Antidiskriminierungsgesetz
Der deutsche Entwurf für ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz - ADG) geht auf vier Europäische Richtlinien zurück. Es soll den Schutz von Minderheiten im Arbeitsrecht und im Privatrechtsverkehr verbessern. Zu dem Zweck erhalten Angehörige der durch das Gesetz geschützten Personengruppen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, die sich in einer gesetzlich sanktionierten Weise gegenüber dem Geschützten verhalten.
Das ADG gilt in seinem dienst- und arbeitsrechtlichen Teil für Beamte des Bundes und der Länder, öffentliche und private Angestellte und Arbeiter. Die Besonderheit des ADG im zivilrechtlichen Teil liegt darin, dass es als Schutzgesetz in den Privatrechtsverkehr eingreift. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist dies, da der Grundrechtsschutz primär nur staatliches Handeln erfasst (abgesehen von der sog. mittelbaren Drittwirkung über die zivilrechtlichen Generalklauseln und deren Anwendung durch Gerichte), notwendig, um den objektiv-rechtlichen Auftrag des Grundgesetzes auch unter den Bürgern umzusetzen.
Das ADG wurde am 17. Juni 2005 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und am 8. Juli 2005 vom Bundesrat abgelehnt und an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Der Vermittlungsausschuss hat am 5. September 2005 die Beratungen über das ADG vertagt. Aufgrund des Diskontinuitätsprinzips ist der ADG-Entwurf durch die Auflösung des Bundestages gescheitert.
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sieht eine Umsetzung gemäß EU-Vorgabe vor; während die CDU diese Absichtserklärung hin zu einer 1:1-Umsetzung interpretiert, will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hierüber hinaus gehen. Im Kern geht der Streit um die Frage, ob die Regelungen für die Kriterien Rasse, ethnische Herkunft und Geschlecht im Zivilrecht auch auf Alter, Behinderung, Religion und sexuelle Identität anzuwenden sind.
Am 21. Dezember 2005 hat die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im deutschen Bundestag den Gesetzentwurf erneut ins Parlament eingebracht. Am 20. Januar 2006 hat der Bundestag das Gesetz in erster Lesung gelesen. Dabei unterstützten die Redner von SPD, Grüne und Linksfraktion, die gemeinsam eine Mehrheit im Bundestag haben, den Gesetzentwurf, während Teile der Union und die FDP das Gesetz erneut ablehnten.
Anfang Mai 2006 einigen sich im Koalitionsauschuss SPD und CDU auf ein Antidiskriminierungsgesetz, das jetzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz genannt wird.
Basisdaten | |
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Kurztitel: | Antidiskriminierungsgesetz |
Voller Titel: | Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung |
Typ: | Bundesgesetz |
Rechtsmaterie: | Arbeitsrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Abkürzung: | ADG |
FNA: | noch keiner |
Verkündungstag: | bisher nicht erlassen |
Aktuelle Fassung: | Entwurf BT-Drs. 15/4538 |
Ende Februar 2006: Union und SPD wollen in Kürze einen gemeinsamen Entwurf zu dem Gesetz vorlegen. Es soll nun den Namen "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz" erhalten.
Hintergrund
Das ADG dient der Umsetzung folgender europäischer Richtlinien:
- 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 S. 22), sog. Antirassismus-Richtlinie
- 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16), sog. Rahmenrichtlinie Beschäftigung
- 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG, die zu dem § 611a BGB führte, des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 S. 15), sog. Gender-Richtlinie
- Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom 21/12/2004 S. 0037 - 0043), abgek.: Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt
Ein früherer Diskussionsentwurf sah eine Integration des Antidiskriminierungsrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor.
Nach aktuellem Stand sollen jedoch zwei eigene Gesetze geschaffen werden, die die Materie einheitlich regeln: neben dem bereits erwähnten ADG noch das Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen (SADG).
Darüber hinaus werden Änderungen in bereits bestehenden Gesetzen vorgenommen, z.B. im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Bundesbeamtengesetz (BBG), verschiedenen Büchern des Sozialgesetzbuchs (SGB I-IV) etc.
Begriff der Diskriminierung
Diskriminierungen sind gemäß § 1 ADG Benachteiligungen aufgrund
- der "Rasse" (dazu unten),
- der ethnischen Herkunft,
- des Geschlechts,
- der Religion oder Weltanschauung,
- einer Behinderung,
- des Alters
- der sexuellen Identität
bei (vgl. § 2 Abs. 1 ADG)
- der Einstellung in ein Arbeitsverhältnis,
- der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses (Arbeitsentgelt, Beförderung, Entlassung etc.) sowie der Berufsaus- und Fortbildung,
- der Mitgliedschaft in Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung,
- dem Sozialschutz,
- sozialen Vergünstigungen,
- Bildung
- oder dem Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.
Anwendungsbereich
des arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes (vgl. §6 Abs. 1 ADG)
Demnach sind Beschäftigte im Sinne des Gesetzes:
- abhängig Beschäftigte (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer)
- Auszubildende
- Bewerber
- ehemalige Beschäftigte
- arbeitnehmerähnliche Personen, siehe Scheinselbstständigkeit, Heimarbeit
Zitat aus der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Begriff der "Rasse":
"Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (...). Die Mitgliedstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil Rasse den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen - genutzt werden soll."
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikel 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs Rasse in der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags - die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt."
Folgende Formen der Ungleichbehandlung sind zu unterscheiden:
- unmittelbare Diskriminierung: weniger günstige Behandlung einer Person als einer anderen in einer vergleichbaren Situation (§ 1 Abs. 1 ADG),
- mittelbare Diskriminierung: Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren (§ 1 Abs. 2 ADG),
- Belästigung: Verletzung der Würde der Person, insb. durch Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds (§ 1 Abs. 3 ADG),
- sexuelle Belästigung (§ 1 Abs. 4 ADG),
- die Anweisung zu einer dieser Verhaltensweisen (§ 1 Abs. 5 ADG).
Rechtsfolgen von Ungleichbehandlungen
Individualarbeitsrecht
§ 7 Abs. 2 ADG stellt klar, dass im Arbeitsverhältnis alle Vereinbarungen, die gegen Diskriminierungsverbote verstoßen, unwirksam sind (diese Klarstellung ist allerdings rein deklaratorisch, da sich diese Rechtsfolge bereits aus § 134 BGB in Verbindung mit der jeweils verletzten Norm ergibt).
Der Arbeitgeber kann jedoch einwenden, dass die Ungleichbehandlung im Einzelfall gerechtfertigt ist. So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn dadurch auf angemessene Weise eine bestehende Diskriminierung beseitigt wird (§ 5 ADG). Ein absoluter Vorrang der geschützten Gruppe ist dabei jedoch ausgeschlossen.
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist nur zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist (z.B. Einstellung einer Balletttänzerin), § 8 Abs. 1 Nr. 1 ADG. Für diesen Einwand trägt der Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast. Er wird also den Prozess verlieren, wenn er unzureichend vorträgt oder der Beweis misslingt.
Unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion oder Weltanschauung sind ebenfalls nur ausnahmsweise zulässig (§ 9 Abs. 1 ADG). So wird es z.B. keine verbotene Diskriminierung darstellen, wenn ein Moslem nicht als Leiter eines katholischen Kindergartens eingestellt wird. Dies entspricht auch der bereits bestehenden Rechtslage im Arbeitsrecht bei sog. Tendenzbetrieben.
Altersbedingte Ungleichbehandlungen können nach § 10 ADG gerechtfertigt werden, wenn sie objektiv angemessen sind und ein legitimes Ziel verfolgen.
Liegen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vor und ergreift der Arbeitgeber nicht die geeigneten Maßnahmen, um diese zu beseitigen (§ 12 ADG), hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 ADG). Er darf also, ohne den Anspruch auf das Arbeitsentgelt zu verlieren, die Arbeit einstellen, soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist (§ 14 ADG). Daneben hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden und sonstiger Schäden, die er durch eine Diskriminierung erleidet (§ 15 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 ADG). Jede Diskriminierung gilt als Pflichtverletzung des Arbeitsvertrags (§ 7 Abs. 3 ADG).
Der Arbeitgeber haftet nicht nur für eigenes Verhalten, sondern nach § 16 ADG auch für jede Diskriminierung
- durch Beschäftigte, die im Namen des Arbeitgebers gegenüber anderen Beschäftigten Weisungen erteilen dürfen, in Ausübung dieser Befugnisse erfolgt (§ 16 Nr. 1 ADG)
- oder durch sonstige Beschäftigte oder Dritte erfolgt und der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus § 12 Abs. 1 bis 3 schuldhaft verletzt hat (§ 16 Nr. 2 ADG); in diesem Fall liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer.
Die Vorschriften des ADG gelten - unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung - auch für Beamte und Richter (§ 25 ADG).
Kollektives Arbeitsrecht
Regelungen dazu finden sich insb. in §§ 15 Abs. 2, 18, 19 ADG.
Allgemeines Zivilrecht
Auch im allgemeinen Zivilrechtsverkehr sind Diskriminierungen aus einem der in § 1 ADG genannten Gründen grundsätzlich unzulässig. Das betrifft nach § 20 ADG jedoch nur
- den Abschluss von sog. Massengeschäften (Begriff: § 20 Abs. 1 Nr. 1 ADG)
- und privatrechtliche Versicherungsverträge.
Bei privatrechtlichen Versicherungsverträgen darf jedoch das Geschlecht ein bestimmender Faktor bei der Risikobewertung sein, wenn das Datenmaterial und die Berechnung offen gelegt werden. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung müssen zwingend geschlechtsneutral verteilt werden.
Darüber hinaus ist jede Benachteiligung aus Gründen der "Rasse" oder ethnischen Herkunft auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig (§ 20 Abs. 2 ADG).
Keine Anwendung finden Diskriminierungsverbote nach §§ 20 ff. ADG auf:
- familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse (§ 20 Abs. 4 ADG)
- Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 20 Abs. 5 S. 1 ADG); dies gilt auch für das Mietrecht, und zwar insb., wenn die Parteien oder ihre Angehörigen auf demselben Grundstück wohnen (§ 20 Abs. 5 S. 2 ADG).
Liegt objektiv eine Ungleichbehandlung vor, kann diese im Einzelfall gerechtfertigt, d.h. erlaubt und sanktionslos, sein.
Rechtfertigungsgründe können sich aus entsprechender Anwendungen des 2. Abschnittes (betrifft das Arbeitsrecht, s.o.) ergeben (§ 20 Abs. 3 S. 2 ADG). Weitere Rechtfertigungsgründe stellt § 21 ADG. Gerechtfertigt sind demnach Ungleichbehandlungen aus sachlichen Gründen, z.B. zur Abwehr von Gefahren (§ 21 Nr. 1 ADG).
Bei Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung hat der Benachteiligte folgende Ansprüche:
- auf Beseitigung der Diskriminierung (§ 22 Abs. 1 S. 1 ADG)
- auf Unterlassung künftiger Diskriminierungen (§ 22 Abs. 1 S. 2 ADG)
- auf Abschluss des Vertrags (sog. Kontrahierungszwang), der aufgrund der Diskriminierung nicht zustande gekommen ist (§ 22 Abs. 2 ADG); hierfür muss der Benachteiligte jedoch darlegen und beweisen, dass der Vertrag ohne die Diskriminierung abgeschlossen worden wäre (§ 22 Abs. 2 S. 2 ADG)
- Schadensersatz (§ 22 Abs. 3 ADG); hier gilt dasselbe wie im Arbeitsrecht (s.o.)
Besonderheiten im Prozess
Beweislast für Diskriminierung
Nach § 23 ADG, der die Beweislast im Prozess regelt, hat die eine Diskriminierung geltend machende Partei im Streitfall zunächst Tatsachen glaubhaft zu machen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Die Gegenseite trägt dann die Beweislast dafür, dass andere als in § 1 genannte, sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (§§ 8 bis 10, 21 ADG) oder die unterschiedliche Behandlung nach Maßgabe des ADG zulässig gewesen ist (z.B. § 5 ADG). Damit ist die Beweislast zugunsten desjenigen, der sich auf die Rechte aus dem ADG beruft, erleichtert.
Diese Beweislastverschiebung ist jedoch nicht allgemein, sondern nur für solche Fälle vorgesehen, bei denen die Glaubhaftmachung gelingt. Entsprechende Regelungen, die für andere Sachgebiete gelten, befinden sich bereits im geltenden Recht, vgl. § 611a Abs. 1 S. 3 BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 SGB IX. Um den Gesetzeszweck effektiver durchsetzen zu können, wurde diese Erleichterung eingeführt, diese wird in der Debatte oft Beweislastumkehr genannt, da vom juristischen Grundsatz abgewichen wird, dass grundsätzlich jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt.
Stellung von Verbänden im Prozess
§ 24 ADG gibt Verbänden, die (nicht gewerbsmäßig) die Interessen der nach § 1 ADG geschützten Personengruppen vertreten, das Recht, solche Personen gerichtlich zu vertreten (allerdings nur bei Verfahren ohne Anwaltszwang, § 24 Abs. 2 ADG).
Weitere Verbandsklagerechte ergeben sich aus dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG).
Damit unterschreitet der Gesetzentwurf Vorgaben der Europäischen Richtlinien.
Antidiskriminierungsstelle
Eine Antidiskriminierungsstelle ist auf Grund der Diskriminierung wegen "Rasse" und ethnischer Herkunft sowie auf Grund des Geschlechts zwingend in den Richtlinien vorgesehen. Die Bundesregierung möchte jedoch eine umfassende Antidiskriminierungsstelle für alle Merkmale, in der andere, bisherige verstreute Beauftragte zusammengefasst werden (geregelt in §§ 26-31 ADG).
Das ADG in der politischen Auseinandersetzung
Gegner des ADG-Entwurfs
Das Gesetzesvorhaben unterliegt scharfer rechtspolitischer Kritik seitens führender Vertreter der deutschen Zivilrechtslehrer, insbesondere zu folgenden Punkten:
- Einschränkung der Privatautonomie für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, da sie (anders als private Verbraucher) ihre Kunden gleich behandeln müssen.
- Schaffung eines bürokratischen Aufwandes, da durch die Beweislastumkehr jeder Anbieter von Gütern Beweise vorrätig halten muss, dass er gerade nicht diskriminiert hat.
- schwierige Abgrenzungsfragen zwischen erlaubter und verbotener Ungleichbehandlung
- vermutete Mehrbelastung der Justiz mit einer Vielzahl von Prozessen
- Auferlegung des staatlichen Gleichbehandlungsgebots auf alle Privaten und damit eine Reduktion marktwirtschaftlicher, nämlich auch irrationaler, Freiheit.
- einseitige Bevorzugung gewisser "Minderheiten" unter Ausblendung von Kindern und Familie.
- Andererseits gibt es die Kritik, dass - im Vergleich bspw. zum Grundgesetz und der EU-Verfassung - wesentliche Bereiche der Diskriminierung im ADG nicht behandelt werden, so vor allem Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft. Dies führe zu einer Antidiskriminierungshierarchie und es bestünde die Gefahr, dass Benachteiligung aufgrund sozialer Herkunft per Definition nicht als Diskriminierung wahrgenommen wird. Eine Einbeziehung der sozialen Herkunft in den Antidiskriminierungsrichtlinien lag bereits vor, fiel aber während der Einigung zu den Amsterdamer Verträgen unter dem Tisch.
Allerdings würde das ADG keinen bestehenden Schutz abbauen. Ein Gesetzentwurf zur Abschaffung der sozialen Diskriminierung liegt in Deutschland nicht vor, wird aber auf europäischer Ebene diskutiert.
Laut einer im März 2005 veröffentlichten Allensbachumfrage lehnt die Mehrheit der Bevölkerung das Antidiskriminierungsgesetz ab.
Befürworter des ADG-Entwurfs
Befürworter kommen vornehmlich aus dem Bereich der Behinderten- und Frauenverbände, dem LSVD, dem DGB etc. Sie weisen darauf hin, dass die Beweislasterleichterung seit 25 Jahren im BGB (§611a) bestehe. Des Weiteren sei es völlig unsinnig, wenn Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten werde, nicht aber aufgrund der Behinderung, sexuellen Identität, oder anderen vom ADG aufgenommenen Kriterien. Sie fordern stattdessen gleichen Schutz für alle. Sie verweisen darauf, dass es um eine Einbeziehung aller Kriterien von Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages geht. Diese Kriterien sind für das Arbeitsrecht auch verbindlich von der EU vorgeschrieben.
Rechtsfolgen der Nichtumsetzung der Richtlinien
Die Kommission hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtumsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG eingereicht. Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesrepublik bereits im April 2005 wegen Nichtumsetzung der RL 2000/43/EG und im Februar 2006 wegen Nichtumsetzung der Richtlinie 2000/78/EG verurteilt. Im gewissen Umfang können für den Einzelnen trotz Nichtumsetzung Rechte aus den Richtlinien hergeleitet werden. Das ArbG Berlin, Urteil vom 13. Juli 2005 - 86 Ca 24618/04, NZA-RR 608 ff. hat einen direkten Anspruch aus der RiL 2000/78/EG bei Benachteiligung einer Person mit einer Behinderung von 40 (und damit keine Schwerbehinderte gem. § 81 II SGB IX) durch eine öffentliche Stelle (vorliegend das Land Berlin) zuerkannt.
Eine derartige unmittelbare Direktwirkung von Richtlinien wird jedoch nur unter engen Voraussetzungen und grundsätzlich nur im Verhältnis Bürger - Staat, nicht aber zwischen Privatrechtssubjekten (horizontal) angenommen. Wesentliche Intention des Antidiskriminierungsgesetzes ist jedoch gerade die Bekämpfung von Diskriminierungen zwischen Privatpersonen.
Weblinks
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Texte der EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung:
sonstiges:
- stop-discrimination.info - Site der EU
- Dagmar Schiek (Hrsg.) - Antidiskriminierungsgesetz (ADG)
- Dossier zum Antidiskriminierungsgesetz: www.migration-online.de
- Website zum Antidiskriminierungsgesetz (ADG)
- http://www.aric.de/aktuelles/stellungnahme_antidiskriminierungsgesetz/index.htm
- Allensbach: Bevölkerung lehnt Antidiskriminierungsgesetz ab
- Infos und Inhalte zum Antidiskriminierungsgesetz (ADG) bzw. allgemeinen Geleichbehandlungsgesetz - GermanPersonnel
- Website zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)