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Psychomachia

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Die Psychomachia (griech.: Seelenkampf) ist das einflussreichste Werk des lateinischen christlichen Dichters Prudentius. Es handelt sich dabei um ein Epos mit einer Praefatio (Vorwort) und einem Hauptteil aus 916 Hexametern, der in zwei inhaltlich getrennte Abschnitte unterteilt ist. Da das Epos im Vorwort der vom Dichter 404/5 selbst veranlassten Gesamtausgabe nicht erwähnt ist, ist eine Datierung danach, jedoch noch vor der Zerstörung Roms 410, die Prudentius ebenfalls nirgendwo erwähnt, wahrscheinlich.

Sprachlich lehnt sich die Psychomachia an die Epik der klassisch-heidnischen Antike, besonders Vergils Aeneis an, für die sich zahlreiche abgewandelte Zitate erkennen lassen. Elemente des Lehrgedichts sind verarbeitet. Die Psychomachia wirkte auf die christlich-allegorische Darstellungskunst des Mittelalters inspirierend, doch sind deren Grundlagen wiederum auf klassisch-heidnische Werke zurückzuführen (vgl. die Allegorie der Fama bei Vergil). Die Psychomachia gilt als bedeutendste Vertreterin der allerdings spärlichen christlichen lateinischen Epik, wenn nicht der spätantiken christlichen Dichtung überhaupt.


Inhalt

Die 68 iambischen Trimeter des Vorworts deuten die alttestamentliche Erzählung der Rettung Loths durch Abraham als Präfiguration der Kreuzigung und Auferstehung Christi und kündigen das Thema des Buches an: den Kampf von heidnischen Lastern und christlichen Tugenden sowie die anschließenden Errichtung des Tempels in der Seele des Menschen.

Die ersten 725 Verse des Hauptteils stellen die sieben allegorischen Kämpfe von Tugenden und Lastern dar (heidnischer und christlicher Glaube; Keuschheit und Wollust; Geduld und Zorn; Hochmut und Demut; Ausschweifung und Enthaltsamkeit; Habgier und Vernunft; Zwietracht und Einigkeit). Tugenden und Laster sind jeweils Frauengestalten. In Begleitung der Tugenden erscheinen altestamentliche Figuren mit vergleichbaren Attributen, etwa wird die Geduld von Hiob begleitet. Der christliche Glaube erscheint mit Märtyrern. Die Laster werden mit Schlagwörtern der Heidenpolemik beschrieben.

Die Sterbezenen der Laster sind ausführlich dargestellt und erinnern an die Märtyrerliteratur und deren Verarbeitung in Prudentius' Peristephanon. Sie spiegeln ein Prinzip der Vergeltung (Talion) wider, so stürzt etwa die Allegorie der Hochmut vom Pferd in einen von der Allegorie der Arglist ausgehobenen Fallgraben. Die Allegorie des am Boden liegenden, jedoch am Sterben gehinderten heidnischen Glaubens dürfte auf dessen historische Situation verweisen.

Nach der Zäsur in Zeile 725 folgt die Schilderung der Errichtung des Tempels durch die siegreichen Tugenden, der von der Weisheit als höchster Tugend bewohnt wird. Die Beschreibungen des Tempels mit zahlreichen Edelsteinen erinnert an Kirchbauten.

Deutung

Das Epos ist sprachlich schwierig, inhaltlich von vielschichtiger Symbolik und daher auch unterschiedlich interpretiert worden: Die vielerorts eingestreuten dogmatischen, besonders christologischen Ausführungen, sind zweifellos Zeugnis der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Häresien, besonders dem Arianismus, ebenso wie die Kampfszene zwischen (häretischer) Zwietracht und (orthodoxer) Einigkeit. Einzelne Abschnitte sowie Handlung und Form des Werkes deuten auf eine fortdauernde Auseinandersetzung oder Konversionsbemühung mit Blick auf die heidnische Elite hin. Anspielungen an die jüngere Religionsgeschichte sind gelegentlich zu erkennen.

Durch die Symbiose von heidnischer Form und christlichem Inhalt wollte Prudentius vermutlich dem heidnischen Hauptargument der auch nach der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion andauernden Religionskontroverse entgegentreten, christliche Literatur sei der traditionellen römischen Literatur unterlegen. Die Durchbrechung ästhetischer Prinzipien in den Rahmenkämpfen der Kirche nach außen und innen (vgl. oben) deutet auf deren zentrale Thematik hin.



Editionen und Übersetzungen

Prudentius. Vol. I/II. With an English Translation by H. J. Thomson, Cambridge/London Ndr. 1993/1995

online-Edition: ccat.sas.upenn.edu/jod/texts/psychomachia.html [1]

Die deutsche Übersetzung von U. Engelmann, Die Psychomachia des Prudentius, Basel u.a. 1959, ist nur eingeschränkt zu empfehlen.

Sekundärliteratur

Gnilka, Ch., Studien zur Psychomachia des Prudentius (Diss.), Wiesbaden 1963

Rohmann, D., Das langsame Sterben der Veterum Cultura Deorum – Pagane Kulte bei Prudentius, in: Hermes 131, 2003, 235-253

Smith, M., Prudentius’ Psychomachia. A Reexamination, New Jersey 1976