Shambhala (Königreich)
Shambhala (auch Shambala, Shamballa, tibetisch: བདེ་འབྱུང་; Wylie: bde 'byung, ausgesprochen De-jang) ist im tibetischen Buddhismus ein mystisches Königreich, das irgendwo in Zentralasien verborgen sein soll und besonders in der Tradition des Kalachakra eine Rolle spielt.
Der budddhistische Shambhala-Mythos wurde in der westlichen Esoterik aufgegriffen, zunächst vor allem von Helena Blavatsky, theosophischen und ariosophischen Autoren. Es folgten in den 1930er Jahren Nicholas Roerich und ab den 1960er Jahren okkultistische und rechtsesoterische Autoren wie Miguel Serrano, Gerald Suster, Louis Pauwels und Jacques Bergier sowie Trevor Ravenscroft.
Shambhala in der buddhistischen Tradition
Im tibetischen Buddhismus beschreibt die tradierte Legende von Shambhala ein mythisches Königreich, das die Lehren des Buddhismus, insbesondere das Kalachakra, bewahrt, während die Welt von Barbaren, welche meist als Muslime identifiziert werden, überrannt wird. Nachdem diese gesiegt und den Dharma ausgelöscht haben, verlässt der 25. König von Shambhala, Raudra Chakrin, sein Reich mit einer buddhistischen Armee und vernichtet die Barbaren. Damit beginnt laut der Legende ein neues Zeitalter des reinen Buddhismus.[1]
Eine eigene Schule des Shambhala-Buddhismus wurde von Chögyam Trungpa begründet. Er führte dazu die Traditionen des Kagyü und Nyingma aus dem tibetischen Buddhismus zusammen und verband sie mit seiner Shambhala-Philosophie, die er im Werk Shambhala: The Sacred Path of the warrior in den 1970er Jahren dargelegt hatte. Ziel war vor allem für westliche Menschen einen einfachen Zugang zu den Lehren des tibetischen Buddhismus zu eröffnen.[2]
Shambhala in der westlichen Esoterik
Erstmals wurde Shambhala im Westen 1833 in einem englischen Artikel von Sándor Csoma erwähnt.
In der Rezeption durch Helena Petrovna Blavatsky wurde Shambhala zu einem real existierenden geografischen Ort und Sitz des Herrn der Welt, der in Wüste Gobi lokalisiert wurde. Diese Ideen wurden von Theosophen und anderen Autoren wie Ignaz Trebitsch-Lincoln, Jan van Rijckenborgh, neonationalsozialistischen Autoren wie Miguel Serrano, Gerald Suster, Pauwels/Bergier und Trevor Ravenscroft aufgegriffen und weiterentwickelt.[3]
Die Lehren der Adyar-Theosophie bezeichnen Shambala als Wohnort der weisen Meister der größten Bruderschaft spiritueller Adepten. Gemäß einer Veröffentlichung des Lectorium Rosicrucianum befände sich der Sitz der die Welterlösung leitenden Bruderschaft von Shamballa in Zentral-Asien (Wüste Gobi). In dem Buch Die Bruderschaft von Shamballah, von J. van Rijckenborgh und C. de Petri, wird das Thema ausführlich besprochen.[4]
Dem Rechtsesoteriker Miguel Serrano zufolge sei Adolf Hitler ein Tantra-Meister aus dem Königreich Shamballah, wo er heute lebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Eingang nach Shamballah zwischen Shigatse und Gyantse geschlossen und an den Südpol verlegt worden. Dort warte Hitler seitdem auf eine günstige Gelegenheit ab, um in einem Endzeitkrieg die Mächte der Finsternis zu besiegen um danach das „Vierte Reich“ zu errichten.[5]
Im ersten Band einer von Wilhelm Landig verfassten, vorwiegend in rechtsextremen Kreisen rezipierten Romantrilogie über den Thule-Mythos berichtet ein tibetischer Abt namens Ngön-kyi Padma Dab-yang, von Shambala und Agartha als einander entgegengesetzten Quellen materieller und spiritueller Energien. Dabei ist Shambala Quelle der materiellen Energien des Pfades der linken Hand, eine Stadt der Macht und Kraft, die vom König der Furcht beherrscht werde. Den Gegenpol bildet die Stadt Agartha, Quelle der spirituellen Energie des Pfades der rechten Hand, ein inneres, unterirdisch gelegenes Reich der Kontemplation und des Geistes. In Agartha regiere der Herr und König der Welt, der zu einem vorbestimmten Zeitpunkt die Guten in einem Feldzug gegen die Bösen führen werde, um das Mongolische Reich zu errichten. Gewisse Persönlichkeiten des Dritten Reichs hätten sich vollständig den destruktiven Kräften Shamballas unterstellt, und dadurch dessen Gesandten Stalin in die Hände gespielt. Landigs Quelle ist offenbar Le Matin des magiciens (1960) von Pauwels und Bergier.[6]
In seiner Thule-arischen-Rassenlehre greift der deutsche Rechtsextremist und Verschwörungstheoretiker Jan Udo Holey ähnlich wie andere Neonazis den theosophischen Shamballa-Mythos auf und vermischt ihn mit dem von Saint-Yves d'Alveydre und Ossendowski kreierten Argharti-Mythos. In Holeys Variante handelt es sich bei Shamballah um die Hauptstadt des unterirdischen Königreichs Agharta oder Argathi in der Himalaja-Region. Danach soll das Königreich rund um Shamballah von technisch weit fortgeschrittenen Hyperboreanern mit großen Bohrmaschinen ins Erdinnere gefräst worden sein, weil ihr von Ariern besiedelter Kontinent Hyperboräa im Verlauf einer Eiszeit untergegangen sei. Der König Shamballahs heiße Rigden Iyepo, der König der Welt. Dessen Repräsentant auf der Erdoberfläche sei der Dalai Lama, der bestätigt haben soll, dass Agarthi heute noch bewohnt ist. Dazu zitiert Holey zwar Karl Haushofer, doch die Fußnote verweist auf die dubiosen Quellen E. R. Carmin und Bronder.[7]
Es soll ein Ziel Nicholas Roerichs auf seinen Reisen gewesen sein, Shambhala zu finden: er vermutete es im Altai-Gebirge. Nach der Besetzung der Mongolei durch Japan 1937 versuchte Japan, die Legende für politische Zwecke zu nutzen, indem das Gerücht gestreut wurde, Japan sei Shambhala.
Der Shambhala-Mythos wurde auch von Shōkō Asahara, dem Gründer und Führer von Ōmu Shinrikyō, einer auch als AUM-Sekte bekannten religiösen Gruppe, in seine Eschatologie integriert.[8] Demnach sollte zunächst Japan, ausgehend von den sogenannenten Lotus-Villages der Sekte, in ein Shambhala-Königreich umgewandelt werden und endlich sollte die ganze Welt zu Shambhala werden. Asahara stellte sich dabei als Verkörperung des endzeitlichen Königs von Shambhala dar, des Kriegerkönigs, der die Armeen von Shambhala in den apokalyptischen Krieg führt. In sehr kleinem Maßstab konnte die Sekte 1995 ein apokalyptische Szenario durch den Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn realisieren.[9]
Als es den US-Truppen während des Afghanistankriegs nicht gelang, Osama bin Ladens habhaft zu werden, spekulierten 2002 amerikanische Esoteriker, er könnte sich in die unterirdische Welt von Shambhala zurückgezogen haben, deren Eingänge an verschiedenen Orten in Afghanistan und Pakistan lokalisiert wurden.[10]
Popkultur
- Im Videospiel Uncharted 2: Among Thieves sucht der Held Nathan Drake mithilfe eines Schlüsseldolches nach der sagenumwobenen Stadt Shambhala und findet sie schließlich, sie wird am Ende des Spieles durch Einwirken des Antagonisten zerstört.
- Im Videospiel Indiana Jones und der Turm von Babel besucht dieser ein Shamabala-Kloster, um dort einen Teil der zerstörten Maschine von Babel zu finden.
- Im Anime Fullmetal Alchemist – Der Film: Der Eroberer von Shamballa versucht die Thule-Gesellschaft in diese Welt zu gelangen.
Literatur
- Martin Brauen: Traumwelt Tibet: westliche Trugbilder. Verlag Paul Haupt Berne, Bern; Stuttgart; Wien 2000, ISBN 3-258-05639-0.
- Nicholas Goodrick-Clarke: Black Sun Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York University Press 2002, ISBN 0-8147-3124-4.
- Joscelyn Godwin: Arktos : The Polar Myth in Science, Symbolism, and Nazi Survival. Adventures Unlimited Press 1996, ISBN 0-932813-35-6, S. 95–104.
- Katja Rakow: Transformationen des tibetischen Buddhismus im 20. Jahrhundert: Chögyam Trungpa und die Entwicklung von Shambhala Training. Diss. Univ. Heidelberg, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/Bristol 2014, ISBN 978-3-525-54018-3, insbesondere Kap. 4: Religionsgeschichtlicher Hintergrund: Tibetischer Buddhismus und der Mythos von Shambhala, S. 109–156
- Victor Trimondi, Victoria Trimondi: Der Schatten des Dalai Lama. Sexualität, Magie und Politik im tibetischen Buddhismus. Patmos, Düsseldorf 1999, ISBN 3-491-72407-4 (zu Shambhala siehe die Abschnitte 1-10, 2-11 und 2-13; die Interpretation buddhistischer Quellen durch die Trimondis wurde von Kritikern als zu buchstäblich beanstandet).
- Chögyam Trungpa: Shambhala: The Sacred Path of the Warrior. Shambhala , Boston 2007, ISBN 978-0-8348-2120-0
- Andrei Znamenski: Red Shambhala: Magic, Prophecy, and Geopolitics in the Heart of Asia. Quest Books, Wheaton, Ill. 2011, ISBN 978-0-8356-0891-6.
Weblinks
- Alexander Berzin: Irrtümliche ausländische Annahmen hinsichtlich Shambala, Berzin Archiv studybuddhism.com
- Shambhala - Mythos oder Wirklichkeit?, Website der Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein
Einzelnachweise
- ↑ Johan Elverskog: Our Great Qing: The Mongols, Buddhism, And the State in Late Imperial China. University of Hawaii Press, Honululu 2006, ISBN 0-8248-3021-0, S. 140
- ↑ Jeffrey Ourvan: The Star Spangled Buddhist: Zen, Tibetan, and Soka Gakkai Buddhism and the Quest for Enlightenment in America. Skyhorse Publishing, New York City 2013, ISBN 978-1-62087-639-8, S. 80
- ↑ Brauen: Traumwelt Tibet. Haupt, 2000, S.47, S.75, S. 91, S. 247 und S. 234.
- ↑ Horst E. Miers: Lexikon des Geheimwissens (= Esoterik. Bd. 12179). Original-Ausgabe; sowie 3. aktualisierte Auflage, beide Goldmann, München 1993, ISBN 3-442-12179-5, S. 124 und 571.
- ↑ Brauen: Traumwelt Tibet. Haupt, 2000, S.65-66.
- ↑ Wilhelm Landig: Götzen gegen Thule. Hans Pfeiffer Verlag, Hannover 1971, S. 629–31. Zitiert nach: Nicholas Goodrick-Clarke: Black Sun Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York University Press 2002, S. 141Vorlage:F
- ↑ Brauen: Traumwelt Tibet. Haupt, 2000, S.69-72.
- ↑ Brauen: Traumwelt Tibet. Haupt, 2000, S.73.
- ↑ Dawn Perlmutter: Investigating Religious Terrorism and Ritualistic Crimes. CRC Press, Boca Raton 2004, ISBN 0-8493-1034-2, S. 34–36.
- ↑ Michael Barkun: A Culture of Conspiracy. Apocalyptic Visions in Contemporary America. University of California Press, Berkeley 2013, S. 167Vorlage:F Vgl. Osama in Shambhala? In: UFO Roundup 7 (1. Januar 2002), [1].