken generell ab und bestreitet deren Legitimität. Ihre bekannteste Aussage in diesem Zusammenhang wurde erstmals in EMMA Heft 2, 1991 veröffentlicht:
" Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!"
Einige Kritiker stellen dazu fest, das die Verwendung dieses Begriffes eine nicht gegebene kriegsähnliche Situation zwischen den Geschlechtern impliziert und die Aussage die Lebenswirklichkeit und Bedürfnisslage submisiver Frauen generell diskriminiere. Die Existenz weiblich-dominanter Sadomasochisten wird durch die Thesen Schwarzers genauso wenig aufgegriffen und anerkannt wie der auch bei der Herstellung sadomasochistischer Materialien essentielle Grundsatz des Safe, Sane, Consensual.
Eine Umsetzung des Gesetzes käme einer pauschalen Kriminalisierung von Sadomasochisten nahe, da bei so gut wie jedem Sadomasochisten Medien zu finden sind, die diesen Kriterien entsprechen.
Zitate
- "Terror strahlt aus vom Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck" aus: Andrea Dworkin, Pornographie. Männer beherrschen Frauen. Mit einem Vorwort von Alice Schwarzer. Frankfurt a.M., Fischer Taschenbuch, 1990
- "Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!", aus Alice Schwarzer: EMMA Heft 2, 1991
Siehe auch
Literatur
- PorNO Reihe: EMMA-Sonderband, Alice Schwarzer (Hrsg.), 1988,EMMA Frauenverlags GmbH, Köln
- Weiblicher Masochismus ist Kollaboration!, Alice Schwarzer, 1991, erschienen in: EMMA, Bd. 2, 1991,
- PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz. Alice Schwarzer(Hrsg.), 1994, EMMA Frauenverlags GmbH, Köln
- Coming to Power: Writings and Graphics on Lesbian S/M. Samois, 1983. Alyson Pubns, Boston. ISBN 0932870287
- Defending Pornography: Free Speech, Sex, and the Fight for Women's Rights. Nadine Strossen, 2000, New York University Press. ISBN 0814781497
- Gayle Rubin: Misguided, Dangerous and Wrong: an Analysis of Anti-Pornography Politics. in: Bad Girls and Dirty Pictures: The Challenge to Reclaim Feminism. Assiter Alison und Carol Avedon (Hrsg.), Boulder, Colorado, Pluto, 1993. 18-40. ISBN 0745305237
- A Woman's Right to Pornography. Wendy McElroy, 1995, St. Martin's Press, New York. ISBN 0312136269
- Feminism, Moralism, and Pornography. Ellen Willis, 1983. In: Ann Snitow, Christine Stansell, and Sharon Thompson (Hrsg.), Powers of Desire: The Politics of Sexuality, S. 460–467. New York (Monthly Review Press). ISBN 0853456097
- Corinna Rückert: Frauenpornographie – Pornographie von Frauen für Frauen. Eine kulturwissenschaftliche Studie (Dissertation). Peter Lang (Europäischer Verlag der Wissenschaften). Frankfurt am Main, 2002. ISBN 3-6313-6630-2.
- Corinna Rückert: Die neue Lust der Frauen. Vom entspannten Umgang mit der Pornographie. Rowohlt. Hamburg, 2004. ISBN 3-499-61686-6.
- Henner Ertel: Erotika und Pornographie. Repräsentative Befragung und psychologische Langzeitstudie zu Konsum und Wirkung. München, 1990. ISBN 3-621-27107-4.
- Bettina Bremme: Sexualität im Zerrspiegel. Die Debatte um Pornographie. Münster, 1990.
Quellen
- ↑ PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz. Schwarzer, Alice (Hrsg.), 1994, EMMA Frauenverlags GmbH, Köln) Das Titelbild des Bandes wurde durche eine Zeichnung von John Willie illustriert.
- ↑ Vgl. hierzu Milton Diamond und Ayako Uchiyama in "Pornography, Rape and Sex Crimes in Japan" (International Journal of Law and Psychiatry 22(1): 1-22. 1999)online unter "Pornography, Rape and Sex Crimes in Japan":
Our findings regarding sex crimes, murder and assault are in keeping with what is also known about general crime rates in Japan regarding burglary, theft and such. Japan has the lowest number of reported rape cases and the highest percentage of arrests and convictions in reported cases of any developed nation. Indeed, Japan is known as one of the safest developed countries for women in the world (Clifford, 1980). (...)...: Despite the absence of evidence, the myth persists that an abundance of sexually explicit material invariably leads to an abundance of sexual activity and eventually rape (e.g., Liebert, Neale, & Davison, 1973). Indeed, the data we report and review suggest the opposite. Christensen (1990) argues that to prove that available pornography leads to sex crimes one must at least find a positive temporal correlation between the two. The absence of any positive correlation in our findings, and from results elsewhere, between an increase in available pornography and the incidence of rape or other sex crime, is prima facie evidence that no link exists. But objectivity requires that an additional question be asked: "Does pornography use and availability prevent or reduce sex crime?" Both questions lead to hypotheses that have, over prolonged periods, been tested in Denmark, Sweden, West Germany and now in Japan. Indeed, it appears from our data from Japan, as it was evident to Kutchinsky (1994), from research in Europe, that a large increase in available sexually explicit materials, over many years, has not been correlated with an increase in rape or other sexual crimes. Instead, in Japan a marked decrease in sexual crimes has occurred.
- ↑ Berl Kutchinsky, Pornography and Rape: Theory and Practice?in: International Journal of Law and Psychiatry, Bd.14, 1991, S. 47-66
- ↑ ebd."Overall there was no increase in the actual number of rapes committed in West Germany during the years when pornography was legalized and became widely available."
Weblinks
- Andrea's Dworkin Buch Pornography: Men Possessing Women (englisch) Der feministische Klassiker zum Thema Pornographie.
- Alice Schwarzer zu "Pornografie und Frauenhass"
- Abriss über die PorNO-Kampagne der EMMA
- FEMINISTS AGAINST CENSORSHIP</ref>