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Kriegserklärung Italiens an Frankreich und Großbritannien

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Menschenmasse („folla oceanica“) während der Rede Mussolinis auf der Piazza Venezia vor dem Palazzo Venezia in Rom am 10. Juni 1940

Italiens Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien war die Kriegserklärung des faschistischen Italien an die Alliierten während des Zweiten Weltkriegs. Sie erfolgte publikumswirksam am 10. Juni 1940 durch den italienischen faschistischen Diktator Benito Mussolini (1883–1945), den Führer der Nationalen Faschistischen Partei (Partito Nazionale Fascista, PNF) vom Balkon seines Regierungssitzes im Palazzo Venezia an der Piazza Venezia in Rom aus. Die Kriegserklärung war zum Zeitpunkt der Rede Mussolinis den Botschaftern Großbritanniens und Frankreichs bereits überreicht worden.

Mussolini während seiner Rede auf dem Balkon des Palazzo Venezia
Emblem der Partito Nazionale Fascista (mit Liktorenbündel)
Benito Mussolini und sein Schwiegersohn Galeazzo Ciano, März 1938
Der italienische König Viktor Emanuel III. (1869–1947) mit Gianni Caproni bei einem Besuch der größten italienischen Flugzeugfabrik, des Luftfahrtunternehmens Caproni in Predappio, dem Geburtsort Mussolinis (1939)
Die Piazza Venezia, links der Palazzo Venezia, vom Monumento Vittorio Emanuele II aus gesehen
Anachronistische Karte, die alle während des Zweiten Weltkrieges zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 1940 und 1943 vom Regio Esercito (Königliches Heer) besetzten Gebieten zeigt. Die Besetzung der jugoslawischen, griechischen, tunesischen und ägyptischen Gebiete fand in Kooperation mit den Streitkräften der deutschen Wehrmacht statt, die in den Operationen den dominierenden Teil bildete.
Das angestrebte Imperium

Vorgeschichte

Die Kriegserklärung erfolgte in der Endphase des deutschen Frankreichfeldzugs angesichts der außergewöhnlich schnellen und unerwarteten Erfolge Nazi-Deutschlands im Mai 1940. Der "Führer" (Adolf Hitler) und das damals siegreiche Deutschland nehmen in der Rede einen breiteren Stellenwert ein. Italien glaubte, die deutschen Erfolge unmittelbar für eigene territoriale Vorteile nutzen zu können.

Verlauf

Am späteren Nachmittag des 10. Juni hatte Graf Galeazzo Ciano (1903–1944), der italienische Außenminister (und Schwiegersohn Mussolinis), zunächst den französischen Botschafter André François-Poncet (um 16:30 Uhr) und kurz darauf den englischen Botschafter Percy Loraine (um 16:45 Uhr) in den Palazzo Chigi empfangen, um die offizielle Kriegserklärung zu übergeben, worin es hieß: Vorlage:Zitat-it

Mussolini hielt seine Rede abends um 18:00 Uhr in der Uniform des Primo Caporale Onorario (Erster Ehrenkorporal) der faschistischen Miliz der Schwarzhemden vor einer auf der Piazza Venezia versammelten begeisterten riesigen Menschenmenge.[1] Sie wurde vom staatlichen italienischen Radiosender Ente Italiano per le Audizioni Radiofoniche (EIAR) auch in allen größeren italienischen Städte (Mailand, Palermo, Turin, Bari, Bologna, Genua, Venedig, Neapel usw.) ausgestrahlt, mit speziellen, bereits am Nachmittag eingerichteten Lautsprechern.[2]

Die Proklamation des italienischen Königs Vittorio Emanuele folgte am nächsten Tag (Rom, 11. Juni).[3]

Reaktionen

Nach der Kriegserklärung hatte Hitler sofort zwei Solidaritäts-Telegramme geschickt, eines adressiert an den italienischen König, das andere an Mussolini.[4] Die dafür zuständigen Nazis haben die Telegramme offenbar in einem sehr fehlerhaften Italienisch verfasst.

Eine Reaktion des britischen Premierministers Churchill zur Kriegserklärung erfolgte einige Monate später ins Mikrofon von Radio London in einem Aufruf an das italienische Volk:

“There lies the tragedy of Italian history and there stands the criminal who has wrought the deed of folly and of shame.”

„Das ist die Tragödie der italienischen Geschichte. Und dies ist der Verbrecher, der diese Taten der Torheit und Schande schmiedete.“[5]

Die italienische Presse brachte die Nachricht mit großem Getöse und Aufmachern in Großbuchstaben heraus, worin begeistert Zitate aus der Rede verwendet und die vollständige Einwilligung zu den getroffenen Entscheidungen demonstriert wurden:

Corriere della sera: Folgorante annunzio del Duce ("Blendende Ankündigung des Duce").
Il Popolo d'Italia: POPOLO ITALIANO CORRI ALLE ARMI! ("ITALIENISCHES VOLK, GREIF ZU DEN WAFFEN!").
Il resto del Carlino: Viva il Duce Fondatore dell'Impero GUERRA FASCISTA ("Es lebe der Duce, der Gründer des Reiches FASCHISTISCHER KRIEG").
Il Gazzettino: Il Duce chiama il popolo alle armi per spezzare le catene del Mare nostro ("Der Duce ruft das Volk zu den Waffen, um die Ketten unseres Meeres zu sprengen").
L'Italia: I dadi sono gettati L'ITALIA È IN GUERRA ("Die Würfel sind gefallen ITALIEN IST IM KRIEG").
La Stampa, Il Duce ha parlato ("Der Duce hat gesprochen").[2]

Eine einzige kritische Stimme – neben denen der illegalen Zeitungen – erhob die Zeitung Osservatore Romano (Der Römische Beobachter), die amtliche Tageszeitung des Apostolischen Stuhls, die in ihrer kritischen Reaktion von einem „geblendeten“ Duce («E il duce (abbagliato) salì sul treno in corsa.»[2]) sprach.[6] Der Titel wurde vom italienischen Führer mit Bestürzung aufgenommen, so dass Roberto Farinacci, der Generalsekretär der PNF, in einem Kommentar zur Presse sagte: «Bene, bene. La Chiesa è stata la costante nemica dell’Italia»[2] (Gut, gut. Die Kirche war stets der Feind Italiens).

Text der Rede Mussolinis

Vorlage:Zitat-it

Übersetzung

„Kämpfer zu Lande, zur See, in der Luft!

Schwarzhemden der Revolution und der Legionen!

Männer und Frauen aus Italien, des Kaiserreiches und des Königreichs Albanien!

Hört!

Eine vom Schicksal bestimmte Stunde hat unserem Vaterland geschlagen.

Die Stunde der unwiderruflichen Entscheidungen.

Die Kriegserklärung wurde bereits den Botschaftern Großbritanniens und Frankreichs überreicht.

Wir ziehen ins Feld gegen die plutokratischen und reaktionären Demokratien des Westens, die zu allen Zeiten den Vormarsch des italienischen Volkes behindert und oft seine Existenz selbst bedroht haben.

Einige Jahrzehnte der jüngsten Geschichte lassen sich mit diesen Worten zusammenfassen: Phrasen, Versprechungen, Drohungen, Erpressung, und, am Ende, als Krönung des Ganzen, die berüchtigte Einkreisung durch die Gesellschaft von zweiundfünfzig Staaten.

Unser Gewissen ist absolut ruhig.

Mit Euch ist die ganze Welt Zeuge, dass das Italien des Liktorenbündels alles Menschenmögliche getan hat, den Sturm zu vermeiden, der Europa aufwühlt; aber alles war vergebens.

Es wäre genug gewesen, die Verträge zu überarbeiten, um sie den sich verändernden Lebensbedürfnissen der Völker anzupassen und sie nicht als immaterielle Werte für die Ewigkeit zu betrachten; es war aber nicht genug, die törichte Politik der Garantien zu beginnen, die offensichtlich eindeutig besonders tödlich für diejenigen war, die sie angenommen haben.

Es war nicht genug, den Vorschlag abzulehnen, den der Führer am 6. Oktober vergangenen Jahres nach dem Ende des Polenfeldzug machte.

Jetzt gehört all dies der Vergangenheit an.

Wenn wir heute entschlossen sind, die Risiken und Opfer eines Krieges in Kauf zu nehmen, dann deshalb, weil die Ehre, die Interessen, die Zukunft uns dies zwingend aufdiktieren, da ein großes Volk wirklich nur ein solches ist, wenn es seine Verpflichtungen für heilig hält, und wenn es den höchsten Prüfungen nicht ausweicht, die den Lauf der Geschichte bestimmen.

Wir greifen zu den Waffen, nachdem wir das Problem unserer Grenzen auf dem Festland gelöst haben, um das Problem unserer Seegrenzen zu lösen; wir wollen die territorialen und militärischen Ketten zu sprengen, die uns in unserem Meer ersticken, denn ein Volk von fünfundvierzig Millionen Seelen ist nicht wirklich frei, wenn es keinen freien Zugang zum Ozean hat.

Dieser gigantische Kampf ist nichts anderes als eine Phase in der logischen Entwicklung unserer Revolution.

Es ist der Kampf der armen Völker gegen die Aushungerer, die ein Monopol allen Reichtums und allen Goldes der Erde haben.

Es ist der Kampf der Völker und fruchtbaren Jugend gegen die unfruchtbaren, sich auf ihren Untergang zubewegenden Völker.

Es ist der Kampf zweier Zeitalter und zweier Weltanschauungen.

Nun, da die Würfel gefallen sind, und unser Wille die Brücken hinter uns abgebrochen hat, erkläre ich feierlich, dass Italien nicht die Absicht hat, andere Völkern angrenzender Staaten zur See oder auf dem Land in den Konflikt hineinzuziehen: die Schweiz, Jugoslawien, Griechenland, die Türkei, Ägypten mögen diese meine Worte zur Kenntnis nehmen, und es hängt von ihnen ab, und nur von ihnen, ob sie sie bestätigen wollen oder nicht.

Italiener!

In einer denkwürdigen Versammlung, die in Berlin stattfand, sagte ich, dass nach den Gesetzen der faschistischen Moral, wenn jemand einen Freund hat, er mit ihm bis ans Ende marschiert. Das taten wir mit Deutschland, mit seinem Volk, mit seinen siegreichen Streitkräften.

Am Vorabend eines Jahrhundertereignisses richten wir unsere Gedanken an Seine Majestät, den König und Kaiser [die Menge bricht in großen Jubel für das Haus Savoyen aus], die wie immer die Seele des Vaterlandes verstanden hat. Und wir begrüßen mit unseren Stimmen den Führer, den Kopf des großen Verbündeten Deutschland.

Proletarier und Faschisten Italiens erheben sich bereits zum dritten Mal, stark, stolz und vereint wie nie zuvor.

Die Parole ist eine einzige, kategorisch und herausfordernd für alle.

Sie verbreitete sich und erobert die Herzen von den Alpen bis zum Indischen Ozean: Sieg!

Und wir werden gewinnen, um Italien, Europa und der Welt endgültig eine lange Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit zu geben.

Italienisches Volk!

Ergreife die Waffen, und zeige Deine Härte, Deinen Mut und Deine Tapferkeit!“

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. In der Rhetorik der Zeit wird die riesige Menschenmenge als folla oceanica („ozeanische Masse“) bezeichnet
  2. a b c d Luciano Di Pietrantonio, 10 giugno 1940: l’Italia dichiara guerra a Francia e Gran Bretagna, abitarearoma.net, 9. Juni 2013.
  3. vgl. eliechtensteinensia.li (a, b), abgerufen am 28. Februar 2017
  4. La Dichiarazione di Guerra di Mussolini - storiaxxisecolo.it (abgerufen am 28. Februar 2017)
  5. Ausschnitt aus: “A Call to the Italian People.” A Broadcast from London. December 23, 1940 , in: Sir Winston S. Churchill: The Unrelenting Struggle. 2013 (Online-Teilansicht) - Simonetta Fiori zufolge “Un giudizio storico che sarà difficile smentire.” (repubblica.it) ("Ein historisches Urteil, das nur schwer zu widerlegen ist.")
  6. vgl. vatican.va: E il duce (abbagliato) salì sul treno in corsa (Roberto Pertici)