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Götter in der Bibel

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In der Bibel tauchen neben JHWH, dem Gott Israels, eine Reihe anderer Gottheiten auf. Sie stehen für die altorientalische Welt des Polytheismus, in dem sich der Ein-Gott-Glaube Israels erst allmählich entwickelte und mit dem er sich auseinandersetzte.

In der Begegnung der verschiedenen Stämme, Völker und ihrer Religionen kam es zu einem Austausch ihrer Gottesvorstellungen, wobei diese von den Israeliten teilweise übernommen, teilweise abgewehrt und tabuisiert wurden. Als Dokument der israelitischen Religionsgeschichte reflektiert die Bibel diesen Prozess. Dabei wird das nachexilische Geschichtsbild, wonach Israel in seiner Frühzeit allein JHWH verehrte, dann durch „Abfall" zu den Göttern Kanaans seine Identität und staatliche Selbständigkeit verlor, von den Propheten zum 1. Gebot zurückgerufen wurde, bis schließlich die Kultreform Josias dessen Alleingeltung durchsetzte, durch außerbiblische Dokumente in Frage gestellt. Heute sieht die Bibelforschung den JHWH-Monotheismus weniger als Ausgangspunkt, sondern eher als Ergebnis der Bibelentstehung, die im 4. Jahrhundert v. Chr. mit der Kanonisierung der Tora zu einem vorläufigen Abschluss kam.

Die verschiedenen Gottesbezeichnungen für JHWH selbst behandelt der Artikel Gottesnamen im Judentum.

Das kanaanäische Pantheon

Götter von Nachbarvölkern

  • Moloch: Gott der Ammoniter, dem laut Bibel in der Schlucht Hinnom Menschenopfer bzw. Kinder geopfert wurden. Ein Brauch der auch noch in der Königszeit bestanden haben soll (2 Kön 23,10; Jer 7,31f; 19,5-9)
  • Dagon: phönizische Gottheit, wohl aus Babylonien, zunächst Korngott, später mit Fischschwanz (1 Sam 5,1-7; Ri 16, 23ff),
  • Marduk: Babylonischer Schöpfergott, der den mythischen Chaosdrachen besiegt
  • Milkom: Gott der Ammoniter
  • Kemosch: Kriegsgott der Moabiter
  • Maat: ägyptische Göttin, personifiziert als die Weisheit
  • Seth

Gottähnliche mythische Wesen

  • Behemoth: ein Ungeheuer, das einem Flusspferd ähnelt und dem ägyptischen Gott Seth verpflichtet scheint. Es gilt als Widersacher von
  • Leviathan: ein schlangenartiges Meerungeheuer, dass wohl ursprünglich der mesopotamischen Meeresgöttin Tiamat und dem kanaanitischen Lotan verpflichtet ist. Lotan wird von Baal und Anat besiegt. Leviathan nimmt im babylonischen Talmud breiten Raum ein (Ps 104,26; Hiob 40,15-24; 25 - 41,26; 1 Hen)
  • Belial
  • Resheph: personifizierte Plage (Hld 8,6; Hab 3,5; Ps 78,48)
  • Satan
  • Cherubim
  • Zebaoth: Heerscharen, Himmelsheer, Engelheer: Zusatzattribut JHWHs

Monotheismus

Für einen Eingottglauben (Monotheismus) gibt es in frühgeschichtlicher Zeit außerhalb der Bibel nur noch wenige Beispiele:

  • die Verehrung der Sonnenscheibe Aton als verehrungswürdige Symbolgestalt des einzigen Gottes, die der ägyptische Pharao Echnaton während seiner Herrschaft einführte und die nur bis zu seinem Tod praktiziert wurde;
  • die Welterklärung aus einem kosmischen Prinzip durch den persischen Philosophen Zarathustra;
  • In den philosophisch reflektierten Glaubenstraditionen Asiens, dem Taoismus Chinas, den ältesten Veden und dem Brahmanismus Indiens sowie den verschiedenen Ursprungsphilosophien Griechenlands kann man ebenfalls Ansätze zur Rückführung der vielen Gottheiten auf eine einheitliche göttliche Kraft in, hinter, über oder mit ihnen entdecken. Dabei kommt es aber nicht unbedingt zu einer "Entmachtung" der vielen Götter, sondern ihrer "Integration" in das oder Herleitung aus dem Ursprungsprinzip.

Polytheismus im Umfeld der Bibel

Dagegen herrschte bei nahezu allen Stämmen und Völkern der Frühzeit die Vorstellung, dass es viele Götter und Göttinnen gebe (Polytheismus). Bereits eine sumerische Götterliste aus der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends umfasst rund 1000 Götternamen, die vor allem verschiedene Kräfte der Natur repräsentieren.

Dies war auch der Glaube der Vorfahren Israels, der Völker in und um Kanaan, mit denen das Volk Israel zusammenlebte, und der Völker, die als fremde Eroberer die jüdischen Staaten Israel und Juda eroberten und unterjochten. Darunter waren die Ägypter, Assyrer, Babylonier, Meder, Perser, später die Griechen (Alexander der Große) und Römer.

Spuren des Polytheismus in der Bibel

Bis zur gemeinsamen Annahme JHWHs als des einzigen Gottes, der Himmel und Erde geschaffen hat, gingen die Stämme Israels einen langen Weg, der sich in ihren Überlieferungen spiegelt. In der Bibel finden sich demgemäß Berichte über den Glauben an andere Götter und die Begegnungen und Konflikte mit den Göttern der Völker und Stämme mit denen die Israeliten in Kontakt kamen. z.B. der Phönizier, Kanaaniter, der Aramäer, der Völker Gileads, Ammons (z.B. Gott Milkom), Moabs (Kriegsgott Kamosch), Edoms und der Philister sowie der Mesopotamier.

Die Bibel ist auch ein moralisierende Schrift, die Zeugnis davon gibt, wie das Volk Israel zu allen Zeiten um den Glauben an den einen Gott ringt. Teilweise wendete sich Israel, Teile des Volkes oder einzelne Stämme, insbesondere aber auch Israels Könige und Elite der Verehrung, d.h. der Anbetung, dem Kult, insbesondere dem Opferkult, einzelner dieser Götter und Göttinnen zu und zwar mehrfach in vielen Phasen der Geschichte Israels.

Viele Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass entsprechende Berichte der Bibel und Belege der Archäologie zeigen, dass der Monotheismus dem Volk Israels nicht mit einem Mal verkündet worden sei, sondern dass Israels Gott Jahwe der alleingestellte Schöpfergott El des kanaanitischen Pantheons ist. Insoweit wären Berichte von Götterverehrung durch Israeliten in Frühzeiten nur im Nachhinein als Abfall vom einzigen Gott interpretiert worden. Tatsächlich sei erst in einem langen Prozess aus dem Schöpfer- und Hauptgott El, der aber nur Haupt eines Pantheons von Göttern war und insbesondere auch eine Partnerin (Aschera) hatte, der alleinige Gott Jahwe geworden. Dieser Prozess begann nach der Assyrischen Zerstörung des Nordreiches und sei erst im babylonischen Exil abgeschlossen worden.

Andere dagegen meinen, der ursprünglich alleinstehende Jahwe sei später mit El gleichgesetzt worden und so hätte er dessen Partnerin Aschera und einige von dessen Kindern zeitweise "geerbt". Beide Varianten stehen nicht im Gegensatz, wenn man davon ausgeht, daß der Jahwe-Kult ursprünglich nur für eine kleine Gruppe von Hebräern, um Hebron und Saul der Stammesgott war, der erst in der Zeit der Tempelreform Joshijas der einende Gott aller Stämme Israels wurde.

In den Biblischen Gottesnamen, wie Elohim (Pluralform von Eloha, bzw. El), Zebaoth (Herr der Himmlischen Heerscharen) sehen einige Autoren heute die Relikte dieses einstigen Hauptgottes eines polytheistischen Pantheons.

Belege für diese Götter finden sich überwiegend auch in überkommenen Schriftzeugnissen jener Völker und durch archäologische Funde in der Region wie Tempel, Altäre, Wandgemälde, Statuen, Anhänger, Grabsteine sowie durch Analyse von Personennamen.

Der Polytheismus hat bei allen Völkern religionsgeschichtlich sozio-kulturelle Wurzeln. Ihm liegt der ursprüngliche Animismus zu grunde, wo nach die gesamte Natur belebt und beseelt ist und in allen Erscheinungen Götter wohnen. Mit der Differenzierung der Gesellschaft entstand der Pantheon von Göttern und Göttinnen . Exemplarisch dafür kann der mesepotamische Mythos vom Gott Enki stehen, der komplett auf einem Keilschrifttäfelchen von ca. 1.700 v.Chr. zu finden ist. Fragmente dieses Mythos befinden sich noch auf Resten von Täfelchen aus der Zeit 700 v. Chr. - er ist also im Umfeld der Bibel mindestens 1000 Jahre lebendig geblieben:

Die Götter beauftragten den Pestgott Namtar die Menschen zu vernichten. Dieser begann sie mit der Pest zu töten. Der Gott Enki aber, der Mitleid mit den Menschen hatte, verriet dem Menschen Atrachasis ein Ritual mit der Seuche besiegt werden können. Die Menschen sollen von allen Göttern ausschließlich den Pestgott Namtar verehren und nur ihm opfern und zwar bis er überschüttet mit Opfern von seinen tödlichen Tun ablässt. So geschieht es. Dank der Opfer lässt der Pestgott von seinem Wüten ab und die Menschheit lebt weiter. Nun beschließen die Götter, dass der Regengott Adad es nicht mehr regnen lassen soll und die ihm zugeordnete Korngöttin Nisaba kein Korn mehr wachsen lassen soll. So geschieht es. Und wieder verrät der Gott Enki dem Atrachasis das rituelle Gegenrezept: Nun Verehren und Opfern die Menschen allein Adad und Nisabe, und zwar bis Regen fällt und die Vegetation wieder auflebt.

Dieser Mythos zeigt die Ursache für den Polytheismus. Die Menschen in ihrer Sorge Gefahren wie Seuchen abzuwenden und lebensspendende Zustände wie Regen, Sonne oder Fruchtbarkeit der Pflanzen und Tiere aufrecht zu erhalten, suchen Wege dies durch magische und rituelle Handlungen abzusichern und stellen sich für das jeweilige Problem Götter und Göttinnen als ansprechbare und beeinflussbare personale Wesen vor. Einige der Völker stellen sich die Götter in Menschengestalt vor (anthropomorph), einige in Tiergestalt (zoomorph), einige in beiden Gestalten und teilweise auch als Mischwesen. Im mesepotamischen und im kanaanitischen Pantheon haben die Götter und Göttinnen fast durchgehend Menschengestalt. (Tiergötter und Menschtiermischwesen finden sich dagegen stark vertreteten in Ägypten, im indischen und im amerikanischen Kulturkreis.)

Kanaan und das exemplarische Ugarit

Den tiefsten Einfluss auf das Volk Israels übten die Göttervorstellungen und Mythen der Völker in Kanaan aus. Deren Einfluss übersteigt den Einfluss der Götterwelten Mesepotamiens und Ägyptens bei weitem. Den tiefsten Einblick in diese Götterwelt Kanaans geben die praktisch komplett aufgefundenen Keilschrifttäfelchenarchive der ca. 1185 vor Christus von den Seevölkern zerstörte Stadt Ugarit, deren Ruinen an der Mittelmeerküste im heutigen Nordsyrien zu finden sind. Diese Hauptstadt eines kleinen gleichnamigen bronzezeitlichen Staates enthielt gleichsam eingefroren die religiösen Vorstellungen dieses Volkes, der Epen, Mythen, der Gebete, Götter- und Opferlisten der zeremoniellen Texte und Vorschriften. So gibt es Befragungen des Ratschlusses von Göttern durch Orakel. Es wurden mehrere Tonmodelle von Schafslebern gefunden worden, samt Hinweisen diese zu deuten. Ausführlich sind Opferzeremonien für verschiedene Götter beschrieben. Sehr genau werden Begräbniszeremonien beschrieben, innerhalb deren auch Ahnenbeschwörungen stattfinden. Beschwörungstexte gibt es auch gegen schädliche Naturkräfte, Krankheit, Unfruchtbarkeit, Dämonen, Folgen von Trunkenheit und Schlangengifte.

Vergleiche mit Bruchstücken von Texten anderer kanaanitischer Völker und Götternamen lassen diese Texte und Vorstellungen als exemplarisch für das gesamte Gebiet von Ugarit bis zum Negev, also ganz Kanaan erscheinen und zwar bis weit ins 1. Jahrtausend v. Chr. hinein also in biblische Zeit.

Der Zeitschnitt erfolgte etwa zur angenommen Zeit des Mose und des Exodus. Die Biblischen Berichte bis in die Zeit Joshias bezeugen, daß die Ugaritisch-kanaanäische Mythologie auch für die Stämme Israels noch bestimmend waren und die Bibel entscheidend prägten. Die um diese Zeit entstandene Redaktion der Bibel mit dem Ziel alle Stämme Israels national zu einen, wurde gerade in der Auseinandersetzung mit den polytheistischen Götterverehrungen Kanaans geführt.

Siehe zu diesem umfangreichen Thema Ugaritische Religion


Siehe auch

Literatur

  • Walter Dietrich, Martin A. Klopfenstein (Hrsg.): Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte. Universitätsverlag Freiburg, Schweiz, ISBN 3727809620