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Betreuungsrecht

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Die Auswirkungen der verfassungskonformen Auslegung durch den BGH

Im folgenden die Ansicht eines Verfassers, das das Betreuungsrecht verfassungswidrig ist, wenn es nicht verfassungskonform ausgelegt wird. Diese Auffassung wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur so aber sonst nicht vertreten. Der Autor vermutet, dass sie einfach nur nicht gestellt wurde, und wertet dies als Beleg für die Verletzung der Grundrechte der Betroffenen, die auf die mangelhafte gesellschaftliche Lobby der Betroffen zurück zu führen sei.

Der Betreuungsrechtsexperte Dr. Tobias Fröschle, Professor für Familienrecht an der Universität Siegen, stütz die Argumentation des Autors. "Die Wissenschaft müssen Sie da von nichts überzeugen" schrieb er dem Autor. Der Autor verweist auf die aus seiner Sicht verfassungskonforme Auslegung des Betreuungsrechts durch den BGH Beschluss vom 17. März 2003 (BESCHLUSS XII ZB 2/03). In diesem Artikel beschäftigt er sich mit den Auswirkungen des Beschluss.

Das Betreuungsrecht ist nach Ansicht des Autors nur verfassungskonform, wenn es entsprechend ausgelegt wird. Laut Grundgesetz hat jeder Mensch, also auch der Betreute, ein Recht auf Würde, Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person und Gleichheit vor dem Gesetz. In diese Rechte darf per Gesetz eingeriffen werden, aber nicht willkürlich. Das Wesen der Grundrecht muß erhalten bleiben.

Das Berteuungsrecht wurde diesen Vorgaben nach Auffassung des Autors bislang nicht gerecht, da das "Wohl" des Betreuuten, das nach § 1901 und 1906 BGB Maßstab für das Handeln des Betreuers ist, durch den Betreuer bestimmt wurde. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung und Gleiheit vor dem Gesetz wurde nach Auffassung des Autors dadurch willkürlich verletzt. Provokant möchte der Autor an dieser Stelle formulieren, dass es zu NS-Zeiten üblich war, das Ermorden der Betroffenen mit deren "Wohl" zu begründen.

Der BGH stellte mit seinem Beschluß vom 17.03.2003 klar, dass das "Wohl" des Betreuten vorrangig durch ihn selbst zu bestimmen ist (subjektive Auslegung). Das hat nach Ansicht des Autors in erster Linie Konsequenzen bei der ärztlichen Behandlung des Betreuten. Diese ist gegen den Willen des Betreuten nach Auffassung des Autors nur dann statthaft, wenn die Gefährdung von Rechtsgütern des gleichen Rangs damit verhindert werden kann.

In diesem Zusammenhang möchte der Autor auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in einer Unterbringungssache nach Unterbringunsgesetz (nicht nach Betreuungsrecht) verweisen (BVerfGE 58, 208, 224 ff). Das Bundesverfassungsgericht billigte dem Betroffenen eine "Freiheit zur Krankheit" in gewissen Grenzen zu, sah in der Unterbringung des Betroffenen aber die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Es entschied nicht, wo die Grenzen für die Zulässigkeit des Eingriffs in die Grundrechte des Betroffenen zu verlaufen haben.

In der Interpretation des Beschluss des BGHs vom 17.03.03 sind diese Grenzen nach Auffassung des Autors in der Anwendung des § 34 StGB (Rechtfertigender Notstand) als Maßstab für den Konfliktfall zwischen Betreuten und Betreuer zu sehen. Der Betreuer darf nur dann mit Rückgriff auf ein von ihm angeführtes "objektives Wohl" gegen das durch den natürlichen Willen des Betreuten ausgedrückte "subjektive Wohl" des Betreuten handeln, wenn dies verhältnissmäßig ist.

Da es wissenschaftlich sehr fragwürdig ist, ob der Mensch überhaupt einen freien Willen hat, muß die Unterscheidung zwischen Betroffenen, die einen freien Willen haben und daher nicht gegen ihren Willen betreut werden dürfen, und solchen, die "nur" einen natürlichen Willen haben, willkürlich sein. Zur Auslegung des Freien Willen in diesem Zusammenhang siehe: BGH, Urteil v. 05.12.1995 - XI ZR 70/95 (KG).

Die Sachverständigen Georg Doegge (Richter am AG Essen) und Dr. Bernhard Knittel (Richter am BayOLG München) führen im Rahmen ihrer Stellungnahmen zur geplanten Änderung des Betreuungsrechts unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtssprechung an, das der Staat nicht das Recht hat, die Betroffenen zu bessern, zu erziehen oder daran zu hindern, sich selbst zu schädigen, wenn sie über einen freien Willen verfügen (FamRZ 1994, 720; BtPrax 1998, 30; OLG Frankfuhrt Bt Prax 1997, 123 /Ls; OLG Hamm FamRZ 1995, 1519; BayObLG FamRZ 1995, 510; BVerGE 22, 180, 219f; DAVorm 1997, 55).

Aus verfassungsrechtlichen und ethischen Gründen und den oben angeführten methodischen Problemen ist es nach Auffasung des Autors nicht gerechtfertigt, zwischen Menschen mit "freien Willen" und solchen mit "natürlichem Willen" zu unterscheiden. Dennoch wird durch den Autor die mangelnde Entscheidungsfähigkeit des Betreuuten nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Allerdings möchte der Autor darauf verweisen, dass das Betreuungsgesetz nur bestimmte Personengrupen erfasst, die nach bisheriger Rechtsauffassung gegen ihren Willen körperverletzend behandelt werden durften, wenn sie einwilligungs-unfähig waren, wohingegen alle übrigen Personenkreise auch dann den Eingiff in die körperliche Unversehrtheit ablehnen können, wenn sie nur über einen "natürlichen Willen" verfügen. In dieser Praxis sieht der Autor ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzt und gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

Jede medizinische Behandlung ist nach durchgängiger Rechtssprechung eine Körperverletzung, die nur dann nicht rechtswidrig ist, wenn der Patient in die Behandlung einwilligt, so Prof. Dr. Walter Zimmermann, Präsident des Langerichts Regensburg. Das BGB kennt zahlreiche Regelungen insbesondere im Zusammenhang mit der Geschäftsfähigkeit für den Fall, dass Personen nicht über ihren freien Willen verfügen. Dennoch dürfen diese Personen in diesen Fällen nicht ohne weiteres gegen ihren Willen behandelt werden.

Kommt es nun zum Konflikt zwischen Betreutem und Betreuer z.B. über die ärztliche Behandlung, ist nach Auffasung des Autors nach dem durch § 34 StGB vorgegebenen Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu verfahren. Ein Beinbruch darf also auch weiterhin gegen den Willen des Betroffenen behandelt werden, die Gabe von Psychopharmka darf nach Auffassung des Autors aber nur in Fällen gegen den Willen des Betroffenen geschehen, in denen ein der körperlichen Unversehrtheit gleichwertiges Rechtsgut des Betroffenen oder Dritter gefährdet ist. Hierin sieht der Autor die verfassungsgemäßen Grenzen für Rechtfertigung der Grundrechtsverletzung des Betroffenen.

Josua Vogelbusch

Literatur

Georg Dodegge, Bernhard Knittel in: Zusammenstellung der Stellungsnahmen der Sachverständigen zur Betreuungsrechtsreform. Deutscher Bundestag; Rechtsausschuss; Berlin 2004

Tobias Fröschle: Maximen des Betreuerhandelns und die Beendigung lebenserhaltender Eingriffe in: Juristenzeitung - Heft 2, 2000

Walter Zimmermann: Betreuungsrecht von A-Z. 2. Auflage; Beck-Rechtsberater im dtv; u.a. München 2001

Walter Zimmermann: Betreuungsrecht 1999. 4. Auflage; Beck-Rechtsberater im dtv; u.a. München 1999