Troposphären-Nachrichtensystem Bars


BARS – russisch БАРС = Schneeleopard (Klarname = бронированная автономнав радио(связная) система) – steht für gehärtetes autonomes Fernmeldesystem und war ein strategisches Troposcatterfunksystem, über dessen Fernmeldekanäle unter den Bedingungen eines Atomkrieges die militärische Führung aufrechterhalten werde sollte. Das System wurde analog dem NATO-System ACE High in den 1980er Jahren errichtet und war eine Teilkomponente des Einheitlichen Nachrichtensystems (ENS) des Warschauer Pakts.
Abschaltung und Auflösung
Die Abschaltung der deutschen Anteile des Systems erfolgte per einstweilige Verfügung der Staatlichen Frequenzkommission der DDR (SFK) im März 1990. Die nachträgliche Prüfung der Frequenzverfügbarkeit durch die NARFA GE im Jahre 1991 ergab, dass die BARS Funkstellen[1] (BARS FuSt) zwar dem Festen Funkdienst[2] zugeordnet waren, jedoch Frequenzzuteilungen nutzten, die gemäß Frequenzbereichszuweisungsplan für die Bundesrepublik Deutschland … und VO Funk andern Funkdiensten (ausgenommen Fester Funkdienst) exklusiv vorbehalten waren.[3] Dies hatte rein rechtlich zur Folge, das BARS gegenüber allen anderen Nutzern keine elektromagnetische Störungen verursachen durfte, jedoch selbst keinerlei Schutz vor solchen Störungen beanspruchen konnte, was technisch nicht realisierbar war und operationell nicht akzeptabel gewesen wäre. Möglichkeiten zur Änderung der Rechtsgrundlagen waren nicht gegeben. Folglich wurde im Rahmen der unabhängigen Prüfung durch den Frequenzharmonisierungsausschuss BMPT / BMVg mit Beteiligung der WGT die Empfehlung zur alternativlosen Abschaltung ausgesprochen und letztlich durch den BMVg, in der Eigenschaft des zuständigen Hoheitsträgers für militärische Frequenzangelegenheiten, förmlich entschieden. Die östlichen Nachbarländer folgten dem Beispiel der Bundeswehr.
Struktur
Das System umfasste, ausgenommen Rumänien, alle WP-Teilnehmerländer und sah für jedes Land eine bestimmt Anzahl von festen, in der Regel verbunkerten, Troposphärenfunkstellen vor. Seine Ausdehnung erfolgte aus den westlichen Gebieten der UdSSR über vier Achsen; jeweils zwei in westlicher und südwestlicher Richtung. Diese Richtungen entsprachen den möglichen Hauptoperations-Richtungen in einem militärischen Konflikt auf mitteleuropäischem Kriegsschauplatz.
Seine Errichtung war eine Antwort auf den NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979, der für den Fall des Scheiterns von Verhandlungen über die Reduzierung der Trägerwaffen die Stationierung neuer Marschflugkörper mit atomaren Sprengköpfen in den Ländern der NATO vorsah. Aufgrund der spezifischen Abstrahlungs- und Ausbreitungsbedingungen der elektromagnetischen Energie des Systems (Troposcatter) war die Wahrscheinlichkeit zur Aufrechterhaltung der Führung auf strategischer Führungsebene nach dem Einsatz von Atomwaffen beabsichtigt.
Außer den hier eingesetzten "festen Funkstellen" gab es auf sowjetischer Seite taktisch bewegbare Troposcatter-Richtfunkstellen (auf LKW) unter der Bezeichnung "R-420, Atlet-Dalni" (Originalbezeichnung: P-420, Атлет-Дальний), die seit ca. 1975 produziert wurden.
Die "festen Funkstellen" verfügten über jeweils zwei Diversity-Richtantennen "Atlet-AS16" mit einem Durchmesser von 16 m und einem Antennengewinn von 35 dB. Trotz Ihrer Größe konnten die Antennen bis zu einer Windgeschwindigkeit von 110 km/h betrieben werden. Der Sender hatte eine Ausgangsleistung von bis zu 5 kW Sinusleistung. Die maximale Reichweite betrug bis zu 400 km zwischen zwei Festpunten.[4]
Die Nutzung von Funkfrequenzen für dieses System war gemäß VO Funk kaum - und zunehmend nur unter Schwierigkeiten möglich, weshalb der Betrieb in Friedenszeiten schon Ender der 1980er Jahre der Koordination einer sogenannten Staatlichen Frequenzkommission (SFK) unter Beteiligung MfNV, BMPT, MDI, MFS und WGT bedurfte.
Einsatz im Kalten Krieg
Neben der verbalisierten Sprache sind es vorrangig technische Nachrichtenmittel (Fernmeldemittel), die das Führen von Führungsstellen überhaupt erst ermöglichen. Zu den Nachrichtenmittel zählen drahtgebundene, Richtfunk-, Funk-, Satelliten- oder auch die Kurier- und Feldpostmittel. Im Krieg werden diese bei Beachtung der Führungsebene alle gleichzeitig zwischen zwei Führungsstellen organisiert. Jedes einzelne Mittel stellt im Falle des Ausfalls eine Alternative für die verbleibenden Mittel dar. In ihrer Gesamtheit bestimmen sie Standhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Führung. Das Nachrichtenmittel Troposphärenfunk weist infolge seiner geschützten Unterbringung und der Besonderheiten der Abstrahlung elektromagnetischer Energie eine vergleichsweise geringe Störanfälligkeit in einem Atomkrieg auf. Daraus resultiert der Einsatz auf höchster Führungsebene. Das bedeutet keinesfalls, ein Atomkrieg sei sicher über dieses Nachrichtenmittel führbar, denn alle Nachrichten einer Troposphären-Funkrichtung wurden über herkömmliche Nachrichtenmittel zu den teilweise weit entfernt liegenden Führungsstellen weiter geschaltet. Und die Anfälligkeit der dort verwendeten (herkömmlichen) Nachrichtenmittel gegenüber einem Atomschlag ist aber gegeben. Das heißt wenn jene zerstört sind, gibt es keine Führung.
Aufgrund der vorgeschalteten Verschlüsselung blieben den Besatzungen der BARS FuSt der Nachrichteninhalt unbekannt.
Errichtung des Systems

Die Errichtung des strategischen Troposphären-Nachrichtensystems wurde im September 1980 von Militärexperten in Moskau beraten, beschlossen und den Regierungen zur Ratifizierung vorgelegt. Trotz größter ökonomischer und finanzieller Schwierigkeiten in den Ländern wurde das System außerhalb der Planinvestitionen im Zeitraum von 1982 bis 1987 realisiert, wenn auch in einigen Ländern mit Einschränkungen. So wurden z. B. in der VR Polen nicht alle BARS FuSt in unterirdischen Schutzbauten (Bunkern) errichtet. Das System war stationär ausgelegt und ermöglichte auf den Achsen und Rochaden eine hohe Manövrierfähigkeit mit Nachrichtenkanälen. Für den Fall von Kampfhandlungen in der West- und Südwestrichtung waren in den Stellen- und Ausrüstungsplänen (STAN) die mobile Variante des Gerätesystems aufgenommen. In der DDR erfolgte die Einführung der mobilen Variante noch im Februar 1990.
Das System ging am 1. Dezember 1987 offiziell in Betrieb und wurde bis zum 7. Mai 1990 nach Programmzeiten gefahren, bevor es in die operative Nutzung (Dauerbetrieb) ging. Am 14. August 1990 erfolgte die Abschaltung des Systems, die Außerbetriebnahme aller Verbindungen.
Die DDR war mit drei BARS FuSt beteiligt, die in geschützten Bauwerken (Bunkern) installiert waren:
- BARS FuSt 301 - Wollenberg bei Bad Freienwalde (Oder) in Brandenburg,
- BARS FuSt 302 - Langsdorf bei Bad Sülze (Vorbereitung der Richtung Danzig) in Mecklenburg-Vorpommern,
- BARS FuSt 303 - Röhrsdorf bei Königsbrück in Sachsen.
Jedes der Schutzbauwerke war projektiert, gebaut und vorbereitet für die Aufnahme von vier Troposphärenfunkgerätesätzen der neuesten Generation. Je Gerätesatz war ein Funkturm vorhanden, so das vier Himmelsrichtungen abgedeckt waren und Funkverbindungen ermöglichte. Je Richtung war die Übertragung von 60 bis 120 Standart-Fernsprechkanälen (1 bis 2 V60 Sekundät-TF-Gruppen) möglich. Die Standorte der Festen FuSt waren nach taktischen Gesichtspunkten ausgewählt und berücksichtigten die Eingliederung der NVA in den Bestand der Koalitionsstreitkräfte. So sicherte die BARS FuSt 301 unter anderem die Troposphärenfunkverbindungen zur Hauptnachrichtenzentrale des MfNV und der Hauptführungsstelle des MfNV in Harnekop. Auf nationaler Ebene gingen die BARS FuSt als die Stütznachrichtenzentralen 301 – 303 in das komplexe Nachrichtensystem der NVA ein. Mit diesen Bezeichnungen wurde zugleich ihre Existenz als BARS FuSt verschleiert.

Aufgrund ihres Schutzgrades wurden die Bunker der Troposphärenfunkzentralen in der DDR in das so genannte Not- und Havariefernsprechnetz der NVA integriert. Das Netz war Bestandteil des Führungssystems und ging ein in das gedeckt vorbereitete Nachrichtensystem der NVA für den Kriegsfall. Nur allein dieser Aufgabe dienten die in den Bunkern installierten Fernvermittlungschränke FVS 4.
- (Anmerkung: Das Substantiv Nachricht in verschiedene Wortbildungen ging - ähnlich wie in der Deutschen Wehrmacht bis 1945 - in der NVA auf die Grundbedeutung Fernmelde / Informationsübertragung / Kommunikation zurück. Das militärische Nachrichtenwese der NVA hingegen wurde unter dem Begriff Aufklärung abgebildet.
Siehe auch
Literatur
- Joachim Kampe: Das Troposphären-Nachrichtensystem "BARS" und die Bunkeranlage Wollenberg, ISBN 978-3-932566-90-5
- Hans-Werner Deim u.a.: Die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg. ISBN 978-3-932566-80-6
- Götz Thomas Wenzel: Geheimobjekt Atombunker. ISBN 978-3-86153-388-7
Weblinks
- Deckname TUSHURKA im strategischen Troposphären- Nachrichtensystem
- Website des Bunkers 302 (Eichenthal, ebenfalls militär-historisches Baudenkmal)
- Bunkeranlagen des Kalten Krieges - Videodokumentation
- Dokumentation der Redaktion Spiegel Online Nov. 2008
- Rezension zum Buch Geheimobjekt Atombunker
- Das gedeckt vorbereitete Nachrichtensystem als Bestandteil des Führungssystems der NVA
- Glanz und Schatten einer Philosophie in Eichenthal
- Tag der offenen Tür im Bunker Wollenberg / Mai 2010
- Wie man aus einem Nachrichtenbunker einen Führungsbunker macht
Einzelnachweise
- ↑ VO Funk, Ausgabe 2012, Artikel 1.61, Definition: Funkstelle
- ↑ VO Funk, Ausgabe 2012, Artikel 1.20, Definition: Fester Funkdienst
- ↑ Grünbuch – Frequenzbereichszuweisungsplan für die Bundesrepublik Deutschland und internationale Zuweisung der Frequenzbereiche 9 kHz – 400 GHz; 1994; herausgegeben vom BMPT; BAPT Bestell-Nr. 5010311 001-1; Seiten 94-95.
- ↑ http://www.computer-museum.ru/connect/radio_rele_2.htm
Koordinaten: 52° 44′ 28,8″ N, 13° 57′ 43,5″ O sogenannten Staatlichen Frequenzkommission (SFK)