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Kopftuchstreit

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Türkischer Geistlicher und türkische Frauen (mit Kopftuch) in Biberach an der Riß

Der Kopftuchstreit ist ein Streit um den Stellenwert eines Kleidungsstücks als religiöses oder politisches Symbol.

Grundlagen

Grundlage für die Muslime ergibt sich aus dem Koran, Sure 24:31 und Sunna, wo der Prophet Muhammad die islamische Frau dazu anhält, dass nichts außer Gesicht und Händen zu sehen sein soll. Allerdings herrscht auch im Islam keine Einigkeit darüber wie "stark" dieses Gebot ist (denn es gibt hier Abstufungen) und wie weit diese "Bedeckung" zu erfolgen hat.

Debatte in Deutschland

Bekannt in Deutschland ist vor allem der Fall, bei dem eine Lehrerin (Fereshta Ludin) mit orthodox-islamischem Hintergrund ihre Einstellung als Beamtin auf Probe in den Schuldienst des Bundeslandes Baden-Württemberg anstrebte. Diese wurde ihr verweigert, da sie nicht bereit war, während des Unterrichts auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten.

Die Begründung der Schulbehörde lautete: Das Kopftuch sei Ausdruck kultureller Abgrenzung und damit nicht nur religiöses, sondern auch politisches Symbol. Die mit dem Kopftuch verbundene objektive Wirkung kultureller Desintegration lasse sich mit dem Gebot einer postulierten staatlichen Neutralität nicht vereinbaren.

Das bundesdeutsche Bundesverfassungsgericht hat dazu am 24. September 2003 entschieden (siehe Urteil, oder Pressemitteilung), dass ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg derzeit keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage finde. Eine entsprechende Regelung könne nicht durch eine Behördenentscheidung getroffen werden, sondern müsse, wenn sie politisch gewollt sei, durch Landesgesetz geschaffen werden - ein Weg, den das Verfassungsgericht den Landesparlamenten ausdrücklich freistellte.

Das erste Bundesland, das diese Möglichkeit nutzte, war Baden-Württemberg, wo ein entsprechendes Gesetz am 31. März 2004 verabschiedet wurde. Auch in Berlin bahnt sich ein solches Verbot an: Allerdings geht ein am 30. März vereinbarter Gesetzesentwurf mit einem Totalverbot religiöser Symbole im öffentlichen Dienst weit über das Kopftuchverbot hinaus. Die beiden großen Kirchen haben daraufhin Protest eingelegt und rechtliche Schritte angekündigt.

Offenbar herrscht Uneinigkeit in den Ländern, ob es Lehrerinnen verboten werden soll, an der Schule ein Kopftuch zu tragen. Nach Berichten des Rheinischen Merkurs haben sich bisher sechs Länder für ein Verbot entschieden, drei sind unschlüssig und sieben gegen ein Verbot.

Muslime betonen, das Kopftuch stelle kein Symbol dar. Dennoch wird inzwischen auch debattiert, ob Symbole anderer Weltanschauungen, etwa das bei vielen Christen übliche Kreuz um den Hals oder der Habit der Mönche und Nonnen, an Schulen verboten werden sollen, um die islamische Religion nicht einseitig zu benachteiligen (zum Kreuzsymbol siehe auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1997). (siehe auch Kruzifixurteil)

International

Frankreich

In Frankreich gibt es derartige rechtliche Auseinandersetzungen nicht mehr. Dort ist es den Lehrern an staatlichen Schulen bereits seit dem Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche aus dem Jahr 1906 untersagt, im öffentlichen Schulunterricht religiöse Symbole zur Schau zu stellen. Nach langer Debatte hat das Parlament am 10. Februar 2004 beschlossen, dass es Schülern und Studenten verboten ist, religiöse Symbole während des Unterrichts zu tragen. Darunter fallen sowohl das Kopftuch als auch jüdische und christliche Symbole. Kritiker sehen in diesem Gesetz eine ernsthafte Einschränkung der Religionsfreiheit und eine unnötige Überhöhung der laizistischen Ideologie. Allerdings wurde die französische Debatte auch durch den sozialen Druck und durch gewalttätige Vorfälle bestimmt, denen junge Frauen in einem vorwiegend muslimischem Umfeld ausgesetzt sind.

Anlässlich eines Besuches des französischen Innenministers Nicolas Sarkozy im Dezember 2003 in Ägypten zeigte Mohammed Sayed Tantawi, Großscheich der renommierten al-Azhar Universität in Kairo Verständnis für ein partielles Kopftuchverbot in nichtmuslimischen Nationen. Er erklärte, dass die Verschleierung ein göttliches Gebot sei, aber dass Frauen, die in nichtmuslimischen Ländern leben, von dieser Verpflichtung ausgenommen wären. Auch Soheib Bencheikh, der Großmufti von Marseille und religiöse Instanz der französischen Mittelmeermetropole, spricht sich immer wieder für eine Öffnung des Islam und gegen das Kopftuch aus.

USA

Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es seit Ende März einen Streit über das Tragen von Kopftüchern an Schulen. Eine Schulbehörde im Bundesstaat Oklahoma hat ein muslimisches Mädchen wegen Tragens eines Kopftuchs vom Unterricht ausgeschlossen. Das Washingtoner Justizministerium hat auf dem Rechtsweg erreicht, dass das Mädchen auch mit Kopftuch zur Schule gehen darf.

Türkei

Auch in der muslimisch geprägten Türkei ist es Lehrern, Schülern und Studenten verboten, ein Kopftuch zu tragen. Dieses Verbot wird auch mit Polizeigewalt durchgesetzt und ist in den letzten Jahren immer wieder Thema hitziger Debatten. Die Türkei sieht sich als laizistischer Staat an, der keine religiösen Präferenzen hat. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Studentinnen aus wohlhabenderen Familien in Westeuropa studieren, wo solch eine Einschränkung nicht existiert.

siehe auch: