Pientia Selhorst
Pientia Selhorst (* 20. Dezember 1914 in Rietberg, Westfalen; † 11. Juni 2001 Missieklooster Heilig Bloed Aarle-Rixtel, Niederlande; ursprünglich Josepha Selhorst) war eine deutsche Künstlerin, Missionarin (Sr. Maria Pientia bzw. Sr. M. Pientia Selhorst, CPS) und Kunstpädagogin, die in Südafrika tätig war.
Leben
P. Selhorst war die älteste Tochter des Kunstschreiners und Leiters einer Werkstatt für Christliche Kunst, Hermann Selhorst (1877 Hof Selhorst in Langenberg/ Soest - 1931 Nordhagen/ Delbrück i.W.). Sie besuchte 1931-33 die Klosterschule Neuenbeken, legte dort ihr Abitur ab als Schwester vom Orden der Missionarinnen des Kostbaren Blutes Jesu/ Missionsschwestern vom Kostbaren Blut (CPS) im Missionshaus/ Provinzialat Neuenbeken/ Paderborn, erhielt bei ihrer Profess 1936 den Namen Sr. Maria Pientia, Spitzname und Signatur "Pin", wurde 1938 nach Mariannhill/ Südafrika entsandt und studierte 1941-47 bei der Malerin und Professorin Rosa Somerville Hope (8.6.1902, Manchester, England - 7.5.1972, Kokstad, Südafrika), Senior Lecturer in Fine Art at the University of Natal, Pietermaritzburg (1938-1957), mit dem Abschluss des Bachelor of Fine Arts. Mit Miss Hope als ihrer Freundin brach sie auf zu zahlreichen Studienreisen nach Europa. Zur Spezialisierung auf die Gestaltung von Glasfenstern in Kirchen konnte sie sich an der Kunstakademie in Düsseldorf (1956-57) unter ihrem Förderer, dem gerade nach Düsseldorf berufenen Professor für Glasmalerei, Georg Meistermann, weiter ausbilden lassen (Kontakt aber auch zum Mitstudenten Gotthard Graubner, Zuwendung zum Konstruktivismus und der Zweidimensionalität der Fläche). Sie arbeitete als Art Lecturer am St. Francis College des Ordens in Mariannhill/ Durban/ Natal (jetzt Mariannhill Secondary Independent School), das von ihrer jüngeren Schwester, Maria, genannt Mia, Selhorst, Ordensname Sr. M. Dominica (1918-1990), geleitet wurde.
Werk
In ihrer Tätigkeit als Kunstpädagogin eröffnete sie ein Studio mit Kunstwerkstätten für Malerei und Mosaik; dabei übersetzte sie das Leitmotiv des Zweiten Vaticanums, das Aggiornamento als Öffnung der Kirche für diese Welt vor allem in Liturgie und äußerer Erscheinung, in ein durch intrinsische Motivation und Faszination als "mystical approach" (Selhorst, nach Leeb-du Toit) gefasstes Kunstprinzip der Enkulturation ("a form of 'acculturated primitivism'", Leeb-du Toit), der Förderung der Kunst der Schwarzen in ihren diversen Stämmen, im Kontext des bunten Vielvölkerstaates Südafrika ("cross-cultural imperatives of Inculturation", Macdonald; "mysterious and elusive Africanness", Macdonald). Ziel war die Entwicklung einer Christlichen Kunst und Symbolik, die auf der Grundlage der Bedeutung der afrikanischen Masken für die Moderne Kunst, vor allem bei Picasso, das "Primitive" als Abstraktion und Inspiration des Kubismus würdigt ("Negro art", "Picasso Primitif, Exposition 2017) und weiterentwickelt ("a more syncretic, authentically 'African' expression of Christianity", "Zulu Christian iconography", Leeb-du Toit). In ihrem eigenen Kunstschaffen, vor allem ihren Porträts in Kreide bzw. in Öl mit schwarzen Konturen, akzentuierte sie in europäischen Gesichtern negroide Gesichtszüge und parallel dazu in den Gesichtern der Schwarzen eine hermaphroditische Schönheit, die auch die europäischen Betrachter als Ästhetik ergreifen. Dazu verwandte sie als Medium den Linolschnitt, durch den bei schwarzem Hintergrund die Konturen weiß heraustreten, wie in einem Vexierbild der Schwarz-Weiß-Kontrast variabel wird, eine Formaussage hinsichtlich der Doppelperspektivik auf den Menschen und ein Gleichnis der Ebenbürtigkeit. In dem von Apartheid geprägten südafrikanischen Umfeld, aber auch in den Strukturen der europäischen Mission und dem unhinterfragten Import konventioneller Kirchenkunst war dies eine Herausforderung.
Der Kirchenbau wurde zugunsten der vor allem im südlichen Afrika traditionellen Kral-Architektur in Rundbau als Form des gemeinschaftlichen Lebens verändert (exemplarisch der Grundriss der Church of the Holy Cross, McKay's Nek Transkei, in F. Harmsen, S.3), ebenso die Gestaltung der Christus-, Madonnen-, Heiligen- und Engel-Figuren als Schwarze sowie der Kreuzweg-Stationen als solidarisches Mitleiden auf dem Leidensweg der schwarzen Bevökerung. Ihr Stil wird beschrieben als "symbolhaft, eindrucksvoll und farbkräftig" (Balling, 1995) Sie griff auch Holz-Drucktechniken der Schwarzen auf und transformierte profane wie religiöse Motive ins Serielle, ein Fries mit Mäander-Mustern, eine Iteration und Lebenswelteinbettung im Sinne der Benediktinischen Ordensregel "Ora et labora". Hier wird Selhorsts These von der Komplementarität "Werkkunst = Kunstwerk" explizit, die sie ins Interkulturelle erweitert, von der 'neglected tradition' der südafrikanischen schwarzen Künstler zu ihrer Integration in die zu schreibende Welt-Kunst-Geschichte. Ihre Bilder sind in südafrikanischen öffentlichen Gebäuden präsent, ebenso die Werke ihrer Schüler. Ihre berühmtesten Schüler sind Duke (Ellington Sipho) Ketye (6.6.1943 Orlando, Soweto - + 13.7.2002, ebd., seit 1960 Lumko Art Centre in Queenstown bei P. Selhorst, Art Teacher im St. Francis College Mariannhill 1976-78, Stipendien und Ausstellungen in den USA und UK; seine Holz-Skulpturen und -Reliefs, z. B. zu den vier Jahreszeiten, schmücken öffentliche Gebäude wie Kirchen (1976 Church of Our Lady of the Assumption, Makwane, QwaQwa), Werk-Motiv "Tänzerinnen", Gestaltungen einer Zulu Bibel), Joseph Dlamini (+ 1970 Mariannhill, hochbegabter, früh verstorbener Holzschnitzer von Kreuzen mit Korpus sowie südafrikanischen Tieren), Michael Mbebe, Rosina Qwalana und Frans/ Franz Hodi (* 1937 Cathcart district - [1988 als verschollen bezeichnet]), der bei ihr 1960-67 studierte und die Bantu-Kunst in die Moderne weiterentwickelte, schon 1965 ausstellte (Bantu Inter Faith Art Exhibition) und zur von Selhorst begründeten "Lumko Art Centre/ Lumko School" ("African Art Center", Kwa Zulu-Natal) gezählt wird; kennzeichnend sind seine Darstellungen des Liquiden, sowohl im Alltag (Wäscherinnen) und in der biblischen Ikonographie ("Infant Moses").
Selhorst war auch ordenspolitisch als historisch-hermeneutische Erforscherin der benediktinisch-zisterziensischen Missionsmethode und als Vertreterin ihres Ordens bei der Generalleitung im Vatikan tätig (Generalat der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut, Casa Generalizia, 1991) und richtete zahlreiche Missionsmuseen als Dokumentation der Tätigkeiten ein (z.B. Schloss Riedegg/ Oberösterreich, Reimlingen/ Bayern, Würzburg [Missionare von Mariannhill. Deutsche Provinz]).
Ausstellungen
Pietermaritzburg/ University of Natal, The Departement of Fine Arts (1948)
Rom/ Vatikan in der Ausstellung "Kunst der Missionen/ Exhibition of the Art of the Missionlands" anlässlich des Heiligen Jahres (1950)
Rietberg (1956) unter der Leitung ihres älteren Bruders, Kunsthistorikers und Journalisten Professor Dr. Stephan Selhorst (Werkkunstschule Münster)
Cervo/ Diano Marina/ Ligurien/ Italien (1971) unter der Leitung ihres älteren Bruders (s.o.)
VHS Arnsberg Neheim-Hüsten (Mai/ Juni 1974), Katalog-Layout und Würdigung durch den katholischen Publizisten Erich Kock (Köln) unter dem Titel "Das Handwerk, zu dem einer geboren ist" und programmatischem Motto-Text von Fernand Léger
VHS Reckenberg-Ems/ Rietberg (Mai 1981) unter der Leitung ihres jüngeren Bruders, Heimatpfleger und Rektor Bernhard Selhorst (Rietberg)
Mariannhill, 100-Jahr-Feier des Klosters (1982)
Missionshaus/ Mutterhaus Aarle-Rixtel/ Brabant/ Niederlande (1993)
Werke:
Alter Mönch aus Mariannhill (1949)
Europäische Kinder (1949)
Zulumädchen aus Mariannhill (1949)
Inder-Mädchen oder Verkündigung (1949)
Märtyrer von Uganda (Vatikan 1950)
Poudo-Zauberin (1950)
Wohin gehen wir? (Paris 1954, Privatsammlung)
Masken (Bewerbung für die Kunstakademie Düsseldorf 1956)
Bamboo Mountain Drakensberg (1968)
Kimberley: Arbeiterwohnungen der Diamantensucher (1968)
Adam leaves the Garden of Eden (1971) https://www.stephanwelzandco.co.za/artist-author/josepha-sister-mary-pientia-selhorst/
Kreuzwege (nach F. Harmsen, 1989):
1952 Garten des Schwestern-Convents Mariannhill
1952 St. Mary's Hospital Mariannhill
1954 Church of Christ the King, Zigudu, Transkei
1955 Kapelle des Schwestern-Convents Mariannhill
1959 Cathedral of Christ the King, Queenstown (dazu auch Erläuterungsbroschüre, Queenstown Printing and Publishing Company 1959)
1959 Church of the Holy Cross, McKay's Nek, Transkei
1959 St. Michael and All Saints Church, Catechetical Training Centre, Lumko near Lady Frere, Transkei (zusammen mit Rosina Qwalana)
1960 Cathedral of the Sacred Heart, Bloemfontein
Archiv Maria Behre, Aachen/ Paderborn
Literatur
- Adalbert Ludwig Balling: In Dankbarkeit und Freude, Leipzig: Engelsdorfer Verlag 2015 (über die Einrichtung und Rechtfertigung einer Auftragsarbeit, eines Ölgemälde-Kreuzweges von P. Selhorst in dem großen Kirchenneubau der Missionsstation in Embakwe, heute KweKwe/ Matabeleland/ Bulawayo, Süd-Rhodesien, heute Simbabwe, 1964)
- John Baur: Christus kommt nach Afrika: 2000 Jahre Christentum auf dem Schwarzen Kontinent. Übersetzung Brigitte Muth-Oelschner, Academic Press Fribourg Suisse/ Freiburg/ Schweiz: Paulus Verlag/ Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2006, S.401
- Esmé Berman: Art & Artists of South Africa: An Illustrated Biographical Dictionary and Historical Survey of Painters, Sculptors & Graphic Artists Since 1875, Cape Town: A A Balkema 2. ed. 1983 (1970), p. 418f.
- Dina Cormick: Bernard Gcwensa and Ruben Xulu. Christian artists of Natal. Pretoria: Academia 1993
- Frieda Harmsen: The Way to Easter. Stations of the Cross in South Africa, Pretoria: Joan Lötter Publications 1989 (vor allem, S.5, 22f., 35, 51, 54f., 85f. mit kunsttheoretischem Konzept in einem Brief an F. Harmsen vom 4.6.1985 sowie dem Verzeichnis aller von P. Selhorst zwischen 1952 und 1960 gestalteten Kreuzwege)
- Philippa Hobbs/ Elizabeth Rankin: Printmaking: In a Transforming South Africa, David Phillips Publishers [David Krut Distribution] 1997
- Juliette Leeb-du Toit: Verskeidenheid en wisselwerking = S.A. Vereniging van Kunsthistorici 5de Jaarlikse Konferensie, Universiteit van Natal, Durban, 17-19 Julie 1989 = Diversity and interaction: S.A. Association of Art Historians 5th Annual Conference, University of Natal, Durban, 17-19 July 1989, S. 81-89.
- James Macdonald: Tracing the Passion of a Black Christ. Critical reflections on the iconographic revision and symbolic redeployment of the Stations of the Cross and Passion cycle by South African artists Sydney Kumalo, Sokhaya Charles Nkosi and Azaria Mbatha, Dissertation for the degree Master of Arts in Fine Art, Michaelis School of Fine Arts, University of Cape Town, July 2016, speziell p. 2, 31 ("Sister Mary Pientia") (https://open.uct.ac.za/bitstream/item/26597/thesis_hum_2016_macdonald_james.pdf?sequence=1)
- E. Miles/ E. Rankin: The Role of the Missions in Art Education in South Africa. Africa Insight. 22 1992 (1), p. 34–48 (http://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&db=awn&AN=48527&site=ehostlive; http://www.pbphilatelics.com).
- Steven Sack: The Neglected Tradition, Johannesburg: Johannesburg Art Gallery 1988 http://www.sahistory.org.za/archive/neglected-tradition
- Mzuzile Mduduzi Xakaza: From Bhengu to Makhoba: Tradition and Modernity in the Work of Black Artists from KwaZulu-Natal in the Campbell Smith Collection
Weblinks
- Geissler-Archiv: Mappennummer 200 s (https://lbz.rlp.de/fileadmin/lbz/Ueber_uns/Besondere_Bestaende/Geissler-Archiv/GeisslerArchiv_S.pdf), RheinlandPfalz, Landesbibliothekszentrum
- Harmsen, Frieda: Smithsonian Libraries African Art Index Project DSI, 1993 (http://collections.si.edu/search/results.htm?q=record_ID:siris_sil_658470)
Personendaten | |
---|---|
NAME | Selhorst, Josepha |
ALTERNATIVNAMEN | Selhorst, Pientia (Ordensname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Missionarin und Kunstpädagogin |
GEBURTSDATUM | 20. Dezember 1914 |
GEBURTSORT | Rietberg, Westfalen |
STERBEDATUM | 11. Juni 2001 |