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Eheähnliche Gemeinschaft

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Die eheähnliche Gemeinschaft ist ein unbestimmter Rechtsbegriff im deutschen Recht, der im Zusammenhang mit der Zuerkennung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeldes II (ALG II) benutzt wird. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) BVerfGE 87,234 heißt es, dass Ehapaare gegenüber Personen, die in eheähnlichen Gemeinschaften leben, nicht benachteiligt werden dürfen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs der Sozialhilfe bzw. der Arbeitslosenhilfe. Schon 1958 entschied daher das BVerfG, dass Einkommen und Vermögen von Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe berücksichtigt werden darf (BVervGE 9,20).

Definition

Das BVerfG definiert in BVerfGE 87,234 eine eheähnliche Gemeinschaft wie folgt:

"Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt nur vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft)."

In der Urteilsbegründung erfolgt eine noch genauere Definition:

"Die eheähnliche Gemeinschaft ist eine typische Erscheinung des sozialen Lebens. Von anderen Gemeinschaften hebt sie sich hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff 'eheähnlich' hat der Gesetzgeber ersichtlich an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist. Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen."

Damit eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, müssen also folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Es muss eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau (keine gleichgeschlechtliche Gemeinschafte) sein.
  • Die Gemeinschaft muss erkennbar auf Dauer angelegt sein.
  • Sie darf keine weiteren Gemeinschaften gleicher Art zulassen (damit sind insbesondere keine Wohngemeinschaften gemeint, da derartige Gemeinschaften beliebig ausgeweitet werden können).
  • Es müssen innere Bindungen vorhanden sein, die eine gegenseitige Verantwortung der Partner begründen.

Das bedeutet insbesondere, dass sexuelle Kontakte das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht begründen.

Relevante Urteile

Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung (Az: S 35 AS 107/05 ER (SGB II, EA)) aus dem Frühjahr 2005 stellte das Sozialgericht Düsseldorf fest, dass es erhebliche Bedenken habe, ob sich die Frage, ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege, anhand von vordergründigen, objektiven Kriterien - wie hier dem Zusammenleben - ermitteln ließe. Dies sei auch im vorliegenden Fall deutlich. Die Antragstellerin solle - nach dem Willen der für ALG2 zuständigen Behörde - auf (Unterhalts-)Zahlungen des Herrn U verwiesen werden. Auf diese Zahlungen habe die Antragstellerin jedoch keinen Rechtsanspruch, d.h. die Antragstellerin könne derartige Zahlungen von Herrn U nicht verlangen und schon gar nicht einklagen. Insoweit habe sie auch vorgetragen, Herr U sei nicht bereit, sie zu unterhalten. Käme also die Behörde - entgegen der Angaben der "Partner" - zu der Erkenntnis, es liege eine "eheähnliche Gemeinschaft" vor, so wäre die Frau, als vermögensloser Partner dieser Gemeinschaft, völlig rechtlos gestellt. Sie habe keinen Anspruch gegen die Behörde und keinen Anspruch gegen den vermeintlichen Partner. Dazu stellte das Gericht fest:

"Dieser Konflikt lässt sich sachgerecht nur lösen, wenn den Stellungnahmen der Partner zur Frage der 'eheähnlichen Lebensgemeinschaft' entscheidende Bedeutung zukommt. Eine 'eheähnliche Gemeinschaft' kann daher nur angenommen werden, wenn die Partner ausdrücklich bestätigen (finanziell) - auch in Zukunft - füreinander einstehen zu wollen, denn nur dann ist das Kriterium der 'Eheähnlichkeit', das in Anlehnung an § 1360 BGB ein gegenseitiges 'Unterhalten' fordert, erfüllt."

Bedarfsgemeinschaften

Die eheähnliche Gemeinschaft ist insbesondere bei der Definition einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II § 7 erwähnt. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören:

1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines minderjährigen, unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b) die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt,
c) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
4. die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können.

Folgen für die Bemessung von Sozialleistungen

Bei der Bemessung des ALG II ist das neugeschaffene Sozialgesetzbuch II (SGB II) Rechtsgrundlage. Es wird das gesamte Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft bei der Bestimmung der zukünftigen ALG II-Bezüge mit berücksichtigt.

Indizien einer eheähnlichen Gemeinschaft

  • Erfolgt tatsächlich eine Unterstützung finanzieller Natur, die insbesondere an einem gemeinsamen Konto der Partner erkennbar ist, kann daraus auf die Absicht der Partner für ein gegenseitiges Einstehen geschlossen werden.
  • Regelmäßig begründen auch tatsächliche Unterhaltsansprüche, typischerweise durch ein gemeinsames Kind, die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Ältere Rechtsprechung

Vor dem Urteil des BVerfG von 1992 sah das BVerwG die eheähnliche Gemeinschaft nur als eine "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft" zwischen einem Mann und einer Frau. Dabei spielten innere Bindungen ebensowenig eine Rolle wie das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Unterhaltspflichten oder tatsächlicher Unterstützung. Auch damals schon spielten sexuelle Beziehungen keine Rolle (was bedeutete, dass auch Personen als eheähnlich eingestuft wurden, die gar keine sexuelle Beziehung unterhielten). Maßgeblich war allein das "Wirtschaften aus einem Topf" (vergleiche Die nichteheliche Lebensgemeinschaft). Dabei war jedoch das tatsächliche Bestehen einer gemeinsamen Kasse oder eines gemeinsamen Kontos oder eine gemeiname Planung von Ausgaben nicht erforderlich. Man stellte sich auf den Standpunkt, dass das auch bei vielen Eheleuten nicht der Fall sei. Das BVerfG räumte mit dieser Rechtspraxis im Jahr 1992 nachhaltig auf.

Siehe auch