Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
Sexueller Missbrauch von Jugendlichen bezeichnet sexuelle Handlungen, die aufgrund des Entwicklungsstands des betroffenen Jugendlichen oder aufgrund des Zustandekommens der Handlungen nicht akzeptiert werden.
Strafrechtliche Aspekte
Bundesrepublik Deutschland
Vorlage:Zitat de § des Strafgesetzbuches verbietet sexuelle Handlungen von Erwachsenen ab 21 Jahren mit Jugendlichen unter 16 Jahren, wenn der Erwachsene dabei eine "fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt". Außerdem sind sexuelle Handlungen eines Erwachsenen (ab 18 Jahren) mit einem Jugendlichen unter 16 Jahren verboten, wenn der Jugendliche durch Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Geld dazu gebracht wurde.
Rechtsgut der Vorschrift ist die sexuelle Selbstbestimmung Jugendlicher.
Die "fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung" kann nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht allein aus dem Alter des Jugendlichen abgeleitet werden, sondern muss im Einzelfall festgestellt werden (BGH, 1 StR 481/95, Beschluss vom 23. Januar 1996, BGHSt 42, 27)
§ 182 Strafgesetzbuch neuer Fassung betrifft sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite beide Geschlechter gleichermaßen und ersetzte 1994 die alten §§ 182 und 175. § 182 alter Fassung ("Verführung") betraf ausschließlich den Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenem Mann und einem "Mädchen" unter 16 Jahren. § 175 betraf zunächst männlich-homosexuellen Verkehr allgemein ("Unzucht mit Männern"), später nur den Verkehr zwischen erwachsenem Mann und männlichem Jugendlichen ("Homosexuelle Handlung").
Wenn das Opfer unter 14 Jahre alt und damit im Rechtssinn Kind ist, greift stattdessen der mit höherer Strafdrohung belegte § 176 des Strafgesetzbuches ein.
Republik Österreich
In Österreich existierte bis 2002 keine entsprechende Norm. Das österreichische Recht unterscheidet auch hier zwischen Mündigen (14 Jahre und älter) und Unmündigen (unter 14). Bis 2002 und grundsätzlich auch heute sind nur sexuelle Handlungen mit Unmündigen mit strafrechtlichen Sanktionen bewehrt. Aufgrund der Aufhebung des § 209 StGB (vgl. § 175 StGB-Deutschland) durch den Verfassungsgerichtshof (→ Gesetze zur Homosexualität) wurde der § 207b eingebracht und vom Nationalrat verabschiedet.
§ 207b StGB orientiert sich am Wortlaut und dem Inhalt des § 182 StGB-Deutschland, ohne mit ihm identisch zu sein. In Österreich sind geschlechtliche Handlungen mit Jugendlichen unter 16 Jahren dann verboten, wenn dies unter Ausnutzung einer Zwangslage oder unter Ausnützung der eigenen Überlegenheit und der Unreife des Jugendlichen erfolgen. Auch ist die unmittelbare Verleitung von Jugendlichen durch ein Entgelt verboten.
Im Folgenden der Wortlaut des § 207b StGB:
- § 207b. Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
- (1) Wer an einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie seiner altersbedingten Überlegenheit eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
- (2) Wer an einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Ausnützung einer Zwangslage dieser Person eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
- (3) Wer eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm oder einem Dritten vorzunehmen oder von ihm oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 207b davon aus, dass die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit mit Vollendung des 14. Lebensjahres grundsätzlich gegeben ist und die neue Bestimmung nur Fälle erfasst, in denen diese Fähigkeit aus besonderen Gründen ausnahmsweise fehlt bzw. deutlich eingeschränkt ist[1]. Allen Fällen des § 207b ist gemeinsam, dass sie Situationen im Auge haben, in denen es dem Jugendlichen unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird, sein sexuelles Selbstbestimmungsrecht dahin auszuüben, dass er einen von ihm nicht gewünschten Sexualkontakt (mit Erfolg) ablehnt[1]. § 207b soll Sachverhalte erfassen, in denen bestimmte Konstellationen zu sexuellen Kontakten ausgenutzt werden, zu denen sich der Jugendliche andernfalls nicht bereit finden würde[1]. Im Falle des Absatz 3 etwa muss der Täter durch das Entgelt (gem. § 74 StGB jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung) den Jugendlichen konkret zur sexuellen Handlung bestimmen (veranlassen)[1]. Von Jugendlichen (ebenfalls) gewollte Sexualkontakte sollen also nicht kriminalisiert werden.
Parlamentarische Anfragen ab Inkrafttreten bis zumindest 2004 zeigen, dass einige Staatsanwaltschaften ihn vielfach als Ersatzbestimmung handhaben und unververhältnismäßig oft homosexuelle Kontakte verfolgt werden[2]. Auch wurden immer wieder Gerichtsverfahren eingeleitet, ohne dass ein Anfangsverdacht auf eine verbotene Beziehung vorlag, um zu prüfen ob ein Fall nach § 207b StGB erfüllt sein könnte. Österreichs Kinderschutzexperten forderten in ihrem Bericht zum „Nationalen Aktionsplan (NAP) Kinder- und Jugendrechte“ einstimmig eine Evaluation des § 207b nach 5 Jahren seines Bestehens, um festzustellen, ob diese Bestimmung das Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher schützt oder aber beschneidet[3]. Und auch der Österreichbericht 2004 des EU-Network of Independent Experts on Fundamental Rights kritisiert die Praxis mancher Staatsanwaltschaften, blosse Intimkontakte bereits zum Anlass für Verfolgungsschritte zu nehmen[4].
Zu beachten ist insb. das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Jugendlichen. So sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einem 17jährigen Jugendlichen Schadenersatz zu, weil er, der sich stets für ältere Partner interessierte, von seinem 14. bis zu seinem 18. Geburtstag von § 209 öStGB davon abgehalten worden ist, erfüllende intime Beziehungen einzugehen, die seiner Neigung (zu erwachsenen Partnern) entsprechen[5].
Siehe auch
Sexueller Missbrauch von Kindern
Weblinks
- Vorlage:Gesetz-D
- http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/95/1-481-95.php3 (Beschluss des BGH)
- RIS - Rechtsinformationssystem des österreichischen Bundeskanzleramtes - Abfrage Bundesrecht
- Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen Begriffsbestimmung, Formen, Häufigkeit, Folgen
Quellen
- ↑ a b c d Österreichisches Parlament: Entschließung des Nationalrates vom 10.07.2002, E 152-NR/XXI. GP a) S. 3 b) S. 4 c) S. 3 d) S. 7
- ↑ Rechtkommitee Labda: § 207b: Justiz verfolgt nahezu ausschließlich Homosexuelle (PDF)
- ↑ Kränz-Nagl, Sax, Wilk & Wintersberger; Bericht zum YAP-Prozess 2003, Mai 2004, Anhang A - 10.2.1.
- ↑ EU-Network of Independent Experts on Fundamental Rights: Österreichbericht 2004 (englisch, PDF) S.62
- ↑ EGMR: S.L. vs. Austria, appl. 45330/99, judg. 09.01.2003, par. 49, 52