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Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

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Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) (oder nur Aktion Sühnezeichen), besonders im englischsprachigen Ausland auch unter Action Reconciliaton / Service For Peace (ARSP) bekannt, ist eine deutsche Organisation der Friedensbewegung.

Datei:ASF Logo.jpg
Das aktuelle Logo der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. wurde 1958 auf der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands unter großer Mitwirkung von Lothar Kreyssig gegründet. Die Organisation ist besonders durch ein internationales Freiwilligenprogramm und die Organisation von Workcamps in West- und Osteuropa bekannt.

Selbstdarstellung

„Im Bewusstsein, dass die Folgen des Nationalsozialismus noch immer spürbar sind und nur durch einen intensiven Dialog überwunden werden können, setzt sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) für eine Verständigung zwischen den Generationen, Kulturen, Religionen und Völkern ein. Verwurzelt im christlichen Glauben bemüht sich ASF dabei um Zusammenarbeit mit allen, die für eine friedlichere und gerechtere Welt eintreten.“ (Selbstdarstellung, ASF Homepage)

Geschichte der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

Die engere Vorgeschichte von ASF beginnt mit dem Versagen der protestantischen Kirche in Deutschland während der NS-Zeit einerseits und mit dem Widerstand gegen das NS-Regime aus eben dieser Kirche andererseits. So gehörten zwei der wichtigsten Gründer von ASF, Lothar Kreyssig und Franz von Hammerstein, zu dem eher seltenen entschiedenen Widerstand kirchlicher Kreise. Mit der Unterstützung einiger Gleichgesinnter wie z.B. Martin Niemöller und Gustav Heinemann thematisierten sie in der Nachkriegszeit das Versagen der Evangelischen Kirche und drängten auf Buße und Umkehr.

1954 versuchte Lothar Kreyssig auf dem Kirchentag in Leipzig zum erstenmal, Mitstreiter für seinen Versöhnungsdienst zu finden. Sein Aufruf fand jedoch kaum Gehör. „Dass etwas richtig und notwendig ist, genügt noch nicht für die Verwirklichung in Raum und Zeit. Die Stunde dafür muss da sein“, schrieb er später in seiner unveröffentlichten Autobiographie. Vom 26.-30. April 1958 tagte schließlich die Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands abwechselnd in Spandau (West-Berlin) und in Weißensee (Ost-Berlin). Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die staatliche Teilung Deutschlands vollzogen war, versuchten die Kirchen, die innere Einheit zu bewahren. Auch die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war zu diesem Zeitpunkt noch eine gesamtdeutsche Versammlung, auf der die Synodalen aus der Bundesrepublik und aus der DDR gemeinsam berieten. 1958 wurde äußerst kontrovers über den westdeutschen Militärseelsorgevertrag und eine mögliche Atombewaffnung der Bundeswehr diskutiert. In dieser aufgewühlten Stimmung verlas Präses Lothar Kreyssig am letzten Verhandlungstag der Synode den Aufruf zur Gründung der Aktion Sühnezeichen. Zahlreiche Synodale unterzeichneten den Aufruf noch am selben Abend.

Dieser Aufruf stellte nicht nur ein Schuldbekenntnis dar, sondern forderte auch konkrete Konsequenzen. Diese Ableitung funktionierte jedoch nicht in der Weise, dass die Aktion Sühnezeichen Hilfe anbot, sondern darum bat, helfen zu dürfen. Diese demütige Haltung, die auch in der Kirchengeschichte ihresgleichen sucht, war eine Absage an jedes paternalistische Funktionalisieren des Sühnegedankens. Sie signalisierte die Bereitschaft, sich einzulassen, zu lernen also im Tun und im Dialog - denn die Bitte setzt auf Gespräch, auf Antwort und auf neues Tun. Es ist dies eine Bewegung weg vom Eigenen und hin zu dem Anderen, ein Auszug aus dem Selbst im Tun und auf der Suche nach Wahrheit.

Aktion Sühnezeichen wurde als gesamtdeutsche Organisation gegründet; die Spaltung Deutschlands machte jedoch eine gemeinsame Arbeit unmöglich. So entwickelten sich in den beiden deutschen Staaten zwei Organisationen mit einem gemeinsamen Ziel, aber unterschiedlichen Schwerpunkten in der praktischen Arbeit (langfristige Freiwilligendienste in der BRD und kurzfristige Freiwilligendienste und Sommerlager in der DDR).

Arbeitsfelder der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste

Langfristige Freiwilligendienste

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) entsendet pro Jahr rund 150 Frauen und Männer in Länder, die in besonderem Maße unter der NS-Herrschaft zu leiden hatten: Belgien, Frankreich, Großbritannien, Israel, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Russland, Tschechien, der Ukraine, den USA und Weißrussland. Die Freiwilligen sind überwiegend junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren. Kriegsdienstverweigerer können im Rahmen dieses Programms ihren Zivildienst als „Anderen Dienst im Ausland“ ableisten. Die Freiwilligen unterstützen und begleiten Überlebende der Shoah und ihre Nachkommen, arbeiten in Gedenkstätten mit, kümmern sich um alte und behinderte Menschen, sozial Benachteiligte und Flüchtlinge und engagieren sich in Stadtteilprojekten und Antirassismusinitiativen. Die langfristigen Freiwilligendienste sind nicht nur eine wichtige Unterstützung der Arbeit unserer Partnerorganisationen vor Ort, sondern ein jeweils neuer Schritt zur Verständigung über Grenzen hinweg. Durch die vielfältigen Begegnungen mit Menschen in einem anderen Land machen die ASF-Freiwilligen nachhaltige interkulturelle Erfahrungen und erleben die Gegenwärtigkeit von Geschichte. Die Meinungen über die von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste durchgeführten Auswahlseminare für den Freiwilligendienst sind jedoch geteilt. Teilnehmer äußerten sich z.T. sehr negativ, u.A. wurde der Vorwurf der Begünstigung bestimmter, "etwas wohlhabenderen Teilnehmern aufgrund deren finanzkräftigen Eltern" laut. Die Auswahlseminare sind keine professionellen Assmentcenter sondern, laut eines Teilnehmers, "eine unprofessionelle, fast schon korrupte, Veranstaltung sondersgleichen". Aktion Sühnezeichen wird in diesem Kontext vorgeworfen, sich selber bzw. seinen Prinzipien nicht treu zu bleiben.

Internationales Deutschlandprogramm

Seit 1996 kommen auf Anfrage von Partnerorganisationen pro Jahr 15 bis 20 Freiwillige aus den USA, Osteuropa, Israel und anderen Ländern für einen Friedensdienst nach Deutschland.

Kurzfristige Freiwilligendienste

An den rund 25 Sommerlagern im In- und Ausland nehmen jedes Jahr rund 300 junge Menschen teil. Alle Sommerlager werden von Ehrenamtlichen geleitet. Häufig sind dies ehemalige langfristige Freiwillige, die ihre Erfahrungen aus dem Friedensdienst weitergeben möchten. In den zwei bis drei Wochen halten die Freiwilligen z.B. jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten in Stand, arbeiten in sozialen Einrichtungen und engagieren sich in interkulturellen Projekten. Darüber hinaus tauschen sie sich über aktuelle und historische Fragestellungen aus.

Ehrenamtliches Engagement

Mit der Durchführung der lang- und kurzfristigen Freiwilligendienste sind viele weitere Ehrenamtliche, oft ehemalige Freiwillige beschäftigt. Diese tragen auch zum Teil zur Öffentlichkeit- und Bildungsarbeit bei.

Öffentlichkeitsarbeit

ASF gibt die vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift »zeichen« heraus, die über die Arbeit der Freiwilligen und Projektpartner informiert. Mit den Predigthilfen zum Israelsonntag, zur Ökumenischen Friedensdekade und zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus will ASF theologische Erkenntnisse aus dem jüdisch-christlichen Dialog sowie aus dem Dialog mit dem Islam in die Gemeinden hinein vermitteln. Außerdem meldet sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste zu aktuellen politischen Themen zu Wort. Dabei bezieht ASF öffentlich Stellung gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus und tritt nachdrücklich für die Entschädigung von NS-Verfolgten, den interreligiösen und interkulturellen Dialog sowie einen gerechten Frieden ein.

Bildungsarbeit

Mit Veranstaltungen, Workshops, Seminaren und Tagungen zu den Themenfeldern Erinnerungspolitik, nationale Identitäten und interreligiöser Dialog will ASF zur gesellschaftlichen Debatte anregen.

Auszeichnungen

Mitgliedschaft

Siehe auch

Literatur

  • Ansgar Skriver, Aktion Sühnezeichen. Brücken über Blut und Asche. Kreuz-Verlag, Stuttgart 1962
  • Karl-Klaus Rabe, Umkehr in die Zukunft. Die Arbeit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Lamuv-Verlag, Bornheim-Merten 1983, ISBN 3-921521-90-4
  • Konrad Weiß, Lothar Kreyssig. Prophet der Versöhnung. Bleicher Verlag, Gerlingen 1998, ISBN 3-88350-659-1