Kritik der zynischen Vernunft
Die Diskussion über diesen Antrag findet auf der Löschkandidatenseite statt.
Hier der konkrete Grund, warum dieser Artikel nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen soll: kein Enzyklopädieartikel, Essay 217﹒125﹒121﹒169 00:05, 29. Apr 2006 (CEST)
Die Kritik der zynischen Vernunft ist ein zweibändiges Werk von Peter Sloterdijk und erschien 1983.
Versuch einer strukturellen Zusammenfassung - Atmosphärisches
Ist es Berechnung, dass "just zum 200-jährigen Jubiläum des von Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft" (so der Beginn des Klappentextes von Suhrkamp) die Kritik der zynischen Vernunft von Peter Sloterdijk erschien? Es ist - und auf diesem zunächst humorvollen/ironisierenden Terrain eröffnet Sloterdijk eine groß angelegte Genese des bürgerlichen Bewusstseins anhand von Negativbeispielen aus der europäischen Handlungs- und Bildungsgeschichte - deren Schweigen und Verschweigen praktischer Unvernunft, welches dieses "falsche Bewusstsein" (Karl Marx) täglich an "Wahnsinn" (Sloterdijk) produziert bzw. ermöglicht. Sloterdijk ortet einen ersten Kulminationspunkt eines „Systems der Selbstaushöhlung“ (Kapitalismus), "das bis zu den Zähnen bewaffnet, ewig leben will", als den Zweiten Weltkrieg.
Seine zuweilen subtile Analyse, auch des Dadaismus, beschränkt sich nicht auf eine historische Darstellung (in Berlin und Zürich), sie geht einher mit einer Aufdeckung von Spielarten der Ironien und Sarkasmen aller Lager der Zwischenkriegszeit (insbesondere Dadaisten, Sozialdemokraten, Nationalsozialisten und deren gegenseitige höhnische Aufhetzung). Mit der punktuellen Beleuchtung des nazistischen Schriftguts (welches das Dritte Reich wenigstens rhetorisch retten will) rundet er den beschreibenden Teil ab, nicht ohne Kästner und Remarque als die "Autoren des Menschlichen" in einem erbitterten Krieg Aller gegen Alle zu erwähnen und deren eindeutig auf das mittlerweile zynische Klima hinweisenden Textstellen aufzudecken und ausseiner Sicht zu erläutern. Aus diesem Blickwinkel ist es verständlich, "weshalb (ist) der Lebendigere auch immer der Traurigere(?)" ist. (Sloterdijk)
Außerdem unternimmt Sloterdijk mit einer Wirkungsgeschichte der Kantschen Kritiken und deren Interpretationen, bis in die nahe Vergangenheit. Er versucht aufzuzeigen, dass Kants "kritisches Geschäft" durch die Prämisse Bacons "Wissen ist Macht" instrumentalisiert und schließlich ausgehebelt wird, weil zu oft zu Legitimationen eines Handelns in den Händen von Politik und Wirtschaft geworden, deren soziale Konsequenzen nicht mehr berechenbar sind. Zugleich verflicht er die Entstehung des heutigen (menschenverachtenden) Zynismus im Gespann kleinbürgerlichen Semiologien/grossphilosophischen Ambitionen auf der Folie (hier: grundlegende historische Tatsachen, welche bis in die Jetztzeit fortwirken) des griechischen Kynismus, der heute nun nicht mehr für letztlich (natürlich-)ethisch verbürgende Werte zwischen Menschen ausserhalb (religiöser`und/oder wirtschaftlich-oportunistischer) Überzeugungen steht, sondern einem Zynismus gewichen ist, der sein Handeln aufgrund eines "Endziels" rein materialistisch definiert und ein "gesolltes" Handeln wirtschaftlich auf Gewinnmaximierung trimmt bzw. reduziert; einem Zynismus, der sich jedoch da ausschweigt, wo es sich um soziale, nicht-antropogene (dem Menschen natürlich innewohnend)/natürliche altruistische Zielverfolgung in einem und für ein "gelungenes Leben" handelt. Sloterdijk macht im Schlusskapitel darauf aufmerksam, dass er ein Gelingen nicht als allein äussere Tatsache betrachtet, sondern als "Eingebettetsein" in ein sich ständig selbstorganisierendes und selbsterneuerndes von Menschen aus eigener Einsicht und eigenem Antrieb geschaffenes "Ganzes". Daneben unterzieht er Heideggers ''Sein und Zeit'' (Heideggers Versuch, die autonom wirkenden und "verirrten" Kräfte des menschlichen Handelns zu bündeln und beschreibbar zu erhalten) einer genauen Untersuchung. Der einstige Kynismus, gewissermaßen als Antithese (zur griechischen Akademie, gerinnt in einem neuzeitlichen - industriellen/postindustriellen System zu einem Zynismus, der rein merkantil verstandener Handlungen (diesmal als These und Prothese von Politik und Wirtschaft).
Die Verquickung dieser mannigfachen Ebenen und geschichtlichen Handlungsstränge, schaffen das Klima für Sloterdijks teils spitze Anmerkungen, jedoch auch sachgetreue Recherche und Beschreibung der jeweils beleuchteten Zeitabschnitte. Immerhin, Sloterdijk ist die "Entstaubung altehrwürdiger philosophischer Tabernakel" (Banderolentext der Erstausgabe) gelungen. Seine stilistisch leichtfüßig-spannende jedoch philosophisch äußerst komplexe Gangart lässt das Lächeln eines Diogenes von Sinope durchaus erinnerbar werden und rückt das Sapere aude an einen der urprünglichen Orte: Habe Mut, Dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! (Immanuel Kantin seiner KrV).
Wirkungsgeschichte/europäisch-philosophiesches Umfeld
Mit seiner Kritik der zynischen Vernunft gelingt es Sloterdijk einerseits die Sprache der Philosophie mittelbarer (sofern [philosophie-]historisch unterrichtet) zu gestalten, wovon auch die französische "Nouvelle Philosophie" (Baudrillard) profitierte, andererseits werden soziale Phänomene als interpretierbare "Größen" nicht nur mehr soziologisch aufgenommen als auch philosophisch aufgeschlüsselt. Sloterdijk ist es gelegen das "chaotische Ganze" der menschlichen Handlungen innerhalb eines "falschen Systems" zu entwirren und führt sie streckenweise ad absurdum (wie beispielsweise im Kapitel "Die Bombe als Buddha"). Hatte Foucault - als Vorreiter der "Nouvelle Philosophie" - noch traditionell akademisch argumentiert (obwohl äusserst kritisch), läuft Sloterdijk Gefahr, als zu plakativ verstanden zu werden.
Seine "Kritik der zynischen Vernunft" hatte in Deutschland größtes Aufsehen erregt und dazu beigetragen, die Philosophie wieder als ein relevantes Forum aller Wissensbereiche und als offener Diskurs heute international gewordener dringlicher Fragen zu verstehen. Der Verlag Suhrkamp hatte aus diesem Grund 1987 eine Sammlung mit Beiträgen von Wissenschaftlern herausgegeben, welche sich zum Phänomen Zynismus psychologisch, soziologisch als auch philosophisch äussern. In seiner Rolle als Philosoph nimmt Sloterdijk mit diesem Werk für Deutschland eine ähnliche Stellung ein wie Baudrillard in Frankreich.
Literatur
- Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft. 2 Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983 ISBN 3-518-11099-3
- Otto Kallscheuer u.a.: Peter Sloterdijks „Kritik der zynischen Vernunft“ Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987 ISBN 3-518-11297-X
- Ulrich Holbein: Peterchens Mondfahrt. In: Der Spiegel (18.10.1993) (versteht sich als bissiger Gegenessay)