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Besitzdiener

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Der Begriff des Besitzdieners bezeichnet in der Rechtswissenschaft denjenigen, der die tatsächliche Sachherrschaft für jemand anderen ausübt. Im deutschen Sachenrecht ist er in § 855 BGB geregelt.

Definition

Besitzdiener ist derjenige, der

  • die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache
  • für jemand anderen (d.h. ohne eigenen Besitzwillen),
  • in einem Verhältnis, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat

ausübt.

Ein Kriterium, das nicht ausdrücklich vom Gesetz aber von der Rechtsprechung vorausgesetzt wird, ist, dass

  • die Besitzdienerstellung auch nach außen erkennbar ist.

Besitz setzt neben der tatsächlichen Gewalt über eine Sache auch den Willen voraus diese Sache (für sich) zu Besitzen. Dem Besitzdiener fehlt dieser Wille, er übt die tatsächliche Gewalt lediglich für den weisungsberechtigten Besitzherrn aus und verhilft diesem somit, als verlängerter Arm, zum unmittelbaren Besitz.

Grundvoraussetzung für die Besitzdienerschaft ist folglich die tatsächliche Unterordnung des Besitzdieners unter die Weisungsgewalt des Besitzherrn. Ordnet sich der Besitzdiener bezüglich der Sache nicht mehr den Weisungen unter, endet die Besitzdienerschaft und der Besitzherr verliert seinen Besitz.

Ausreichend ist dabei jedoch nicht allein der Wille des Besitzdieners, nun selbst zu besitzen und sich nicht weiter unterzuordnen, vielmehr muss sich dieser Wille auch manifestiert haben, z.B. indem der Besitzdiener die Sache eigenmächtig veräußert hat.

Im Innenverhältnis zwischen Besitzherr und Besitzdiener bestehen von Seiten des Besitzdieners sehr wenig Rechte gegenüber dem Besitzherrn. So steht dem Besitzdiener mangels eigenem Besitz kein Besitzschutz gegenüber dem Besitzherrn zu. Er darf aber dessen Besitzschutzrechte gegen Dritte ausüben.

Verliert der Besitzdiener die Sache, oder gibt sie willentlich weg, stellt dies für den Besitzherrn ein Abhandenkommen der Sache dar.

Abgrenzung

In der Rechtswissenschaft ist umstritten, wer alles unter den Begriff "Besitzdiener" fällt. Eine gewichtige Meinung geht davon aus, dass es sich bei dem "weisungsgebundenen" Verhältnis um eine soziale Abhängigkeit handeln muss. Insofern ist jedes Arbeitsverhältnis (Dienstverhältnis) bezüglich der vom Dienstherren zum Zwecke der Ausführungen der Weisungen übergebenen Sachen unstrittig unter ein Besitzdienerverhältnis zu subsumieren. Sieht man aber die "Weisungsgebundenheit" lockerer, wäre jede blumengießende Nachbarin eine Besitzdienerin, der die oben genannten Rechte im Falle einer verbotenen Eigenmacht zustehen. Deshalb geht eine andere Meinung davon aus, dass auch solche Verhältnisse Besitzdienerverhältnisse sein müssen, da der Sinn dieser Rechte der Besitzschutz ist, und dieser nicht von Drittverhältnissen abhängig sein kann. Einzig ist – wie auch das Gesetz ausdrücklich verlangt – eine Weisungsgebundenheit verlangt, die auch in einer Anweisung des täglichen Blumengießens gesehen werden kann.

Beispiele

  • Der Chauffeur ist Besitzdiener des Wagens.
  • Der Kassierer ist Besitzdiener des Kassenbestandes.
  • Der Sicherheitsdienst ist Besitzdiener bezüglich des Sicherungsobjekts.

Besitzwehr, Besitzkehr

Droht dem Besitzdiener die Sache, die er für einen anderen besitzt, von einem Dritten (also nicht dem Besitzherrn) widerrechtlich entzogen zu werden, oder findet eine rechtswidrige Besitzstörung statt, so kann sich der Besitzdiener dieser drohenden Entziehung oder Störung (notfalls) mit Gewalt erwehren (§ 860, § 859 BGB), er übt Besitzwehr aus. Diese (rechtswidrige) Entziehung bzw. Wegnahme des Besitzes nennt man Verbotene Eigenmacht, die Handlung gegen die widerrechtliche Besitzentziehung Besitzkehr.

Das Recht, sich hier notfalls mit Gewalt zu erwehren, ist ein Rechtfertigungsgrund für eine an sich rechtswidrige Handlung. Gewalt darf nämlich - so schon der Begriff Gewaltmonopol - grundsätzlich nur vom Staat und seinen Organen ausgeübt werden. In diesem besonderen Fall darf es aber auch der Besitzdiener. Es handelt sich um ein sogenanntes Jedermannsrecht.

Gutgläubiger Erwerb

In der Rechtswissenschaft ist umstritten, inwieweit man von einem Besitzdiener gutgläubig erwerben kann. Da ein Besitzdiener selbst keinen Besitz innehat, kann einem gutgläubigen Erwerb § 935 Absatz 1 Satz 1 BGB entgegenstehen. Hiernach können solche Sachen nicht gutgläubig erworben werden, die ihrem Besitzer abhandengekommen sind.

Nach vorherrschender Auffassung ist aufgrund von § 855 BGB auf den Willen desjenigen abzustellen, für den der Besitz ausgeübt wird. Diese Person wird häufig als Besitzherr bezeichnet.[1][2] Eine andere Ansicht behandelt den Besitzdiener im Rahmen des § 935 BGB wie den Besitzmittler, maßgeblich sei also der Wille des Besitzdieners. Dies wird damit begründet, dass § 855 BGB ausschließlich Fragen des Besitzschutzes regele und keine Aussage darüber impliziere, wer das Risiko einer Weitergabe der Sache trage.[3][4] Eine weitere Auffassung stellt aus Gründen des Verkehrsschutzes darauf ab, ob der Besitzdiener nach außen hin als solcher erkennbar war.[5]

Siehe auch

Wiktionary: Besitzdiener – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Hans Schulte-Nölke: § 935, Rn. 4. In: Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/3848710546 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  2. Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/3406544798 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  3. Jürgen Oechsler: § 935, Rn. 10. In: Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/3406665462 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  4. Jörg Neuner: Der Redlichkeitsschutz bei abhanden gekommenen Sachen. In: Juristische Schulung 2007, S. 401 (404).
  5. Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/3540298694 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.