Fraktur (Schrift)

Die Fraktur ist eine gebrochene Schrift, die zur Zeit der Renaissance am Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland entstanden ist. Die Fraktur löste in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Deutschland die Schwabacher als meistbenutzte Druckschrift ab und blieb dies bis zu ihrem zeitweiligen Verbot durch den geheimen Schrifterlass des nationalsozialistischen Regimes 1941 am Ende des so genannten Antiqua-Fraktur-Streites.
Hinweis: der Begriff Fraktur oder Frakturschrift wird oft auch (etwas ungenau) als Sammelbezeichnung für die ganze Gruppe der gebrochenen Schriften verwendet.
Entstehung
Die Entstehung der Fraktur am Anfang des 16. Jahrhunderts ist eng verbunden mit dem Kaiser Maximilian I. Wer genau die Fraktur geschaffen hat, ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt. In Frage kommen sowohl Vinzenz Rockner, ein Sekretär von Maximilian I., der den Druck des Gebetbuches (siehe unten) überwachte und die handschriftlichen Vorlagen für die Drucklettern lieferte, wobei aber unklar ist ob er diese Vorlage auch selbst entworfen hat. Der zweite mögliche Urheber ist der Mönch und Schreiber Leonhard Wagner, der bereits am Ende des 15. Jahrhunderts eine entsprechende Schriftart entwickelte, die aber in der Bibliothek seines Klosters verblieb, so dass unklar ist, wie bekannt diese Handschrift war.
Die erste Anwendung als Drucktype fand die Fraktur 1514 bei dem für Maximilian I. von Hans Schönsperger in Augsburg gedruckten und (unter anderen) von Albrecht Dürer illustrierten Gebetbuch. Als zweite wichtige Anwendung der Fraktur im Druck gilt der 1517 in Nürnberg gedruckte Theuerdank.
Entwicklung

Die Fraktur hat sich, ähnlich wie die Antiqua, im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Zeitgeistes angepasst und verändert. Es lassen sich folgende wichtige Formen der Fraktur unterscheiden:
- Renaissance-Fraktur: Theuerdank-Fraktur
- Barock-Fraktur: Breitkopf-Fraktur
- klassizistische Fraktur: Unger-Fraktur, Walbaum-Fraktur
Besonderheiten im Schriftsatz
Für den deutschsprachigen Schriftsatz in Fraktur gelten die gleichen Besonderheiten, wie sie für alle gebrochenen Schriften, auch die handgeschriebenen, üblich sind.
Langes s (»ſ«) , rundes s (»s«) und Eszett (»ß«)
Die Fraktur unterscheidet zwischen zwei Varianten des Buchstaben »s«. Das lange s (»ſ«) kann nur am Wortanfang und im Wort erscheinen. Am Silben- oder Wortende wird das runde s (»s«) geschrieben. „Wachſtube“ wäre also eine Wach-stube, „Wachstube“ eine Wachs-tube.
Es können nie zwei runde s aufeinanderfolgen. Sollten am Wortende zwei s aufeinanderfolgen, müssten sie in Fraktur deswegen als „ſs“ gesetzt werden. Diese Zeichenkombination vereinfachte sich schon vor Jahrhunderten zur Ligatur „ß“. Bis zur Rechtschreibreform von 1996 wurde das ß auch so im Antiqua-Satz verwendet, ein scharfes s am Wortende war als „ß“ zu schreiben („Faß“, gesprochen wie „Fass“). Die Ligatur ß wird auch bei der neuen Rechtschreibung angewendet, allerdings nach anderen Regeln.
Mit der Rechtschreibreform wird „ß“ nur noch für den gedehnten s-Laut verwendet, der einer Ligatur aus „ſ“ und „s“ entspricht. Für den heutigen Fraktursatz empfiehlt der Duden deswegen, „Faſs“ statt „Faß“ zu setzen. Wortzusammensetzungen, die in Antiqua „sss“ enthalten würden, wären in Fraktur also mit „ſsſ“ zu setzen. Die „Ablaßschraube“ (Antiqua vor der Reform) wird zur „Ablassschraube“ (Antiqua nach der Reform), die „Ablaßſchraube“ (Fraktur vor der Reform) wird zu „Ablaſsſchraube“ (Fraktur nach der Reform). Da Wörter wie "Ablaſsſchraube" schwer zu lesen sind, wäre es zu empfehlen, bei Verwendung der Heyseschen ß-Regel die Wörter mit Bindestrich zu trennen, um so die Lesbarkeit zu erhöhen, z. B. "Ablaſs-Schraube". Anhand der Schriftgeschichte ließe sich im Fraktursatz auch heute noch die Verwendung von „ß“ am Wortende rechtfertigen; nicht als eigenständiger Buchstabe „ß“, sondern als Ligatur von „ſs“. Heyse selbst hat mehrere Ligaturen für "ſs" angefertigt, welche aber in neueren Fraktursätzen nicht enthalten sind. Anzumerken ist, daß der Bund für Deutsche Schrift und Sprache, seit 1921 eine Autorität mit bedeutenden Schriftkünstlern auf diesem Gebiet ist, die Reform ablehnt und empfiehlt, Fraktur nur nach den bewährten Regeln zu schreiben.
Ligaturen und Auszeichnungen
Im Fraktursatz finden sich viele Ligaturen, von denen einige obligatorisch und bedeutungsunterscheidend sind. Das sind insbesondere die Zwangsligaturen ch, ck, tz und ß.
Da Fraktur-Schriften in der Regel weder über einen fetten noch einen passenden kursiven Schriftschnitt verfügen, und weil Kapitälchen oder Versalsatz wegen der schnörkeligen Gestalt der Großbuchstaben nur schlecht zu lesen wäre, werden Textstellen üblicherweise durch Sperren hervorgehoben. Im Sperrsatz werden dabei nur die Zwangsligaturen gesetzt, alle anderen Ligaturen werden aufgelöst.
In Texten, die in Fraktur gesetzt sind, werden lateinische und andere fremdsprachige Abschnitte in einer Antiqua gesetzt, ebenso einzelne Wörter oder Floskeln, die nicht als eingedeutscht gelten (wie en masse oder in flagranti). Abkürzungen in Versalien (wie BGB oder USA) werden im guten Fraktursatz ebenfalls stets in Antiqua gesetzt werden.
Ziffern
Die Ziffern werden üblicherweise als Minuskelziffern gesetzt. „I“ und „J“ haben als Großbuchstaben das gleiche Schriftbild (außer in einigen neueren Abwandlungen).
Lesehilfe

In Fraktur ungeübte Leser haben meistens nur mit wenigen Buchstaben Schwierigkeiten. Das lange s („ſ“) unterscheidet sich vom „f“ nur durch den kurzen Querbalken auf der rechten Seite. Das „k“ unterscheidet sich vom „t“ vor allem durch eine kleine Schlaufe rechts oben. Das „x“ unterscheidet sich vom „r“ nur durch eine offene Schleife am Zeichenfuß. Das „y“ ähnelt „h“ und „v“. Bei den Großbuchstaben ähneln sich „B“ und „V“, „R“ und „N“, „E“ und „G“.
Schriftbeispiele für die Fraktur
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Urkunde von 1768, man beachte den Satz einzelner Wörter in Antiqua
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In London gedruckt
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Pirna Sommer 2004
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Bozen Sommer 2003
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Friedhof in La Val (Südtirol)
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Plakat vom 6. August 1914
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Beispiel für Frakturschrift, man beachte die verschiedenen Formen des „s“
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Apotheken-A ist Fraktur-A, Bonn 2005
Fraktur und Unicode
Da es sich bei der Fraktur nicht um ein eigenständiges Zeichensystem handelt, sondern nur um Glyphenvarianten des Lateinischen, ist sie in Unicode für Textanwendungen nicht gesondert kodiert. Allerdings sind alle Frakturbuchstaben (ohne Ligaturen und diakritische Zeichen) zur Verwendung als mathematische Symbole enthalten:
- 𝔄 𝔅 ℭ 𝔇 𝔈 𝔉 𝔊 ℌ ℑ 𝔍 𝔎 𝔏 𝔐 𝔑 𝔒 𝔓 𝔔 ℜ 𝔖 𝔗 𝔘 𝔙 𝔚 𝔛 𝔜 ℨ
- 𝔞 𝔟 𝔠 𝔡 𝔢 𝔣 𝔤 𝔥 𝔦 𝔧 𝔨 𝔩 𝔪 𝔫 𝔬 𝔭 𝔮 𝔯 𝔰 𝔱 𝔲 𝔳 𝔴 𝔵 𝔶 𝔷
(Für die korrekte Darstellung muss eine geeignete Unicode-Schriftart installiert sein.)
Fraktur nach 1945
Auch nach 1945 wurden noch Bücher in Fraktur gedruckt. Beispiele:
- Hermine Kiehnle: Kiehnle-Kochbuch. Große illustrierte Ausgabe. Walter Hädecke Verlag, Stuttgart-Weil der Stadt 1951
- Der Kleine Stowasser, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch. Bearbeitet von Dr. Michael Petschenig. Einleitung und Etymologie von Dr. Franz Skutzsch. G. Freytag Verlag München 1971. Die nächste neubearbeitete Ausgabe kam dann 1979 ohne Frakturschrift heraus.
- Besoldungs-Tabellen für Beamte zur Besoldungsordnung A-B-H, 3. Auflage, Bezüge für alle Gruppen, Stufen und Ortsklassen. Gültig ab 1. Oktober 1949. Verlag für Verwaltungspraxis Franz Rehm. München 1949.
Seit der Desktop Publishing-Revolution in den späten 1980ern bestand erstmals die Möglichkeit, Schriften in hoher Qualität kostengünstig zu produzieren und zu vertreiben. Die kommerziellen Anbieter digitalisierten ihre Schriftbestände, wenn auch mangels Nachfrage nur wenige Frakturschriften. Viele Frakturschriften wurden von freien Typographen auf Personal Computern digitalisiert, teilweise mit herausragender Qualität. Zu den Qualitätsmerkmalen einer guten Fraktur gehört das Vorhandensein wichtiger Glyphen wie dem langen s und den Zwangsligaturen.
Weiterhin ist es interessanterweise bei vielen Heavy Metal Bands üblich bei dem Logo Frakturschrift zu benutzen wie z.B. die australische Band AC/DC.
Literatur
- Albert Kapr: Fraktur: Form und Geschichte der gebrochenen Schriften. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 1993. ISBN 3-87439-260-0
- Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Bibl. Inst. & F. A. Brockhaus, Mannheim, 2000. ISBN 3-411-04012-2
- Judith Schalansky: Fraktur mon Amour. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2006. ISBN 3-87439-696-7
Weblinks
Allgemein
- ProGothics – Gruppe frakturinteressierter Typographen
- Bund für deutsche Schrift und Sprache e.V. – Zahlreiche Artikel zu Geschichte und Satzregeln der Fraktur.
- Kleine Anleitung für den Fraktursatz
- Lexikon der Westeuropäischen Typographie – Ausführliche Darstellung der typographischen Entwicklungsgeschichte der Fraktur.
- Hans-Georg Soldats Frakturaufsatz (pdf) – Ausführlich recherchierter Hintergrund zum Normalschrifterlass.
Computerschriften
- Dieter Steffmann – Frakturschriften, für nicht-kommerzielle Nutzung kostenlos
- typOasis Projekt „Blackletter Revival“ – Digitalisierte Frakturschriften, für nicht-kommerzielle Nutzung kostenlos
- Delbanco – Kommerzielle Frakturschriften
- Romana – Kommerzielle Frakturschriften
- Hoefler & Frere-Jones - Kommerzielle Schriften, auch Englische Textura und Antiqua mit langem s.
Software
- Ligaturix – Dokumentvorlage für Fraktursatz mit Microsoft Word
- Michael Gährken – Fraktursatz mit LaTeX
- ABBYY FineReader XIX – Kommerzielle Texterkennungssoftware für Frakturschrift