Geschichte Uruguays


Die Geschichte Uruguay beginnt mit der Besiedelung der Region vor mindestens 9.000 Jahren. Im 16. und 17. Jahrhundert begannen spanische Conquistadores und Siedler, die Region des heutigen Uruguays zu unterwerfen und zu besiedeln, bis es im frühen 19. Jahrhundert unter harten Kämpfen gelang die Spanier zu vertreiben. Diese Unabhängigkeit jedoch wurde von den beiden großen Nachbarn Argentinien und Brasilien nicht annerkannt und so versuchten sie das Land zu annektieren. Mit der endgültigen Unabhängigkeit im Jahre 1830 begann eine Zeit der Bürgerkriege zwischen Colorados und den Blancos. Nachdem sich das Land konsolidiert hatte, ist das Land bis in die heutigen Tage (mit Ausnahme der Zeit der Militärdiktatur von Juni 1973 bis Februar 1985) eine stabile Demokratie geblieben.
Heute blickt Uruguay auf eine Geschichte zurück, die sowohl von den unterschiedlichen Interessen der Großgrundbesitzer und der Stadtbevölkerung, von dem wechselnden Einfluss des Militärs, aber auch von sich immer wieder durchsetzenden demokratischen Strömungen geprägt ist.
Vor der Ankunft der Europäer

Es wird geschätzt, dass die fruchtbaren Gebiete des heutigen Uruguay seit etwa 7000 v. Chr. durch Menschen besiedelt wurden, die nomadisch in kleinen Gruppen lebten. Die Besiedelung war jedoch aufgrund von Klimaänderungen sehr dünn. Diese Ureinwohner, die als Fuéguidos, Láguidos und Pámpidos bezeichnet werden, begannen um etwa 2000 v. Chr. mit der Herstellung von einfachen Steinwerkzeugen. Sie errichteten Hügelgräber, die einen Durchmesser von 40 m hatten und zwei bis sieben Meter hoch waren und organisierten sich in Gruppen von etwa 20 Personen um diese Gräber.
Das erste Volk, welches sich als solches herauskristallisierte, waren die Charrúas. Man hat erste Spuren einer fortgeschritteneren Zivilisation, die Fischerei und Landwirtschaft betrieb und Keramik kannte, gefunden. Da die Schrift bei diesem Volk unbekannt war, ist von den Charrúas heute so gut wie nichts bekannt.
Die Kolonialzeit
Wann die Mündung des Río de la Plata (des "Silberflusses") und damit auch Uruguay zum ersten Mal von Europäern entdeckt wurde, ist umstritten. Nach der spanischen Version der Dinge, war Juan Díaz de Solís im Jahr 1516 der erste, der den Río de la Plata erreichte. Von portugiesischer Seite wird dem jedoch entgegengehalten, unter Berufung auf Aufzeichnungen des Augsburger Handelshauses Fugger, daß dies zweien ihrer Landsleute -Nuño Manoel und Cristóbal de Haro- bereits zwei Jahre zuvor gelungen sei.

Damals war das alles andere als eine akademische Streitfrage, galt doch das Motto: "Wer zuerst ankommt, dem gehört das Land". Die Banda Oriental, wie das Gebiet damals genannt wurde, gehörte von ihrer geographischen Lage und den natürlichen Grenzverläufen her eigentlich zum im Vertrag von Tordesillas von 1494 definierten spanischen Herrschaftsbereich, das in der Plata-Region, mit Buenos Aires am Südufer des Rio de la Plata als Zentrum zu dieser Zeit im Norden vom Rió de la Plata begrenzt wurde, als zum portugiesischen Herrschaftsbereich (dem heutigen Brasilien, mit dem 1565 gegründeten Rio de Janeiro als Zentrale).
Die Folge war später eine lange Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen um den Besitz der "Banda Oriental" ("Östliche Region" = das heutige Uruguay), wie das Gebiet östlich des Flußes Uruguay, der dem Land später seinen Namen gab, damals genannt wurde.
Bei der Ankunft der Europäer waren die Charruas, ein kleines, von den Guarani bedrohtes Volk, den einzigen indigenen Bewohner des heutigen Uruguay. Im 16. Jahrhundert gab es dann angestrengte Bemühungen, das Gebiet zu besiedeln, die jedoch alle am Widerstand der Charrúa scheiterten. So wurde zum Beispiel der Entdecker und seine Mannschaft im gleichen Jahr von dem einheimischen Indianerstamm getötet. Weitere im 16. Jahrhundert angestrengte Bemühungen, das Gebiet zu besiedeln, scheiterten ebenfalls am Widerstand der Charrúa. Da es aber weder Silber- noch Goldvorkommen gab, und die Charruas sich zudem heftig gegen die Eindringlinge wehrten, gab es bis ins 16. und 17. Jahrhundert keine nennenswerten Aktivitäten der Europäer.
Die erste ständige Ansiedlung auf dem Gebiet des heutigen Uruguay wurde 1624 von den Spaniern in Soriano am Río Negro gegründet. Erst viel später begannen die Spanier, die Viehhaltung in Uruguay einzuführen und damit die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region voranzutreiben. Die erste militärische Festung Portugals in der Banda Oriental folgte wenig später: das Fort "Nova Colonia do Sacramento" (erbaut zwischen 1669 und 1671; heute Colonia del Sacramento), das - im Verbund mit anderen Befestigungsanlagen - dazu dienen sollte, den portugiesischen Herrschaftsbereich nach Süden gegen die Spanier abzusichern. Colonia lag direkt gegenüber von Buenos Aires, dem politischen und militärischen Zentrum der "Großen Provinz de las Indias", die praktisch das ganze spanische Gebiet vom Amazonas bis Feuerland umfaßte.

Montevideo war die erste spanische Bastion nördlich des Río de la Plata (wie der Río Uruguay nach seiner Vereinigung -wenig oberhalb von Colonia del Sacramento- mit dem aus Brasilien und Argentinien kommenden Río Paraná heißt). Als 1723 die Portugiesen mit Aushebungsarbeiten für die Errichtung einer Festung an der heutigen (strategisch wichtigen) "Bucht von Montevideo" begannen, wurde dieses Vorhaben durch eine aus Buenos Aires übergesetzte spanische Militärexpedition zunichte gemacht. 1724 wurde dann an derselben Stelle eine spanische Festung erbaut. (Bereits seit 1624 befand sich hier eine Faranziskaner-Mission). Zwei Jahre später, 1726, ließ der erste Gouverneur der Ansiedlung, Bruno Mauricio de Zabala, Familien aus Buenos Aires nach Montevideo übersiedeln, um dem Wachstum der jungen Stadt einen Auftrieb zu geben. Die neue Ansiedlung mit ihrem natürlichen Hafen machte Buenos Aires bald Konkurrenz um die Handelsströme in der Region La Plata.
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war durch Kämpfe zwischen den Briten, Portugiesen und Spaniern gekennzeichnet, die sich die Kontrolle über die Zone zwischen Brasilien und Argentinien sichern wollten.
Nach der Errichtung des spanischen Vizekönigreiches des Río de la Plata im Jahre 1776, dessen Machtzentrum Buenos Aires am Südufer des Río de la Plata Uruguay gegenüber lag, wurde nach fünf Jahrzehnten wechselvoller Kämpfe die Banda Oriental schließlich 1777 im "Frieden von Ildefonso" dem spanischen Vize-Königreich einverleibt.
Die Unabhängigkeitskriege
Doch damit waren die kriegerischen Auseinandersetzungen nur für kurze Zeit beendet. Mit dem Zerfall des spanischen Imperiums und den beginnenden Unabhängigkeitskriegen wurde Uruguay erneut zum Zankapfel - und wieder zwischen Buenos Aires und Río de Janeiro, die dieses Mal jedoch in eigener Regie operierten.
Zu dieser Zeit, um die Jahrhundertwende, zählte Uruguay nur rund 60.000 Einwohner, von denen ein Fünftel in Montevideo lebten. Die übrigen waren Estancieros, im Hinterland umherschweifende Gauchos und Charrúa-Indios, die kriegerischen Ureinwohner der Banda Oriental, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollständig ausgerottet wurden. (Drei Charrúas haben die Spanier auf die Iberische Halbinsel überführt und mumifiziert. Sie können heute in einem spanischen Museum besichtigt werden.)
Nachdem im Mai 1810 der spanische Vize-König Baltasar de Cisneros aus Buenos Aires vertrieben worden war, wurde Montevideo unter dem neuen Vize-König Elío zum Zentrum der spanischen Royalisten, die 1811 die Stadt besetzten, um von hier aus zu versuchen die Autorität der spanischen Krone in den aufrührerischen La-Plata-Provinzen wieder herzustellen.
Artigas und seine "Revolution der Armseligen"

Dagegen organisierte sich im Februar 1811 unter der Führung des heutigen Nationalhelden Uruguays, José Gervasio Artigas (19. Juni 1764 - 23. Juni 1850), im Landesinneren eine breite Aufstandsbewegung, getragen von lokalen Grundbesitzern und - dies vor allem - den Viehhirten, Landarbeitern und auch Indios.
Den ersten militärischen Erfolg errang das lanzenbewaffnete Gaucho-Heer von Artigas am 18. Mai 1811 in der Schlacht von Las Piedras, nur wenige Kilometer von Montevideo entfernt. Die anschließend gemeinsam mit argentinischen Streitkräften unternommene Belagerung von Montevideo mußte jedoch wegen der Intervention portugiesisch-brasilianischer Truppen erfolglos abgebrochen werden.

Vor der spanisch-portugiesischen Übermacht wich Artigas in den Nordwesten des Landes aus. Der Rückzug seines Rebellen-Heers, das sich selbst Los Tupamaros nannte, kam einem Exodus der gesamten damaligen uruguayischen Landbevölkerung gleich: Zu Fuß, auf Pferden und in Planwagen wälzte sich ein unüberschaubarer Troß quer durch die Banda Oriental.
Ein gutes Jahr später, im Oktober 1812, belagerten argentinische Truppen erneut Montevideo mit dem Ziel, die Banda Oriental der argentinischen Konföderation einzuverleiben. Artigas schloß sich zwar dieser Belagerung an, jedoch formulierte ein von ihm organisierter Kongreß im April 1813, an dem Vertreter aller Regionen der Banda Oriental teilnahmen, seine Vorstellungen einer Konföderation der La-Plata-Provinzen: absolute Unabhängigkeit von Spanien, republikanische Regierung, Gewaltenteilung, Garantie der bürgerlichen Freiheitsrechte, Respektierung der Autonomie der einzelnen Provinzen, Abschaffung aller Handelsprivilegien für Buenos Aires.
Die letzten beiden Punkte waren für die Unitarier aus Buenos Aires inakzeptabel. Daraufhin zogen sich Artigas und seine Anhänger von der Belagerung Montevideos zurück, die im Juni 1814 mit der Eroberung der Stadt durch die argentinischen Truppen endete.
Daraufhin begann ein neues Kapitel der Geschichte: der Kampf uruguayischer Rebellen nicht gegen eine koloniale, sondern gegen eine lokale Macht. Mit Erfolg: Nur wenige Monate später, im Februar 1815, mußten sich die Argentinier aus Montevideo zurückziehen, da sie dem Druck der Artiguisten nicht standhalten konnten.
Artigas kontrollierte nun die gesamte Banda Oriental und begann umgehend, sie nach seinen Vorstellungen umzugestalten: Er vereinigte die argentinischen Provinzen Misiones, Corrientes, Entre Ríos, Santa Fé und Córdoba, die traditionell unter dem Zentralismus von Buenos Aires zu leiden hatten, mit der Banda Oriental zu einer Bundesliga (Liga Federal). Zum Schutz der Binnenproduktion der Liga wurde im selben Jahr (1815) eine Zollverordnung erlassen, die den Import ausländischer Waren, die mit der nationalen Produktion konkurrierten, mit hohen Steuern belegte.
Unter dem Motto "Die Unglücklichsten sollen die Meistbegünstigten sein" wurde in diesem "Revolutionsjahr" 1815 auch eine Agrarreform durchgeführt, in der die Latifundien der spanischen Großgrundbesitzer entschädigungslos enteignet und unter der mittellosen Landbevölkerung aufgeteilt wurden.
Die Banda Oriental, die zuvor immer konservativer als ihre Umgebung gewesen war, war unter Artigas in eine revolutionäre Zelle mutiert, die eine Gefahr für die Region darstellte. 1816 marschierten deshalb brasilianisch-portugiesische Truppen in die Banda Oriental ein. Montevideo selbst fiel 1817, und die Banda Oriental wurde als "Cisplatanische Provinz" Brasilien einverleibt. Die Kämpfe gegen die "Revolution der Armseligen" unter Artigas zogen sich jedoch, trotz der Schützenhilfe aus Buenos Aires für die Brasilianer/Portugiesen, noch einige Jahre hin und konnte erst 1820 vollständig niedergeschlagen werden.
Nach seiner Niederlage floh Artigas 1820 nach Paraguay, wo er bis zu seinem Tode (dreißig Jahre später in Asunción in völliger Zurückgezogenheit lebte.
Der "Befreier" Lavalleja und die "33 Orientalen"

Nach der argentinischen Besatzung war Uruguay also unter brasilianische Herrschaft geraten. Dies blieb so, bis die "33 Orientalen" auf den Plan traten, das heißt der als "Befreier" Uruguays in die Annalen eingegangene Juan Antonio Lavalleja und seine Mitstreiter.
Am 19. April 1825 überquerte diese kleine Schar den Río Uruguay und vereinigten sich später mit den patriotischen Mannen unter der Führung von José Fructuoso Rivera, dem späteren Begründer der "Colorados". Das 100 km nördlich von Montevideo gelegene Florida wurde zum Sitz einer provisorischen Regierung. Am 25. August 1825 wurde schließlich die Unabhängigkeit Uruguays ausgerufen (heute Nationalfeiertag).

Doch eine Proklamation allein schafft noch keine Realität. Die Kämpfe zogen sich entscheidungslos über Jahre hin - bis die Brasilianer den strategischen Fehler begingen eine Seeblockade über die La-Plata-Häfen zu errichten, wodurch britische Handelsinteressen in der Region direkt tangiert wurden.
Seit der Seeschlacht bei Trafalgar, wo die spanische Flotte von den Briten unter der Führung von Admiral Nelson am 21. Oktober 1805 vor ihrer eigenen Küste veresenkt worden war, war England die unumstrittene Weltmacht Nummer 1. Und als solche verteidigte sie ihre Interessen.
Auf britischen Druck hin wurde am 27. August 1828 der "Frieden von Río de Janeiro" unterzeichnet, eine Interessensregelung zwischen Argentinien und Brasilien unter Londoner Regie, in der auch (de facto ohne uruguayische Beteiligung) die Unabhängigkeit Uruguays anerkannt wurde, denn dieser Vertrag sah die Gründung eines unabhängigen und souveränen Uruguay vor.

Die wahren "Befreier" Uruguays waren also nicht aus Argentinien über den Río Uruguay ins Land gekommen, sondern (aus England) über den Atlantik. England wollte einen Puffer zwischen Argentinien und Brasilien - und fand ihn in Uruguay.
Am 18. Juli 1830 wurde die erste Verfassung Uruguays verabschiedet (heute nationaler Feiertag), die jedoch von einer modernen Staatsverfassung noch weit entfernt war.
Die kommenden Jahrzehnte waren jedoch von kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern und Bürgerkriegen gekennzeichnet.
Die Bürgerkriege


Der erreichte Frieden währte nicht lange. Die beiden ersten Kontrahenten waren die beiden ersten Präsidenten des jungen Staatswesens: José Fructuoso Rivera, der die in Montevideo konzentrierten Handelskreise repräsentierte, und sein ehemaliger Mitstreiter in der Truppe der "33 Orientalen", Manuel Oribe, die Speerspitze der Interessen des Agrarsektors.
Grund für die Bürgerkriege waren Interessenskonflikte zwischen den beiden oligarchischen Hauptströmungen, dem Handelssektor und dem Agrarsektor. Der Handelssektor war auf Grund seiner Geschäftsinteressen mehr an offenen Grenzen gelegen, der Agrarsektor neigte eher zu Protektionismus. Diese Gegensätze führten bereits 1836 zu einem Bürgerkrieg zwischen den Blancos unter Präsident Manuel Oribe und den Colorados unter Oribes Vorgänger Fructuoso Rivera. Auslöser für diesen Konflikt war die Anschuldigungen Oribes, die besagten, daß Rivera Geld unterschlagen und auch andere schwerere Amtsverstöße begangen hatte. Daraufhin zog dieser gegen jenen zu Felde.
Bei dieser Gelegenheit wurden auch die (durchaus offiziellen) Parteinamen dieser beiden Gruppierungen geboren: Zur Kenntlichmachung bestückte Oribe seine Mannen mit weißen Armbinden (daher der Name "Blancos", die "Weißen"), die zudem die Aufschrift "Verteidiger der Gesetze" zierte. Rivera seinerseits versah seine Leute zunächst mit in einem hellen Blau gehaltenen Armbinden (entsprechend der Nationalfarbe Uruguays), die jedoch in der Sonne ausbleichten und von den weißen seines Kontrahenten kaum noch unterscheidbar waren. Pragmatisch wurden die untauglichen Binden gegen rote ausgetauscht - und die "Colorados", die "Roten", waren geboren.

Rivera gewann dieses Kräftemessen. Oribe ging 1838 nach Buenos Aires ins Exil, wo er Verbündete für seinen Kampf suchte und in dem argentinischen Diktator Juan Manuel de Rosas auch fand, der Uruguay nach wie vor der Argentinischen Föderation einverleiben wollte. 1843 kehrte Oribe mit argentinischen Truppen zurück. Es begann die "Guerra Grande", der "Große Krieg", eine neun Jahre dauernde Belagerung Montevideos (1843 - 1852), in die sich auch Brasilien einschaltete (auf Seiten Riveras), das sich gerne die Latifundien von Oribe und seinen Getreuen im Norden des Landes einverleibt hätte.
Am Schluß mußte die Belagerung abgebrochen werden. Ausschlaggebend dafür war einmal mehr das Verhalten der Großmächte England und (in diesem Fall auch) Frankreich gewesen, die mit ihren Kriegsschiffen, sekundiert von dem italienischen Condottiere Giuseppe Garibaldi, die Zufahrt zum Montevideaner Hafen offenhielten (und somit die Versorgung der Stadt und die Aufrechterhaltung des Handels gewährleisteten), während sie über Argentinien eine Seeblockade verhängten. 1851 mußte deswegen de Rosas, innenpolitisch unter Druck geraten, seine Truppen vor Montevideo zurückrufen. Oribe konnte sich alleine nicht lange halten und mußte aufgeben.
Der Invasionsversuch war zwar abgeschlagen worden, Rivera und mit ihm Montevideo waren siegreich geblieben, doch hatte die Stadt durch die neunjährige Belagerung erheblich gelitten.
In Europa hatte dieser Krieg ziemlich Aufsehen erregt, mit starken Sympathien auf Seiten Montevideos und der Colorados. Die Presse hatte - in romantischer Verklärung - gar das Schlagwort von einem "neuen Troja" geprägt.
1855 kam es zwischen den beiden Gruppen erneut zu Auseinandersetzungen, die mit kurzen Unterbrechungen bis nach 1865 andauerten und ihren Höhepunkt im "Dreibund-Krieg" ("Guerra de la Triple Alianza") fanden.
Der Dreibundkrieg

Der nächste bewaffnete Schlagabtausch zwischen Colorados und Blancos ließ jedoch nicht lange auf sich warten, dieses Mal sogar noch auf größerer Bandbreite: 1863 rüstete der Colorado-General Venancio Flores gegen die nun amtierende Blanco-Regierung unter Bernardo Prudencio Berro. Flores gewann erneut Brasilien und dieses Mal auch Argentinien als Bundesgenossen, die Truppen und vor allem Waffen beisteuerten, während sein Kontrahent Berro Paraguay auf seine Seite ziehen konnte.
Das Ergebnis war der verheerende "Dreibund-Krieg" ("Guerra de la Triple Alianza"), faktisch ein fünf Jahre dauernder uruguayischer Vernichtungsfeldzug gegen Paraguay, den Flores schließlich zwar gewann - vor allem Dank der brasilianischen Waffenlieferungen -, aber zu einem hohen Preis, kamen doch auch sage und schreibe 95% seiner eigenen Truppen bei dem Gemetzel um.
Flores konnte sich seines Pyrrhus-Sieges nicht lange freuen. 1868 wurde er ermordet - am selben Tag wie sein Widersacher Berro.
Beide Parteien waren durch dieses ewige Chaos erschöpft. So kam es 1870 zu einer ersten Befriedung dieser zermürbenden Parteienfehden. Blancos und Colorados schlossen einen Pakt, in dem ihre jeweiligen Einflußsphären definiert wurden: Montevideo und der Küstenstreifen für die Colorados, das Hinterland mit seinen Agrargebieten für die Blancos, die Polizeigewalt über vier Departamentos mit eingeschlossen. Diese Aufteilung entsprach auch den realen Einflußgebieten. Den Blancos wurde außerdem ihr 'Verzicht' auf Montevideo durch die Beigabe von einer halben Million Dollar leichter gemacht.
Jedoch die Caudillo-Mentalität war zu tief in den Köpfen vieler verankert. Die Politik des Interessensausgleichs, den die Regierungen zwischen 1868 und 1875 suchten, wurde immer wieder dadurch torpediert, daß verschiedene lokale Führer ihre Parteien zur Austragung ihrer Privatfehden benutzten.
Die beginnende Konsolidierung

Um diesen die Ressourcen des Landes auszehrenden Parteienhader endlich zu stoppen, kam es so zur Errichtung einer für das Land durchaus produktiven Diktatur (1875-1890) fortschrittsorientierter Militärs. Unter dem Colorado Oberst Lorenzo Latorre (1875-1879) wurde mit der Modernisierung der ländlichen Produktionsstruktur begonnen, wodurch die Agrarexporte kräftig gesteigert werden konnten. Mit Hilfe europäischen Kapitals wurde die Infrastruktur des Landes verbessert (Eisenbahn, Banken und Versicherungen etc.).
Nach dieser Konsolidierung kehrte 1890 mit Präsident Julio Herrera y Obes das zivile Element in die Politik zurück. 1897 und 1904 kam es zwar noch einmal zu bewaffneten Putschversuchen, dieses Mal organisiert und getragen von dem Blanco-Caudillo Aparicio Saravia, die jedoch ohne Erfolg blieben.
Uruguays Eintritt in die Moderne

Zusammenfallend mit der Jahrhundertwende und flankiert von einer das Land begünstigenden internationalen Konjunktur trat Uruguay nun in eine lang andauernde Epoche der Demokratisierung und Prosperität ein, die stark mit dem Namen eines Mannes verbunden ist: José Batlle y Ordóñez, Begründer des sog. "Batllismo", der auch heute noch in Uruguay dominierenden politischen Strömung (und im übrigen Großvater des am 28. November 1999 zum Präsidenten gewählten Jorge Batlle). Er war, nach einer kurzen Interimspräsidentschaft anno 1899, zweimal uruguayischer Präsident (1903-1907 und 1911-1915) und schuf, v.a. in seiner zweiten Amtsperiode, den uruguayischen Sozialstaat.
Der Batllismo reflektierte den grundlegenden demographischen und sozio-ökonomischen Wandel, den Uruguay durchlaufen hatte. Viele neue Einwanderer waren aus Europa ins Land gekommen, die sich vorwiegend in den Städten (an erster Stelle Montevideo) angesiedelt hatten und den traditionellen Parteifehden ablehnend gegenüberstanden. (Uruguay hatte 1908 1.042.688 Einwohner, 30% davon in Montevideo).
Unter Batlles Führung entstand die erste soziale Demokratie des Kontinents (früher noch als in vielen europäischen Ländern), eingebettet in eine expandierende Wirtschaft. Sie brachte Uruguay den bis heute bestehenden Ruf der "Schweiz Amerikas" ein. Seine Politik zielte auf eine Stärkung des Agrarsektors, der mit seinen Exporten die Haupteinnahmequelle des Landes darstellte, sowie auf eine Stärkung der Binnennachfrage (durch eine Erhöhung der Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten) und den Ausbau der heimischen Industrialisierung.
Die Einführung des Acht-Stunden-Tages, eines Renten- und Arbeitslosenversicherungssystems, Unfallversicherung, gesetzliche Regelung der Frauenarbeit, Mindestlöhne, bezahlter Urlaub, Gesetze zum Schutz der Familie waren ein Teil des unter Batlle auf den Weg gebrachten und von seinen Nachfolgern fortgeführten sozialen Reformwerks, das auch mit politischen Strukturreformen einherging (neue Verfassung von 1919), zum Beispiel einer Umwandlung der traditionellen Caudillo-Parteien in moderne Volksparteien.
Neuzeit
Uruguay zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Uruguay war damals eine der fortschrittlichsten Nationen Südamerikas, wo Schulpflicht, Versammlungs- und Pressefreiheit herrschten und ab 1916 Kirche und Staat getrennt wurden. Die Nachfolger von José Batlle y Ordóñez führten viele der Reformen in seinem Sinn weiter.
Während des 1. Weltkrieges brach Uruguay 1917 seine Verbindungen zu Deutschland ab und verpachtete im Hafen von Montevideo gekaperte deutsche Schiffe an die Vereinigten Staaten. Im selben Jahr wurde eine neue Verfassung angenommen, die die exekutive Macht zwischen dem Präsidenten und einem nationalen Verwaltungsrat aufteilte. Im Jahre 1920 trat Uruguay dem Völkerbund bei. Nach dem Tod von Batlle und der Wirtschaftskrise von 1929, welche Uruguay als export-orientiertes Land besonders hart traf, wurde Gabriel Terra Präsident und erklärte sich, nach einem gelungenen Putsch, am 31. März 1933 zum Diktator. Er löste den nationalen Verwaltungsrat und die legislativen Kräfte, die seine Macht beschränkten, auf. Während des Zweiten Weltkrieges stand Uruguay auf Seiten der Alliierten, unterhielt aber weiterhin wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zu den Achsenmächten, und war 1945 nach dem Krieg Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

Im Jahre 1930 war das Land der erste Gastgeber einer Fußballweltmeisterschaft. Im neuerbauten, damals 100.000 Zuschauer fassenden Stadion Estadio Centenario von Montevideo (Baukosten: rund 400.000 Golddollar) enden die ersten Fußball-Weltmeisterschaften (Teilnehmerländer: Argentinien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Chile, Frankreich, Jugoslawien, Mexiko, Paraguay, Peru, Rumänien, Uruguay, USA) mit einem 4:2-Finalsieg Uruguays gegen Argentinien. Der Sieg über den Nachbarn Argentinien im Finale stärkte erheblich das nationale Selbstbewußtsein.
Nachkriegszeit
1946 wurde der Kandidat der Colorados, Tomás Berreta, zum Präsidenten gewählt; er verstarb bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt. Die Regierungsperiode seines Nachfolgers Luis Batlle Berres (1947 bis 1951) brachte wirtschaftlichen Wohlstand, der vor allem durch die uruguayischen Exporte während des Koreakrieges (1950-1953) gestützt wurde. Im Jahr 1952 gab es wiederum eine neue Verfassung. Britische Unternehmen wie die Eisenbahn wurden verstaatlicht (wobei es sich hier effektiv um eine Abzahlung von Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg handelte). Wohlstand und eine Analphabetenrate von fast Null trugen Uruguay den Ruf ein, die Schweiz Südamerikas zu sein.
Am 16. Juli 1950 gewinnt Uruguay das Endspiel der vierten Fußball-Weltmeisterschaft gegen Brasilien mit 2:1 in Rio de Janeiro.
In den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 1950 konnte sich mit Andrés Martínez Trueba erneut ein Mitglied der Colorados durchsetzen. Er schaffte 1952 durch eine per Referendum bestätigte Verfassungsänderung das Präsidentenamt ab und übertrug die Regierungsgewalt einem aus neun Mitgliedern bestehenden Nationalrat.
Da Uruguay argentinischen Flüchtlingen Asyl geboten hatte, verhängte der argentinische Diktator Juan Perón Reise- und Handelsbeschränkungen über Uruguay. Die uruguayische Regierung brach daraufhin im Januar 1953 die diplomatischen Beziehungen mit Argentinien ab.
1958 wurden die Blancos nach 93 Jahren Colorado-Regierung mit großer Mehrheit gewählt. Die neue Regierung führte wirtschaftliche Reformen durch und sah in der Folge mit schweren Arbeiterunruhen konfrontiert.
Ab 1959 kam das Land in große wirtschaftliche Probleme, verursacht durch den Rückganng der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten. Dies führte zu Massenarbeitslosigkeit, Inflation und zu einen Absinken des bisherigen Lebensstandard. Es kam zu sozialen Unruhen und in Montevideo gründete sich eine Stadtguerilla. Diese Guerillas, Tupamaros genannt, überfielen zuerst Banken und verteilten gestohlenes Geld und Essen an die Armen, dann entführten sie Politiker und griffen Sicherheitskräfte an.
1966 unterstützten Blancos und Colorados gemeinsam eine Initiative zur Wiederherstellung des Präsidialsystems, der die Bevölkerung in einem Referendum zugestimmte. Ebenfalls gingen die Colorados mit dem ehemaligen General Oscar Daniel Gestido als Präsidenten siegreich aus den Wahlen hervor und lösten die Blancos in der Regierungsverantwortung ab. Die Verfassung wurde 1967 dahingehend abgeändert, als dass nun Regierungen der Blancos und Colorados einander abwechselten. Nach dem Tod Gestidos 1967 übernahm der Vizepräsident Jorge Pacheco Areco das Präsidentenamt. Pacheco löste mit seiner Politik der restriktiven Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation große Unruhen aus, und die Tupamaros verstärkten ihre terroristischen Aktionen gegen die Regierung. 1968 erklärte Präsident Jorge Pacheco Areco den Notstand und vier Jahre später wurden von seinen Nachfolger, Juan María Bordaberry, die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt.
Machtübernahme der Militärs
Am 27. Juni 1973, inmitten einer Wirtschaftskrise mit hoher Inflation, entschloss sich das Militär zur Schließung des Kongresses und zur Übernahme der Macht. Die Gewerkschaft CNT (Convención Nacional de Trabajadores=Nationale Übereinkunft der Arbeiter) konterte mit einem landesweiten Streik, der am 11. Juli von der Regierung gewaltsam niedergeschlagen wurde. Am 11. August verloren die Gewerkschaften ihre Autonomie, und die CNT wurde verboten. In den folgenden Jahren weitete das Militär seine Machtposition auf den Großteil der nationalen Institutionen aus und errichtete eine Militärdiktatur. Bordaberry setzte die für 1976 geplanten Wahlen ab.
Im selben Jahr Bordaberry wurde Bordaberry vom Militär gestürzt. Ein neuer Nationalrat mit 25 Zivilisten und 21 Offizieren wählte schließlich Aparicio Méndez zum Präsidenten. Eine der ersten Amtshandlungen seiner Regierung war der Entzug der staatsbürgerlichen Rechte aller Personen, die an dem politischen Geschehen zwischen 1966 und 1973 beteiligt waren. Die Zahl der politischen Gefangenen betrug 1976 etwa 6.000.
Eine Vorlage für eine neue Verfassung wurde allerdings am 30. November 1980 von 57,2 % der Wahlberechtigten abgelehnt. Im September 1981 trat der als gemäßigt geltende General Gregorio Álvarez Armelino das Präsidentenamt an. Die im Zug des Demokratisierungsprozesses vom Militär erneut zugelassenen Parteien hielten 1982 innerparteiliche Wahlen ab, um sich auf die für 1984 vorgesehenen Parlaments- und Präsidentenwahlen vorzubereiten. Im Jahr 1984 nimmt der Protest gegen Militärregierung massiv zu. Nach einem 24-stündigem Generalstreik bereitete das Militär daraufhin ein Programm vor, die Macht an eine Zivilregierung zurückzugeben.
Rückkehr zur Demokratie
Im Februar 1985 fanden Präsidentschaftswahlen statt, der Wahlsieger war Julio María Sanguinetti von der sozialliberalen Colorado-Partei (PC), einer der führenden Widerständler gegen die Militärregierung. Mit ihm folgte nach langer Zeit wieder ein Zivilist als Präsident. Damit endet die fast zwölfjährige Militärdiktatur in Uruguay. Trotz eines Auslandsschuldenberges von über fünf Milliarden US-Dollar und einer Inflation von mehr als 70 Prozent gelingt es, innerhalb kürzester Zeit für den wirtschaftlichen Aufschwung Uruguays zu sorgen, indem er sich auf die Förderung des Außenhandels konzentrierte und im Innern Reformen zur wirtschaftlichen Stabilisierung durchsetzt (Verringerung der Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst, Erhöhung der Mineralölsteuer, Modernisierung von Staatsbetrieben, Rentenreform usw.). Diese Maßnahmen zeigten Erfolg und stabilisierten die Wirtschaft. Um nationale Versöhnung zu fördern und die Rückkehr zur Demokratie zu erleichtern, sicherte Sanguinetti mit der allgemeine Zustimmung durch Volksabstimmung eine umstrittene allgemeine Amnestie für die ehemaligen militärischen Führer und beschleunigte die Freigabe der ehemaligen Bandenkämpfer.Er war Präsident von 1985 bis 1990.
Zwischen 1990 und 1995, war Luis Alberto Lacalle der Nationalen Partei (Partido Nacional) Präsident. Während seines Mandates führte er sein Land 1991 in den Mercosur, vollzieht ein Währungsreform (1 Peso Uruguay ersetzt nun 1.000 Neue Peso, die bis dahin gültige Währung) und er erließ ein Amnestiegesetz für Folterungen des Militärs während der Diktatur (Ley de Caducidad). Trotz des Wirtschaftswachstums während der Regierungsdauer Lacalles, erregten Privatisierungsbemühungen die politische Opposition, einige Verbesserungen wurden durch Referendum umgeworfen.
Jedoch beschäftigt die Öffentlichkeit immer noch das Verschwinden von Personen in der Zeit der Militärdiktatur. Präsident Batlle setzte am 9. August 2000 eine "Kommission für den Frieden" zur Aufklärung der Verschwundenenschicksale ein, deren Aufklärungsbemühungen durch die Militärs unterstützt werden.

Zwischen 1995 und 2000 war Julio María Sanguinetti erneut Präsident. Die Regierung Sanguinetti setzte Uruguays ökonomische Verbesserungen und Integration in den MERCOSUR fort. Andere wichtige Verbesserungen waren in den Bereichen des Wahlsystems, der Sozialversicherung, der Ausbildung und der allgemeine Sicherheit. Die Wirtschaft wuchs ständig bis niedrige Rohstoffpreise und ökonomische Schwierigkeiten zu einer Rezession führten, die sich 2002 fortgesetzt hat. Jorge Batlle Ibáñez gewann die Wahlen im Jahr 2000 und regierte bis 2005. Seine Regierungszeit wurde gezeichnet durch ökonomischer Rezession und Ungewissheit. Zuerst durch die Abwertung 1999 vom brasilianischen Real und dann durch den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, die einen der Hauptwirtschaftszweigen Uruguays empfindlich traf, und schließlich durch den politischen und ökonomischen Einsturz von Argentinien 2001. Im Jahr 2002 kam es im Zuge der Argentinien-Krise zu einer Bankenkrise, infolge dessen mehrere Banken umstrukturiert werden mussten und einige auch geschlossen wurden.
Die Präsidentschaftswahlen im Oktober 2004 markierten einen Wandel: Erstmals in der Geschichte des Landes, das seit der Unabhängigkeit im Jahr 1828 abwechselnd von den Colorados und den Blancos regiert wurde, entschieden sich die Wähler für einen linksgerichteten Kandidaten, den ehemaligen Oberbürgermeister von Montevideo, Tabaré Vázquez. Er war von einem Bündnis mehrerer linksgerichteter Parteien aufgestellt worden, dem Frente Amplio (Breite Front), und hatte sich bereits im ersten Wahlgang mit 51 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Am 1. März 2005 löste er Batlle im Präsidentenamt ab.
Auswirkungen der Argentinien-Krise
Am 4. August 2002 gewährten die USA Uruguay einen Sofortkredit von 1,5 Milliarden US-Dollar, der das Bankensystem bis zur Gewährung neuer Kredite des IWF (Internationaler Währungsfonds) stabilisieren sollte. Uruguay, das viele Jahre als „Schweiz Lateinamerikas“ galt, hatte zu dieser Zeit mit großen wirtschaftlichen und finanziellen Problemen zu kämpfen. Hauptschuld trug die von Argentinien überschwappende Krise, die die seit vier Jahren andauernde Rezession stark verschärft hatte.
Ende 2001 war der Export nach Argentinien, neben Brasilien der wichtigste Handelspartner Uruguays, fast völlig zum Erliegen gekommen. Zudem griffen viele Argentinier auf ihre Bankguthaben in Uruguay zurück, nachdem die argentinische Regierung die Sparkonten im Dezember sperren ließ. Rund 1,5 Milliarden US-Dollar flossen im Januar und Februar 2002 aus dem uruguayischen Bankensystem ab.
Anfang Juni gingen Staatschef Jorge Luis Battle Ibáñez die Nerven durch: Er bezeichnete in einem Interviev im nordamerikanischen Nachrichtensender Bloomberg-TV die Argentinier – alle, „vom ersten bis zum letzten“ – als einen „Haufen Gauner“ und sparte auch nicht an bösen Worten über seinen argentinischen Amstkollegen Eduardo Duhalde. Auf einer Art Canossa-Gang nach Buenos Aires entschuldigte sich Battle am 4. Juni persönlich bei Duhalde und dem argentinischen Volk.
Am 20. Juni sah sich Uruguay angesichts der in den Monaten zuvor um zwei Drittel gesunkenen staatlichen Devisenreserven gezwungen, den Wechselkurs des Peso gegenüber dem US-Dollar freizugeben. Als die Währungsreserven im Juli um mehr als die Hälfte gesunken waren – nun hatten auch viele verunsicherte einheimische Bankkunden ihre Einlagen panikartig abgezogen –, ordnete die Regierung schließlich am 30. Juli eine zunächst auf einen Tag beschränkte, dann aber bis 2. August verlängerte Schließung der Banken an. Dies löste bei der Bevölkerung massive Proteste und Unruhen aus. Am 1. August folgten Tausende einem Aufruf der Gewerkschaften zu einem vierstündigen Generalstreik, der in den Armenvierteln Montevideos in schwere Ausschreitungen und Plünderungen von Geschäften ausuferte. Die Regierung reagierte mit der Entsendung tausender Sicherheitskräfte, die in den Straßen und Einkaufszentren wieder für Ruhe sorgten.
Bereits am 16. April hatten sich in Montevideo rund 100.000 Menschen versammelt, um gegen die „neoliberale“ Politik der Regierung zu protestieren, und am 12. Juni hatte ein 24stündiger Generalstreik ganz Uruguay lahmgelegt. Dabei hatten erstmals seit 1984, als die damalige Militärregierung vor dem Zusammenbruch stand, Gewerkschaften und Unternehmer an einem Strang gezogen, das heißt sie forderten dirigistische Maßnahmen zum Schutz des sozialen Besitzstands, der nationalen Industrie und Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur. Zudem wehrten sie sich gegen weitere Steuererhöhungen.
Literatur
- Schröter, Bernd: Die Entstehung einer Grenzregion. Lateinamerikanische Forschungen, Band 28 Wirtschaft, Gesellschaft und Politik im kolonialen Uruguay 1725-1811., Verlag: Böhlau, ISBN 3-412-07399-7
- Rosencof, Mauricio, Huidobro, Eleuterio Fernández: Wie Efeu an der Mauer. Erinnerungen aus den Kerkern der Diktatur., Verlag: Assoziation A, ISBN 3-922611-14-1
- Christoph Wagner: Politik in Uruguay 1984-1990,Verlag: LIT Verlag, ISBN 3894730994
- R. Keifu: Erste Fußball-Weltmeisterschaft 1930 in Uruguay Verlag: Agon, ISBN 3897840146
- Alain Labrousse: Die Tupamaros. Stadtguerilla in Uruguay Verlag: Hanser, ISBN 344611419X
Siehe auch
- Liste der Präsidenten Uruguays
- Liste der Vizekönige vom Río de la Plata
- Argentinisch-Brasilianischer Krieg