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Monument (Installation)

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Datei:Monument by Manaf Halbouni II.jpg
Installation vor der Frauenkirche
Dresdner Neumarkt ohne Installation

Die Installation „Monument“ ist eine Kunstaktion und ein Mahnmal des syrisch-deutschen Künstlers Manaf Halbouni vor der Dresdner Frauenkirche. Von Anfang Februar bis April 2017[veraltet] bilden drei ausrangierte Busse hochkant eine Barrikade auf dem Dresdner Neumarkt. Historisches Vorbild ist eine Barrikade, wie sie während des Bürgerkriegs in Syrien in Aleppo als Schutzschild gegen Scharfschützen gedient haben soll. Manaf Halbouni, Absolvent der Dresdner Hochschule für bildende Künste, und die Stadt Dresden möchten mit der Skulptur ein „Zeichen für Frieden, Freiheit und Menschlichkeit“ setzen.[1]

Hintergrund

In der heftig umkämpften syrischen Stadt Aleppo stellte die Ahrar-al-Sham-Brigade als Schutz vor Scharfschützen drei Linienbus-Wracks hochkant in eine Straße.[2] Das Bild wurde als eines der Symbole für die humanitäre Katastrophe des Syrischen Bürgerkrieges weltweit bekannt. Da die aufstellende Ahrar-al-Sham-Brigade laut der Stiftung Wissenschaft und Politik zum islamistisch-salafistischen Teil der Bürgerkriegsparteien zählt, gab es inzwischen Zweifel, ob die Busse wirklich wie vom Künstler angenommen primär als Schutz für Zivilisten oder eher als strategische Sperre der Brigade aufgestellt wurden. Halbouni distanzierte sich von der Brigade und von jeder politischen Strömung in Syrien. Der Bezug zur al-Sham-Brigade sei ihm bislang nicht bekannt gewesen. An der intendierten Botschaft seines Kunstwerkes ändere das nichts: die Skulptur mit den drei senkrecht stehenden Bussen erinnere an den syrischen Bürgerkrieg.[3] Christiane Mennicke-Schwarz, die Leiterin des Kunsthauses Dresden betonte, dass das Werk von Halbouni nicht die komplexe Situation des Bürgerkriegs abbilden solle, sondern primär als Mahnmal gegen Gewalt – auch von Terroristen – dienen solle.[4]

Halbouni im Gespräch auf dem Dresdner Neumarkt

Manaf Halbouni

Der Bildhauer Manaf Halbouni wurde 1984 als Sohn einer Deutschen aus Dresden und eines Syrers in Damaskus geboren. Er studierte von 2005 bis 2008 Bildhauerei in Damaskus und anschließend seit 2009 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Von 2014 bis 2016 war er Meisterschüler bei Eberhard Bosslet.[5] Er lebt seit Jahren in Dresden und jobbt, macht Kunst und Ausstellungen. Manaf Halbouni beschäftigt sich schon länger mit den Themen Flucht und Identität. 2015 stellte er einen alten Mercedes mit Matratzen, Reisekoffern, zusammengerollten Teppichen, Büchern, einem Kasten Bier und Gartenzwergen beladen vor dem Theaterplatz in Dresden ab. Passanten konnten sich mit einem Schild „Sachse auf der Flucht“ fotografieren lassen. Während die Aktion in Dresden verhalten aufgenommen wurde, wurde das Projekt nach London und zur Biennale eingeladen.[6]

Installation

Die Installation „Monument“ ist Teil des Kulturfestes „Am Fluss/At The River – Kunst, Theater, Performances, Konzerte, Gespräche, Workshops zu Kulturen des Ankommens entlang der Elbe“ auf dem Dresdner Neumarkt. Das Fest ist eine gemeinsame Initiative des Kunsthauses Dresden und des Societaetstheaters Dresden.[7] Finanziert wurde die Installation „Monument“ von der Stadt Dresden und Privatpersonen.[8] Die Aktion steht im Kontext mehrere Kunstaktionen um das Gedenken an den 13. Februar 1945, der Zerstörung Dresdens im 2. Weltkrieg. Die Skulptur soll auch die Verbindung des im 2. Weltkrieg von den Alliierten stark zerstörten Dresdens mit der aktuell stark zerstörten Stadt Aleppo herstellen.

Auf dem Theaterplatz, direkt vor der Semperoper wird in gleichem Zusammenhang die Installation Lampedusa 361 gezeigt. 90 großformatige Fotos von Gräbern werden auf dem Platz ausgebreitet als symbolische Gräber von Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrunken sind.

Die Installation wird rund um die Uhr von der Polizei bewacht.[9]

Monument

Das „Monument“ besteht aus drei hochkant gestellten Bussen. Dabei handelt es sich um ausrangierte Linienbusse der Nürnberger Verkehrsbetriebe. An die Busse wurden auf der Rückseite zwei Doppel-T-Träger geschweißt und sie darin verankert. Ein Betonfundament wurde gegossen, worauf die Busse geschraubt sind.[6]

Neurechte und Pegida-Proteste

Die Aktion soll ein Mahnmal sein für die humanitäre Katastrophe für Zivilisationen durch Kriege. Bewusst wird eine Verbindung zur Zerstörung von Aleppo im Syrischen Bürgerkrieg und der Zerstörung Dresdens im 2. Weltkrieg gezogen.

Die Kritiker aus dem Umfeld der Pegida-Bewegung sehen darin eine einseitige Verharmlosung der Opfer in Dresden, behaupten, dass die Situation in Syrien nicht vergleichbar schlimm und deshalb auch eine Flucht von Syrern nach Deutschland nicht gerechtfertigt sei.[10] Solcherlei Kritik und Schmähungen der Aktion gab es nach Bekanntwerden in großer Zahl von Pegida. Sie wurden von der sächsischen AfD unterstützt. In sozialen Netzwerken wie Facebook wurde sich gegen die Skulptur ausgesprochen und auch Manaf Halbouni direkt auf seiner Seite attackiert.[8] In Medien der Neuen Rechten wurde gegen das Mahnmal polemisiert und zum Protest mobilisiert. Das Medienportal "Ein Prozent" von Jürgen Elsässer, Hans-Thomas Tillschneider (AfD) berichtete ausführlich.[11]

Pegida-Initiator Lutz Bachmann kündigte eine Klage gegen die Installation an, weil sie den „Terrorismus verherrliche“. Pegida-Vizesprecher Siegfried Däbritz rief Pegida-Anhänger auf, zur Einweihung der Installation zu gehen.[12]

Oberbürgermeister Dirk Hilbert bei seiner Rede

Eröffnung

Bei der Einweihung der Installation am 7. Februar 2017 kam es zu heftigen Protesten und Störungen durch Menschen aus dem Umfeld von Pegida. Der MDR sprach lediglich von 60[13], ein Reporter der Dresdner Neuesten Nachrichten zählte bis zu 300[14] und die Zeit 400 Gegner[15]. Mit Trillerpfeifen, Megafonen, Buhrufen und Parolen wie „Haut ab“ oder „Schande“ störten sie die Eröffnung. Die Videodokumentation des DNN zeigt wie mehrfach „Volksverräter“ oder „Hilbert muss weg“ skandiert wurde; auch das „Umwerfen“ der aufgestellten Busse wurde immer wieder lautstark gefordert. Ein anwesender Fotograf wurde von den Demonstranten so stark bedrängt, dass die Polizei eingreifen musste. „Erinnerungen an die Proteste vom 3. Oktober wurden wach, auch da es sich bei einem großen Teil der Störer offensichtlich um die gleichen Personen handelte.“ schrieben die DNN.[16] Am 3. Oktober 2016 hatten Pegida-Anhänger die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden 2016 gestört.

Das Mahnmal wurde von Christiane Mennicke-Schwarz, Leiterin des Kunsthauses Dresden, Sebastian Feydt, Pfarrer der Frauenkirche, dem Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert sowie Manaf Halbouni eingeweiht.

Manaf Halbouni sagte bei seiner Rede während der Einweihung in Richtung der Demonstranten: „Ihr wollt die ganze Zeit für eure Rechte oder für die abendländischen, christlichen Werte kämpfen. Schämt euch, denn ihr macht es nicht. Ihr habt nicht einmal dem Pfarrer erlaubt zu sprechen. Jeder darf hier seine Meinung sagen. Auch ihr. Aber man macht das mit Kultur und man sagt das gesittet.“[13]

Rezeption

Doreen Reinhard schrieb über Halbouni und seine Installation in der ZEIT: „In seiner künstlerischen Bearbeitung zieht er Verbindungen zu Dresdner Zivilisten, die sich 1945 ebenfalls vor Angriffen schützen mussten. Insofern versteht sich sein Monument auch als Mahnmal für Dresdens Bomben-Opfer.“[15]

Die Stiftung Frauenkirche Dresden begrüßte die Installation als Zeichen der Mahnung an das Leid der von Krieg und Zerstörung betroffenen Menschen in Syrien und aller Welt. Sie sei ein Impuls zum festen Glauben an einen Neubeginn.[7]

Die sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Karin Wilke sagte, man wolle mit der Installation offenbar ganz bewusst die Dresdner düpieren, „um damit die Pegida-Bewegung auf die Barrikaden zu bringen“.[17]

Die Ereignisse in Syrien beeinflussten „auch unser Leben – ob wir das wollen oder nicht“, sagte Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert bei der Eröffnung. Im Vorfeld der Gedenkveranstaltungen am 13. Februar warnte er vor einem „Opfermythos“ in Dresden.[18] Gerade in Zeiten des erstarkenden Populismus – „nicht nur in unserer Stadt, sondern in der gesamten westlichen Welt“ wolle seine Stadt am 13. Februar Akzente setzen.[19]

Der Journalist Peter Nowak kritisierte in Telepolis, dass längst völkisch-nationalistische Kreise um Pegida die Debatte um die Installation dominierten. Inhaltlich kritsisierte Nowak, der Künstler habe nicht nur die Forderung nach Frieden erhoben, sondern auch das Bild der unschuldig zerstörten und nun wiedererstanden Stadt ohne eine notwendige politische Einordnung gezeichnet. Halbouni bediene "auch einen Dresden-Mythos. Es geht nicht mehr um politische Kräfte und um die Frage, wer hier was verteidigte." "Welche symbolische Botschaft geht denn von einer von Islamisten gegen eine repressive laizistische Regierung verteidigten Barrikade aus?" fragt Nowak; und weiter: "Ist eine solche Ignoranz gegenüber politischen Zusammenhängen nicht sehr ähnlich jener deutschen Entschuldigung, man habe bis zur letzten Minute den Nazis die Treue gehalten, weil man sich gegen die Alliierten verteidigen musste?" Vielmehr werde "der Unterschied zwischen Frieden und "Friedhofsruhe" immer mehr verwischt." Differenzierte Diskussionen rund um die Installation würden leider kaum geführt, "weil die rechten Anhänger eines deutschvölkischen Dresden-Gedenkens die Debatte geprägt haben."[20]

Commons: „Monument“ von Manaf Halbouni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dresden: Ausstellungen. Abgerufen am 8. Februar 2017 (deutsch).
  2. See How Syrians Are Protecting Themselves From Snipers. Abgerufen am 8. Februar 2017.
  3. mdr.de: Streit um Aleppo-Kunstwerk geht weiter | MDR.DE. (mdr.de [abgerufen am 10. Februar 2017]).
  4. sz-online: Wer baute die Straßensperre von Aleppo? In: SZ-Online. (sz-online.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  5. Leipziger Volkszeitung: Gegen die Fahrtrichtung: Manaf Halbouni und seine „Fluchtautos“ in Leipzig., 26. April 2016, abgerufen am 9. Februar 2017
  6. a b Manaf Halbounis Kunstprojekt in Dresden - „Mahnend gegen den Krieg − es ist für den Frieden“. In: Deutschlandradio Kultur. (deutschlandradiokultur.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  7. a b Umstrittene Kunstinstallation vor der Frauenkirche | DER SONNTAG (Sachsen). Abgerufen am 9. Februar 2017.
  8. a b Kunstaktion in Dresden - Buswracks erinnern an zerstörtes Aleppo. In: Deutschlandfunk. (deutschlandfunk.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  9. mdr.de: Debatte über Kunst im öffentlichen Raum | MDR.DE. (mdr.de [abgerufen am 12. Februar 2017]).
  10. Philip Oltermann: Dresden's bitter divide over Aleppo-inspired bus barricade sculpture. In: The Guardian. 7. Februar 2017, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 9. Februar 2017]).
  11. https://einprozent.de/dresdner-bus-monument-solidaritaetsaktion-fuer-terrormiliz/. Abgerufen am 13. Februar 2017 (deutsch).
  12. Felix Langhammer, Axel Gebauer; WARENFORM http://www.warenform.net: AfD wettert gegen Dresdner Aleppo-Kunstwerk (neues deutschland). (neues-deutschland.de [abgerufen am 9. Februar 2017]).
  13. a b mdr.de: Gegner stören Einweihung von „Monument“ in Dresden | MDR.DE. (mdr.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  14. Rechter Mob gegen Aleppo-Kunstprojekt. (tagesspiegel.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  15. a b Doreen Reinhard: Dresden: Tumultartige Trauerarbeit. In: Die Zeit. 8. Februar 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 8. Februar 2017]).
  16. DNN-Online: Umstrittene Kunstinstallation – Pegida-Anhänger stören „Monument“-Eröffnung auf dem Dresdner Neumarkt – DNN - Dresdner Neueste Nachrichten. Abgerufen am 8. Februar 2017.
  17. Michael Bartsch: Widerstand gegen Dresdner Mahnmal: Kein Mitgefühl für Aleppo. In: die tageszeitung. (taz.de [abgerufen am 9. Februar 2017]).
  18. Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF): Störungen gegen Kunstprojekt: Dresdner „Monument“ erinnert an Aleppo - heute-Nachrichten. Abgerufen am 9. Februar 2017.
  19. Felix Langhammer, Axel Gebauer; WARENFORM http://www.warenform.net: AfD wettert gegen Dresdner Aleppo-Kunstwerk (neues deutschland). (neues-deutschland.de [abgerufen am 9. Februar 2017]).
  20. Peter Nowak: Dresdner Opfermythos trifft auf Installation eines syrischen Künstlers. Abgerufen am 12. Februar 2017 (deutsch).

Koordinaten: 51° 3′ 6″ N, 13° 44′ 27,3″ O