Bauernstruktur
Die Bauernstruktur beschreibt im Schach die Position der einzelnen Bauern zueinander, ohne Berücksichtigung der sonstigen Figuren. Die Bauernstruktur ist ein wesentlicher Aspekt der Stellungsbewertung. Da Bauern langsamer ziehen als Figuren, behalten Bauernstrukturen oft über längere Phasen in der Partie ihren Charakter bei und bestimmen dadurch oft die langfristigen Pläne der beiden Spieler. Dies brachte Philidor durch das bekannte Zitat zum Ausdruck:
„Bauern sind die Seele des Schachspiels“
Allgemeine Klassifizierung
Man unterscheidet bei der Klassifizierung von Bauernstrukturen folgende drei Fälle:[2]
Offene Bauernstruktur
Von einer offenen Bauernstruktur spricht man, wenn sich zwischen den Bauern große Räume bieten, sodass die anderen Figuren in ihrer Bewegungsfreiheit durch die Bauern kaum behindert werden. Oft finden in einer offenen Struktur wiederholte Bauerntäusche statt. Häufig resultieren aus offenen Bauernstrukturen zudem offene oder zumindest halboffene Linien, sodass solche Bauernstrukturen meist mit offensivem Spiel verbunden sind.
Typische Zugfolgen und Eröffnungen bei offenen Bauernstrukturen
Typische Zugfolgen, die in einer offenen Bauernstruktur münden, sind z. B.
1. e4 - e5 2. Sf3 - Sc6 3. d4 oder 1. e4 - e5 2. d4 - exd4 3. c3 oder 1. d4 - d5 2. c4 - c5
Typische Eröffnungen, die zu einer offenen Bauernstruktur führen, sind z. B. die Hauptvariante der Italienischen Partie mit 5. d2-d4, Schottisch und Spanisch sowie Gambits.
Halboffene Bauernstruktur
Bei einer halboffenen Bauernstruktur sind zwar Räume zwischen den Bauern vorhanden, diese sind aber nicht allzu groß und können nicht immer zur Entwicklung genutzt werden (z. B. bei Französisch: Für den Läufer c8 bleibt nur das Feld d7, welches aber kein ideales Feld ist. Aus diesem Grund wird übrigens oft Caro-Kann statt Französisch gespielt, was aber auch Nachteile hat). Bauerntäusche finden eher selten statt, und selbst wenn, werden dabei meist keine Linien offen. Eine solche Bauernstruktur führt vorerst zu etwas passiverem Spiel, lässt aber die Möglichkeit schneller, überraschender Angriffe noch zu.[3]
Typische Zugfolgen und Eröffnungen bei halboffenen Bauernstrukturen
Typische Zugfolgen, die in einer halboffenen Bauernstruktur münden, sind z. B.
1. e4 - e6 2. d4 - d5 3. Sc3 - dxe4 oder 1. e4 - c5 2. Sf3 - Sc6 3. d4 - cxd4
Typische Eröffnungen, die zu einer halboffenen Bauernstruktur führen, sind z. B. Französisch, Caro-Kann, die Sizilianische Verteidigung und einige Englischvarianten bzw. einige Systeme des Abgelehnten Damengambit und Angenommenen Damengambit.
Geschlossene Bauernstruktur
Geschlossene Bauernstrukturen bieten keine oder fast keine Räume zwischen den Bauern, oft ist die Struktur so, dass sich gegnerische sowie eigene Bauern blockieren und Bauerntäusche daher nicht möglich sind. Daher gibt es keine freien Diagonalen oder Linien. Oft werden die Figuren aufgrund des Platzmangels suboptimal oder gar nicht entwickelt. Das Spiel ist fixiert auf Sicherheit und oft sehr defensiv. Fehler Vorlage:Schachbrett: Die Einbindung mit alter Syntax ist nicht mehr möglich!
Hilfe zur Umstellung auf die neue Syntax gibt es unter Vorlage:Schachbrett/KonvertierenSchnelle Angriffe sind selten, meist wird erst die Entwicklung vollständig abgeschlossen.
Typische Zugfolgen und Eröffnungen bei geschlossenen Bauernstrukturen
Typische Zugfolgen, die in einer geschlossenen Bauernstruktur münden, sind z. B.
1. d4 - c5 2. d5 - e5 oder 1. e4 - g6 2. d4 - Lg7 oder 1. Sf3 - d5 2. g3 - Sf6 3. Lg2 - c6 oder 1. b2-b3
Typische Eröffnungen, die zu einer geschlossenen Bauernstruktur führen, sind z. B. die Moderne Verteidigung, einige Französisch- und Englischvarianten sowie einige Varianten indischer Eröffnungen.
Symmetrische und asymmetrische Bauernstrukturen
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Von einer symmetrischen Bauernstruktur spricht man, wenn sich die Positionierung der Bauern von Schwarz und Weiß spiegelbildlich gleichen oder wenigstens ähneln. Solche Stellungen entstehen z. B. häufig in der symmetrischen Variante der Englischen Partie oder in der Abtauschvariante der französischen Verteidigung. In symmetrischen Bauernstrukturen ist es oft schwierig, Schwächen in der gegnerischen Stellung zu schaffen und dadurch in Vorteil zu gelangen. Deswegen neigen symmetrische Stellungen unter starken Spielern oft zum Remis.
In asymmetrischen Stellungen besitzt ein Spieler häufig eine Bauernmehrheit in einer Bretthälfte. Bei ausgeglichenem Material hat dann sein Gegner die Bauernmehrheit auf dem anderen Flügel. Im Mittelspiel ist ein Angriff oft in der Bretthälfte vielversprechender, wo der jeweilige Angreifer die Bauernmehrheit hat. Ein solcher Majoritätsangriff hat entweder das Ziel, einen Freibauern zu schaffen oder richtet sich gegen die Bauern, die schützend vor dem gegnerischen König stehen. Diese Regel gilt jedoch nicht ausnahmslos: Besitzt ein Spieler die Bauernmehrheit am Damenflügel, so kann sein Gegner versuchen, die Bauernstruktur durch einen Minoritätsangriff zu unterminieren. Das bedeutet, dass er durch gezielte Bauernvorstöße Schwächen in der gegnerischen Bauernstruktur schafft (z. B. isolierte Bauern, Doppelbauern, etc.), und damit dessen Bauernmehrheit wertlos werden lässt oder gar beseitigt.
Außerdem gibt es in asymmetrischen Stellungen für beide Spieler halboffene Linien. Diese stellen die natürlichen Entwicklungsfelder für die Türme dar, da sie hier direkt gegnerische Bauern anvisieren können.
Im Endspiel gilt bei kurzer Rochade beider Spieler eine Bauernmehrheit auf dem Damenflügel als vorteilhafter. Wird dort ein Freibauer gebildet, so ist er für den verteidigenden König schwerer zu erreichen und aufzuhalten.
Besondere Strukturen
Bauernkette
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Unter einer Bauernkette versteht man eine Bauerngruppe, bei der sich alle beteiligten Bauern gegenseitig decken, d.h. der erste wird vom zweiten gedeckt, der zweite vom dritten usw. Dazu müssen sich die Bauern alle auf der gleichen Diagonale befinden. Einziger ungedeckter Bauer einer Bauernstruktur ist zwar der, der sich am nächsten an der eigenen Grundreihe befindet. Da dieser für den Gegner aufgrund der großen Entfernung zu den eigenen Bauern kaum erreichbar ist, versucht man oft, die Bauernkette vorne anzugreifen, was natürlich ein schwieriges Unterfangen ist, da zu viele Bauernzüge die eigene Entwicklung hinauszögern. Bauernketten schränken den Gegner in seiner Bewegungsfreiheit massiv ein, da alle Bauern Felder gleicher Farbe angreifen und so oft einem der Läufer alle Felder nehmen. Sehr oft tauchen lange Bauernketten in der Französischen Verteidigung auf, wo sich die weißen Bauern auf den Feldern b2, c3, d4 und e5 befinden bzw. beim Gegner auf f7, e6 und d5, in manchen Fällen auch noch c4. In dem Fall entstehen in der Französische Verteidigung geschlossene Stellungen.
Doppelbauer
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In einigen Partien kommt es vor, dass nach bestimmten Schlagabwicklungen zwei Bauern gleicher Farbe auf derselben Linie vorzufinden sind, oft auf unmittelbar angrenzenden Reihen. Dann spricht man von einem Doppelbauer. Da sich Doppelbauern gegenseitig nicht decken können, sind sie oft ein Nachteil für die Stellung des betreffenden Spielers. Es kann aber auch vorkommen, dass sie rasch wieder aufgelöst werden, indem man den Gegner zwingt, einen eigenen Bauern gegen den vorderen Bauern des Doppelbauers zu tauschen. Am gefährlichsten sind Doppelbauern unmittelbar vor dem König, da sie Linien frei lassen, auf denen der Gegner ungestört attackieren kann. Beispiel: Weiße Bauern auf f2 und f3 (freie g-Linie).
Freibauer
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Ein Freibauer ist ein Bauer, auf dessen Linie und den beiden benachbarten Linien sich keine gegnerischen Bauern befinden, die den Bauern auf seinem möglichen Weg zur Umwandlung blockieren oder schlagen könnten. Der Gegner muss daher Figuren benutzen, um den Freibauern am Vorrücken und schließlich an der Umwandlung zu hindern. Diese Figuren werden dadurch von anderen Aufgaben abgelenkt, was für die Partei mit dem Freibauern einen großen Vorteil darstellt.
Je weiter die Partie fortschreitet, umso größer wird die Bedeutung der Freibauern. Das Endspiel kann oft nur gewonnen werden, wenn ein Freibauer gebildet wird, und der Gegner die Umwandlung überhaupt nicht oder nur durch Materialopfer verhindern kann. Deswegen sind vor allem in Bauernendspielen Freibauern dann besonders wertvoll, wenn sie weit vom gegnerischen König entfernt und nahe dessen Grundreihe sind.
Isolierter Bauer
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Ein isolierter Bauer, häufig auch Isolani genannt, ist ein Bauer, der sich auf einer Linie befindet, an die sich rechts und links Linien anschließen, auf denen sich kein eigener Bauer befindet. Er kann leicht attackiert und nur schwer gedeckt werden, da ihn eigene Bauern nicht verteidigen können. Er bindet also eigene Figuren, wodurch sich die Stellung letztlich verschlechtert.
Rückständiger Bauer
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Dies ist ein Bauer, dessen benachbarten Bauern schon weiter vorne postiert sind und ihn daher nicht mehr decken können. Die Auswirkungen entsprechen dabei im Allgemeinen denen eines Isolanis. Beispiel: Auf d3 steht ein weißer Bauer, auf c5 steht ein zweiter und auf e5 ein dritter. Der d-Bauer ist rückständig.
Einzelnachweise
- ↑ Chess History, abgerufen: 2. April 2017
- ↑ Soltis, Andy (1995). Pawn Structure Chess. McKay. ISBN 0-8129-2529-7
- ↑ http://www.schachclub-bellheim.de/schachunterricht/caro-kann-durchzugsvariante.pdf