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Schachweltmeisterschaft 1990

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Kontrahenten der Schachweltmeisterschaft 1990
Garri Kasparow
Garri Kasparow
Anatoli Karpow
Anatoli Karpow
Garri Kasparow Anatoli Karpow
Nation
Russland 1991 Russland
Sowjetunion Sowjetunion
Status Titelverteidiger Herausforderer
Alter 27 Jahre 39 Jahre
◄ 1987 1993 ►

Die Schachweltmeisterschaft 1990 fand vom 8. Oktober bis zum 30. Dezember 1990 in New York und Lyon statt. Weltmeister Garri Kasparow besiegte dabei seinen Herausforderer Anatoli Karpow 12½:11½.

Qualifikation

Modus

Der Herausforderer des Weltmeisters wurde im Kandidatenturnier nach dem K.-o.-System ermittelt. Für die erste Runde des Kandidatenturniers waren die vier Halbfinalisten aus dem vorangehenden Zyklus (Schach-WM 1987) gesetzt: Artur Jussupow, Andreï Sokolov, Jan Timman und Rafael Vaganian. Weitere neun Plätze wurden in drei Interzonenturnieren an die jeweils drei Bestplatzierten vergeben. Hinzu kam ein Freiplatz für den Veranstalter, den der Kanadier Kevin Spraggett einnahm.

Diese 14 Spieler spielten in der ersten Runde in Zweikämpfen 7 Sieger aus. In der zweiten Runde kam Exweltmeister Anatoli Karpow hinzu, so dass die 8 Plätze für das Viertelfinale komplett waren.

Interzonenturniere

In den Interzonenturnieren mit jeweils 16 bis 18 Teilnehmern qualifizierten sich die folgenden Spieler:

Kandidatenturnier

Das Achtelfinale und Viertelfinale waren auf 6 Partien limitiert; das Halbfinale wurde auf 8 Partien angesetzt und das Finale auf 12 Partien. Im Falle von Gleichstand gab es eine Verlängerung um 2 Partien und, falls notwendig, weitere Verlängerungen um jeweils 2 Schnellpartien mit immer weiter verkürzter Bedenkzeit.

Achtelfinale 1988

  • Spraggett – Sokolow 6½:5½ n.V.
  • Hjartarson – Kortschnoi 4½:3½ n.V.
  • Portisch – Vaganian 3½:2½
  • Timman – Salow 3½:2½
  • Jussupow – Ehlvest 3½:1½
  • Short – Sax 3½:1½
  • Speelman – Seirawan 4:1

Viertelfinale 1988/89

  • Speelman – Short 3½:1½
  • Karpow – Hjartarson 3½:1½
  • Timman – Portisch 3½:2½
  • Jussupow – Spraggett 5:4 n.V.

Halbfinale 1989

  • Karpow – Jussupow 4½:3½
  • Timman - Speelman 4½:3½

Finale 1990

  • Karpow – Timman 6½:2½

Vorgeschichte

Aus ihrer gegenseitigen Abneigung hatte die beiden Kontrahenten keinen Hehl gemacht. So erschien kurz vor Beginn des Matches im „Spiegel“ ein Interview, in dem sie dies noch einmal unterstrichen. SPIEGEL: Herr Karpow, wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie hier in Hamburg mit Ihrer Frau in ein Restaurant gingen, alle Tische besetzt wären und an einem Tisch mit zwei freien Stühlen das Ehepaar Kasparow säße: Würden Sie sich zu ihnen setzen oder hinausgehen? KARPOW: Ich kann tagelang auf jede Nahrungsaufnahme verzichten.[1]

Organisation und Regeln

Das Match sollte über maximal 24 Partien gehen und vorzeitig beendet werden, sobald ein Spieler mit mindestens 12½ Punkten uneinholbar in Führung läge oder 6 Siege erzielt hätte. Die Bedenkzeit betrug zweieinhalb Stunden für die ersten 40 Züge; nach Unterbrechung dann jeweils eine Stunde für 16 Züge. Im Falle eines 12:12 würde Kasparow seinen Titel behalten. Das Preisgeld sollte im Verhältnis 5:3 zwischen Sieger und Verlierer aufgeteilt werden; im Falle eines Unentschiedens erhielte jeder die Hälfte. Die ersten 12 Partien fanden in New York City statt, die folgenden in Lyon. Als Hauptschiedsrichter fungierte wie bereits 1987 der Niederländer Geurt Gijssen.

Kasparow trat nicht unter der Flagge der Sowjetunion an (und auch nicht unter der Flagge der Russischen Sowjetrepublik) sondern unter der weiß-blau-roten Flagge Russlands.

Verlauf der Weltmeisterschaft

Kasparow ging bereits in der zweiten Partie mit einem überzeugenden Angriff in Führung. Ein spektakuläres Damenopfer gegen zwei Leichtfiguren in der dritten Partie brachte ihn auch hier in Vorteil, aber nach einer Ungenauigkeit Kasparows beim Abgabezug konnte Karpow die Partie remis halten. In der vierten Partie griff Kasparow wieder vehement an, musste am Schluss aber froh sein, sich ins Dauerschach retten zu können.

Die folgenden Partien waren etwas ruhiger. Ein grober Patzer des Weltmeisters bescherte Karpow in der siebenten Partie den Ausgleich. Es folgte eine Serie von acht Remispartien. In der 14. Partie überraschte Kasparow mit seiner Eröffnungswahl: Die Schottische Partie war zuletzt 1892 bei einem Weltmeisterschaftskampf angewendet worden. Auch in der 16. Partie griff er zu Schottisch, und nach zweimaligem Abbruch gelang dem Weltmeister ein studienhafter Gewinn im 102. Zug. Dies war die längste Gewinnpartie, die je in einer Schach-WM gespielt wurde.

Karpow konterte in der 17. Partie, in der er Kasparow keine Chance ließ, aber in der 18. Partie widerlegte Kasparow eine von Karpow vorbereitete Eröffnungsvariante und ging wiederum in Führung. In der 19. Partie stand Kasparow klar überlegen, als er im 39. Zug, nur einen Zug vor dem möglichen Partieabbruch, völlig unerwartet Remis anbot − aus Erschöpfung, wie er später sagte. In der 20. Partie landete Kasparow einen weiteren überzeugenden Angriffssieg. Ein Remis in der 22. Partie führte zum 12:10, womit die Titelverteidigung gesichert war. In der 23. Partie verkürzte Karpow den Abstand. In der letzten Partie bot Kasparow bei gewonnener Stellung Remis an und sicherte sich damit den Sieg zum 12½:11½.

Alle sieben Gewinnpartien wurden mit den weißen Figuren gewonnen.

Schachweltmeisterschaft 1990
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Siege Punkte
Garri Kasparow ½ 1 ½ ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 0 1 ½ 1 ½ ½ 0 ½ 4 12½
Anatoli Karpow ½ 0 ½ ½ ½ ½ 1 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 0 1 0 ½ 0 ½ ½ 1 ½ 3 11½

Literatur

Einzelnachweise

  1. Mit ihm essen? Lieber hungern. Der Spiegel, 1. Oktober 1990