Zwillingsparadoxon
Das Zwillingsparadoxon ist ein Gedankenexperiment zur speziellen Relativitätstheorie, bzw. speziell zur Zeitdilatation. Trotz des Namens ist es aber eigentlich nicht paradox, es sieht nur auf den ersten Blick so aus.
Im Gedankenexperiment reist ein Zwilling mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von der Erde weg, kehrt nach einigen Jahren Eigenzeit um und fliegt ebenso schnell wieder zurück. Als er wieder auf der Erde ankommt, muß er feststellen, dass sein zurückgebliebener Zwillingsbruder viel älter geworden ist als er selbst.
Dies sieht auf den ersten Blick paradox aus, da ja nach dem Relativitätsprinzip jeder der Zwillinge sich als ruhend und den anderen Zwilling als bewegt und somit in seiner Eigenzeit verlangsamt betrachten können sollte, und somit auf den ersten Blick jeder der beiden feststellen müßte, dass der jeweils andere jünger geblieben ist, was aber natürlich nicht sein kann.
Die Lösung des Problems besteht darin, dass das Relativitätsprinzip nur für Inertialsysteme gilt, also für unbeschleunigte Systeme. Nun mußte der raumfahrende Zwilling aber bei der Umkehr kräftig beschleunigen, während der auf der Erde zurückgebliebene Zwilling von dieser Beschleunigung nichts mitbekommen hat. Somit sind beide Zwillinge nicht mehr äquivalent, und es ist kein Paradoxon, dass einer älter ist als der andere.
Man darf aber nicht auf das Mißverständnis verfallen, dass der Raumfahrer die Zeit während der Beschleunigungsphase "gewonnen" habe. Wäre er doppelt so lange geflogen, um dann in einer gleich langen und starken Beschleunigungsphase umzukehren und wieder doppelt so lange zurückgeflogen, dann wäre der Altersunterschied bei der Rückkehr doppelt so groß (wenn man die Zeit der Beschleunigung als kurz gegenüber der unbeschleunigten Flugzeit annimmt).
Es ist der unterschiedliche Weg durch die Raumzeit, der zu unterschiedlichen Eigenzeiten zwischen den Ereignissen "Abflug" und "Rückkehr" führt. Das ist vergleichbar mit der Feststellung, dass jemand, der von München nach Hamburg über den Umweg Berlin fährt, hinterher auf dem Kilometerzähler einen größeren Kilometerstand hat als derjenige, der auf geradem Weg von München nach Hamburg fährt. Hier käme niemand auf die Idee, der zusätzliche Weg läge in der Kurve in Berlin entstanden, obwohl der kürzeste Weg derjenige ohne Kurven ist. Der Unterschied zwischen dem räumlichen und dem raumzeitlichen Szenario ist, dass bei der Eigenzeit der "Umweg" kürzer ist als der direkte Weg.