Esperanto
Esperanto (eo und epo in ISO 639) ist eine Plansprache (ältere Bezeichnungen: Kunstsprache, Welthilfssprache). Ihre Grundlagen wurden 1887 von L. L. Zamenhof vorgestellt.
Herkunft
Der Sprachgründer Zamenhof wuchs als jiddischer Muttersprachler jüdischer Herkunft in der mehrsprachigen, damals zum Russischen Zarenreich, heute zu Polen gehörenden Stadt Bialystok auf und erlebte Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Da er auch die Sprache als Konfliktstoff sah, wünschte er sich eine Sprache, die neutraler und leichter erlernbar ist als bisherige Sprachen. Diese sollte als Zweitsprache für alle annehmbar sein (und nicht, wie manchmal vermutet, andere Sprachen ersetzen). Im Jahre 1887 schließlich veröffentlichte Zamenhof die erste Broschüre über ein Sprachprojekt, das er "internationale Sprache" nannte. Nach seinem Pseudonym Esperanto (Esperanto = ein Hoffender) wurde bald darauf die Sprache selbst als "Esperanto" bezeichnet.
Geschichte
Zunächst benötigte Esperanto eine gewisse Anlaufzeit. Die ersten Anhänger wurden vor allem durch die Zeitschrift La Esperantisto verbunden, die von 1889 bis 1895 in Nürnberg herausgegeben wurde. Nachdem die russische Zensur 1895 durch ein Einfuhrverbot die Fortführung der Zeitschrift unmöglich gemacht hatte, übernahm Lingvo Internacia aus Uppsala (Schweden) deren Rolle.
Aber ab 1900 machte Esperanto große Fortschritte in Westeuropa, vor allem in Frankreich. Dort war bereits 1898 der erste landesweite Esperanto-Verband gegründet worden. 1903 gründete sich der schweizerische Landesverband, und im gleichen Jahr die Esperanto-Gruppe Berlin, die zum Ausgangspunkt des Deutschen Esperanto-Bundes (1906) wurde.
Bis zum Ersten Weltkrieg erreichte Esperanto die meisten europäischen und auch schon einige außereuropäische Länder. Die erste schwarzafrikanische Esperanto-Vereinigung (Kongo-Kinshasa) datiert von 1963. Heute hat der Esperanto-Weltbund UEA über fünfzig Landesverbände und Mitglieder in über hundert Ländern.
Einen großen Rückschlag erlitt die Esperantobewegung durch die Verfolgung und Hinrichtung vieler Esperantisten unter Adolf Hitler und Josef Stalin. Von 1949 bis 1965 war Esperanto in der DDR verboten.
Bereits durch den Völkerbund erhielt das Esperanto eine gewisse Anerkennung, als 1922 der stellv. Generalsekretär I. Nitobe seinen offiziellen Bericht zum Esperanto vorlegte. Später unterstützte die UNESCO das Esperanto durch eine Resolution (1954, wiederholt 1986), in der sie die Mitgliedstaaten dazu aufrief, den Gebrauch des Esperanto zu untersuchen.
Die Sprecher verwenden heute den Begriff Esperantujo, um sich auf den Bereich zu beziehen, der jedwede Anwendung dieser Sprache beschreibt.
Aufbau
Esperanto ist eine agglutinierende Sprache, in der die einzelnen Wortelemente ohne Veränderung aneinandergefügt werden. Beispielsweise fügt man zur Wurzel kant- die Endung -o an, die die Substantive (Hauptwörter) kennzeichnet. So erhält man kanto, das Lied. Die Endung -i steht für Verben (Tuwörter) und so erhält man kanti, singen. Ferner heißt etwa mi kantas ich singe, mi kantis ich sang. Die Endung für die Gegenwartsform ist also ein angefügtes -as, für die Vergangenheit ein -is. Das Deutsche hingegen verändert flektierend den Stammvokal in singen von i zu a.
Während viele Sprachen verschiedene Nominalklassen unterscheiden – das Deutsche zum Beispiel drei grammatikalische Geschlechter (männlich, weiblich, sächlich) – kennt das Esperanto diese Art von grammatikalischer Unterscheidung nicht. Esperanto kennt außer dem Nominativ nur noch einen Akkusativ, um Objekte im Satz besser von Subjekten unterscheiden zu können. Generell bemüht sich die Sprache um größtmögliche Regelmäßigkeit und Einfachheit in der Struktur.
Das Vokabular entstammt europäischen Sprachen, vornehmlich den romanischen Sprachen, der deutschen, englischen und mit einigen Wörtern den slawischen Sprachen und dem Griechischen. Die Schreibweise ist phonematisch, das heißt, dass jedem Buchstaben nur ein Phonem (Grundlaut) zugeordnet ist.
Es hat sich gezeigt, dass Esperanto einfacher zu erlernen ist als andere Sprachen. In den über hundert Jahren seiner Existenz hat sich Esperanto ähnlich etwa dem Deutschen weiterentwickelt. Neue Wörter (zunächst Neologismen) wie „aidoso“ (= AIDS, als Abkürzung der Esp.-Übersetzung), „hipio“ (= Hippie) oder „interreto“ (= Internet) erschienen durch den Gebrauch in der Alltagssprache und wurden in der Folge durch Wörterbücher erfasst und somit akzeptiert. So sind Texte aus der Frühzeit des Esperanto, also etwa um 1900, heute noch normal lesbar, allerdings kann man an einzelnen Stellen erkennen, dass sich die Sprache leicht gewandelt hat.
Umberto Eco widmet sich dem Esperanto wohlwollend in seinem Buch Die Suche nach der vollkommenen Sprache (1993, dt. 1994).
Verbreitung
Die Literatur in Esperanto besteht sowohl aus originalen Werken, zum Beispiel von William Auld, der bereits für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde, als auch aus Übersetzungen, zum Beispiel Goethes "Faust" und "Die Blechtrommel" von Günter Grass und die viele weitere Werke der Weltliteratur. Es gibt Zeitschriften und Radiosendungen auf Esperanto. Im Jahre 1993 wurde eine Esperanto-Abteilung im Internationalen PEN-Club aufgenommen.
Gewisse Bedeutung hatte Esperanto auch in der internationalen Arbeiterbewegung.
Viele Esperanto-Freunde treffen sich auf Kongressen, Seminaren, Kulturveranstaltungen, Festen sowie in Internet-Foren oder beim Esperanto-Chat. Der jüngste Welt-Kongress, die jährlich größte Veranstaltung, fand 2003 im schwedischen Göteborg statt, 2004 ist Peking die gastgebende Stadt. Ein internationaler Gastgeberdienst informiert über Esperantisten, die bereit sind, andere Esperanto-Sprecher kostenlos für ein paar Tage bei sich übernachten zu lassen. Man kann also inzwischen von einer Esperanto-Kultur sprechen.
Schwierig ist es, die Anzahl der Esperanto-Sprecher anzugeben; Schätzungen gehen weit auseinander. Der Sprachwissenschaftler Detlev Blanke spricht von einer halben Million Menschen. Andere sprechen von bis zu zehn Millionen. Das ergibt sich in erster Linie daraus, dass die Menschen, die diese Sprache sprechen, über den ganzen Globus verteilt leben und nur teilweise in Klubs oder Vereinen organisiert sind. Auch einige Muttersprachler gibt es inzwischen: Gelegentlich vermitteln Eltern – besonders binationale Paare, die untereinander Esperanto sprechen – ihren Kindern Esperanto als zweite oder dritte Muttersprache neben ihrer Landessprache (bzw. ihren Landessprachen).
Bei Wikipedia liegt die Esperanto-Wikipedia momentan auf Platz zehn, etwa gleichauf mit der Spanischen.
Wenngleich Esperanto sich bisher nicht als Amtssprache durchsetzen konnte, so hat es immerhin unter den über tausend Plansprachenprojekten eine klare Vorrangstellung erreicht. Weitere Plansprachen, wie z.B. Volapük, Ido, Occidental und Interlingua welche kurzzeitig einige Verbreitung fanden, werden heute so gut wie nicht mehr gelernt und genutzt.
In Deutschland gibt es den Deutschen Esperanto-Bund und die Deutsche Esperanto-Jugend, die weltweite Spitzenorganisation heißt Universala Esperanto-Asocio und hat ihren Sitz in Rotterdam.
Einige maschinelle Übersetzungsprogramme nutzen Esperanto als Zwischenschritt zwischen Ausgangssprache und Zielsprache.
Kritik
Einzelne Eigenschaften des Esperanto sind in der Vergangenheit wiederholt kritisiert worden:
- Während man früher vor allem nichtromanische Wortstämme beanstandete (z.B. aus dem Deutschen oder Polnischen), bemängelt man heute gerade einen Eurozentrismus.
- Die Sprache sei androzentrisch (männerzentriert), da Personenbezeichnungen ohne weibliche Endung als männlich anzusehen seien. Dies ist allerdings nicht richtig, es gibt auch weibliche Basisbezeichnungen.
- Da die Personalpronomen sich ähneln (mi, vi, li usw.), können eventuell akustisch Missverständnisse entstehen.
- Vielfach kritisiert wurden die "Sonderzeichen", also eine kleine Gruppe von Buchstaben, die es auch in einer Variante mit Zirkumflex (^) gibt: c, g, h, j, s. Dadurch wird allerdings die lautliche Grundlage erweitert; ansonsten müssten Esperanto-Wörter z.B. länger sein. Es gibt Schreibkonventionen, mit denen eventuelle Probleme beim Druck, der Schreibmaschine oder mit dem Computer umgangen werden können, etwa indem man – anstelle des Zirkumflex – dem jeweiligen Buchstaben ein nachgestelltes h beifügt. Oft wird auch ein Strich oder ein x beigegeben, was allerdings nicht regelkonform ist.
Die Beseitigung dieser Kritikpunkte war das Hauptziel bei der Entwicklung der Plansprache Ido ausgehend von Esperanto.
Weiterführende Angaben
Siehe auch
Sprachkurs Esperanto, Esperanto-Alphabet, Esperanto-Rechtschreibung, Esperanto-Kultur