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Pfeilerwertigkeit

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Volle Pfeilerwertigkeit der Schneidezähne 11, 21
Reduzierte Pfeilerwertigkeit der Schneidezähne 11, 21 durch parodontalen Abbau

Unter Pfeilerwertigkeit wird die Verwendbarkeit von Zähnen als Pfeilerzähne für festsitzenden oder herausnehmbaren Zahnersatz verstanden. Pfeilerzähne sind Zähne, die die Belastung von ersetzten Zähnen mittragen müssen. Die Pfeilerwertigkeit ist ein Ausdruck der zahnbezogenen Prognose, vor dem Hintergrund einer geplanten Einbeziehung in verschiedene prothetische Restaurationen. Für die Planung von langfristig haltbarem Zahnersatz sind die vorgesehenen Pfeilerzähne zu bewerten, ob sie in der Lage sind, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Grenzziehungen zwischen Verwertbarkeit und Nichtverwertbarkeit von Zähnen sind schwierig und oft nicht eindeutig. Im klinischen Alltag ist eine angemessene Risikobewertung bei der Zahnersatzplanung unverzichtbar. Sie gehört zu den wichtigsten zahnärztlichen Kompetenzen und hilft Misserfolge zu reduzieren.[1]

Grundwertigkeit der Zähne

Die Anzahl, die Länge und der Durchmesser der Wurzeln bestimmen zunächst die Grundwertigkeit eines gesunden Pfeilerzahnes. Die Grundwertigkeit wird in drei Klassen eingeteilt:[2]

1 = beste Wertigkeit

2 = mittlere Wertigkeit

3 = eingeschränkte Wertigkeit

Grundwertigkeit von Pfeilerzähnen
oben rechts oben links
 3  1  1  2  3  1  3  2  2  3  1  3  2  1  1  3 Pfeilerwertigkeit
  18   17   16   15   14   13   12   11   21   22   23   24   25   26   27   28 Zahn-
  48   47   46   45   44   43   42   41   31   32   33   34   35   36   37   38 bezeichnung
 3  1  1  2  2  1  3  3  3  3  1  2  2  1  1  3 Pfeilerwertigkeit
unten rechts unten links

(Incisivi (Schneidezähne), Canini (Eckzähne), Prämolaren (kleine Backenzähne), Molaren (Große Backenzähne)).

Beispielsweise sind die Zahnwurzeln der unteren Frontzähne (32–42) sehr dünn und können deshalb keine so hohen Belastungen tragen, wie vergleichsweise die unteren Eckzähne, die längere und dickere Wurzeln aufweisen.

Belastungswert der Zähne

Der Basler Hochschullehrer Gottlieb Vest hat eine eigene Einteilung der Pfeilerwertigkeit vorgenommen und hat diese als Belastungswert bezeichnet. Der niedrigste Wert liegt bei 1 (niedrigste Belastbarkeit), der höchste Wert bei 6 (größte Belastbarkeit).[3] (Zahnschemata werden aus Sicht des Patienten geschrieben).

Belastungswert nach Vest
oben rechts oben links
 4  6  6  4  4  5  3  4  4  3  5  4  4  6  6  4 Belastungswert
  18   17   16   15   14   13   12   11   21   22   23   24   25   26   27   28 Zahn-
  48   47   46   45   44   43   42   41   31   32   33   34   35   36   37   38 bezeichnung
 4  6  6  4  4  5  2  1  1  2  5  4  4  6  6  4 Belastungswert
unten rechts unten links

(Incisivi, Canini, Prämolaren, Molaren).

Der Belastungswert der zu ersetzenden Zähne muss nach Vest größer oder gleich dem Belastungswert der Pfeilerzähne entsprechen, um eine ausreichende Langzeitprognose einer anzufertigenden Brücke zu gewährleisten. Fehlen beispielsweise die unteren vier Frontzähne 32–42, die einen Belastungswert von 2 + 1 + 1 + 2 = 6 aufweisen, so genügen die beiden unteren Eckzähne 33 und 43 als Pfeilerzähne zum Ersatz dieser Zähne, die einen Belastungswert von 5 + 5 = 10 aufweisen. Fehlen jedoch die beiden Molaren 26 und 27 (Belastungswert 6 + 6 = 12), so genügen nach Vest die beiden endständigen Zähne 25 und 28 als alleinige Pfeilerzähne nicht (Belastungswert 4 + 4 = 8). Es sollte deshalb der Zahn 24 in einen Brückenzahnersatz mit einbezogen werden (Belastungswert 4 + 4 + 4 = 12).

Kriterien für die Pfeilerwertigkeit

Im zweiten Schritt werden hinsichtlich der individuellen Verwertbarkeit eines Zahnes zusätzliche Faktoren überprüft.[4]

Parodontaler Zustand

Rontgenaufnahme der Unterkieferfrontzähne: Die Zähne 31 und 42 sind hinsichtlich ihrer Pfeilerwertigkeit als Brückenanker zum Lückenschluss des Zahnes 41 auf Grund des parodontalen Knochenabbaus nicht mehr verwertbar.

Der parodontale Zustand eines Zahnes bestimmt in hohem Maße die Pfeilerwertigkeit. Parodontale Erkrankungen machen oft einen Zahn auf Grund des Knochenabbaus der Alveolen nicht verwertbar. Durch Fortschritte in der Parodontologie ist in vielen Fällen eine parodontale Sanierung möglich, die die Verwendbarkeit wiederherstellt. Zahnfleischtaschentiefen von mehr als 6 mm reduzieren die Pfeilerwertigkeit erheblich, weil der Zahn nur noch begrenzt im Kieferknochen verankert ist. Nach Eduard Mühlreiter und Theodore Emile de Jonge-Cohen beträgt die durchschnittliche Wurzellänge zwischen 12 mm (untere Frontzähne) und 16 mm (obere Eckzähne).[5]

Oberfläche des Desmodonts

Als Desmodont (Wurzelhaut) wird das Bindegewebe des Zahnhalteapparates (Parodontium) bezeichnet. Das Ante’sche Gesetz, (aufgestellt 1926 durch den Kanadischen Zahnarzt Irwin H. Ante) fordert, dass die Gesamtfläche des Desmodonts der im Knochen verankerten Wurzeln der Pfeilerzähne mindestens der (theoretischen) Gesamtfläche des Desmodonts der Wurzeln der zu ersetzenden Zähne entsprechen müsse. Ist dies nicht der Fall, würden die Pfeilerzähne überlastet und es käme in der Folge zu weiterem Knochenabbau an den Pfeilerzähnen.[6] Antes Aussagen sind jedoch nicht evidenzbasiert und daher nicht unbedingt verlässlich. Es wird heutzutage eher als Empfehlung, als ein ‚Gesetz‘ angesehen.[7][8]

Eine vereinfachte Regel besagt, dass die Anzahl der Pfeilerzähne der Anzahl der zu ersetzenden Zähne entsprechen müsse. Diese vereinfachte Regel berücksichtigt aber eventuellen Knochenabbau an den Pfeilerzähnen nicht.

Der Bonner Hochschullehrer Søren Jepsen hat die Durchschnittswerte der Wurzeloberflächen der Zähne bei gesundem Parodont vermessen.[9] Mit diesen Anhaltswerten lässt sich die nach dem Ante´schen Gesetz geforderte Oberfläche der Wurzeloberflächen berechnen, ob sie derjenigen der zu ersetzenden Zähne entspricht. Der individuelle Einzelfall muss anhand von Röntgenaufnahmen der noch vorhandenen Zähne mittels Halbwinkeltechnik beurteilt werden. Durch die vielen Wurzelvarianten der Weisheitszähne 18, 28, 38, 48 sind für sie keine Durchschnittswerte angegeben.

Verschiedene Wurzelformen von Weisheitszähnen
Wurzelhautoberfläche
oben rechts oben links
   431  433  220  234  273  179  204  204  179  273  234  220  433  431   in mm2
  18   17   16   15   14   13   12   11   21   22   23   24   25   26   27   28 Zahn-
  48   47   46   45   44   43   42   41   31   32   33   34   35   36   37   38 bezeichnung
   431  433  207  180  268  168  154  154  168  268  180  207  433  431   in mm2
unten rechts unten links

(Incisivi, Canini, Prämolaren, Molaren).

Kronen-Wurzel-Relation

Durch parodontale Erkrankungen oder durch Überlastung einzelner Zähne (okklusales Trauma) kommt es zu einem Abbau des Alveolarknochens, in dem die Zähne verankert sind. Gleichzeitig können die Zahnwurzeln durch den gleichzeitig erfolgenden Zahnfleischrückgang sichtbar werden. Als Faustregel gilt, dass die Länge des sichtbaren Teils des Zahnes die Länge der im Knochen verankerten Wurzel nicht überschreiten darf, weil sonst die Hebelkräfte, die auf die Wurzel wirken, zu groß würden, was zu einer Zahnlockerung führen kann.[10]

Wurzelform

Wurzelformen in einem Plexiglasmodell

Eine günstige Wurzelform weisen Zähne mit gespreizten Wurzeln auf, wie sie in der Abbildung an den Molaren zu sehen sind. Ebenso erhöht sich die Pfeilerwertigkeit durch die Form der einzelnen Wurzel, die im günstigen Fall eine zylindrische Form aufweist (in der Abbildung der zweite Zahn von links – Eckzahn 23). Ungünstig sind konisch zulaufende und kurze Wurzeln.

Furkationsgrad

Als Bifurkation (bei zweiwurzligen Zähnen) oder Trifurkation (bei dreiwurzligen Zähnen) wird die Aufteilungsstelle der Zahnwurzeln bei mehrwurzeligen Zähnen bezeichnet. Beim parodontal gesunden Zahn liegen sie innerhalb des Kieferknochens und sind weder sicht- noch sondierbar. Bifurkation und Trifurkation werden in vier Furkationsgrade eingeteilt. Eine freiliegende Furkation bildet einen potentiellen Entzündungsbereich, der oftmals schwer zu reinigen ist. Je nach Ausprägung kann eine freiliegende Furkation die Pfeilerwertigkeit reduzieren.[11]

Röntgenbild eines unteren rechten Molaren (Zahn 46) vor und nach Prämolarisierung und Wurzelkanalbehandlung (Darstellung durch Bildbearbeitung); Pfeil zeigt auf freiliegende Bifurkation
Furkationsgrade
Furkationsgrad 0 Furkation nicht tastbar
Furkationsgrad 1 Furkationseingang palpabel
Furkationsgrad 2 Furkation deutlich, aber nicht durchgängig, sondierbar
Furkationsgrad 3 Furkation sondierbar und beidseitig durchgängig

Hemisezierte oder prämolarisierte Zähne

Unter einer Hemisektion versteht man die Durchtrennung eines unteren Molaren mit einer Teilextraktion einer Zahnwurzel. Bei einer Prämolarisierung erfolgt ebenfalls eine Durchtrennung des Molaren, jedoch bleiben beide Wurzeln erhalten. Aus einem Molar werden dadurch zwei Prämolaren. Die Prämolarisierung ist eine Therapiemaßnahme zur Beseitigung einer freiliegenden Bifurkation. Dabei entsteht aus der Bifurkation ein Interdentalraum (Zahnzwischenraum), der einer Reinigung besser zugänglich ist. Ein hemisezierter oder prämolarisierter Zahn hat nur bei vollständiger Wurzellänge und einem hohen Erhaltungsgrad des verbliebenen Kronenrestes eine Pfeilerwertigkeit 3. Die prämolarisierten Zahnanteile sind in diesem Fall für die Versorgung mittels einer beziehungsweise zwei Kronen geeignet, jedoch nicht als Stützpfeiler für eine Brücke oder herausnehmbaren Zahnersatz.[12]

Kippungsgrad

Röntgenaufnahme eines um 45° nach mesial gekippten Molaren (Zahn 47)
Kippmoment bei nicht axialer Belastung eines gekippten Molaren

Gekippte Zähne sind nicht so belastbar, wie gerade stehende Zähne. Die Sharpey-Fasern an denen der Zahn in der Alveole (Zahnfach) aufgehängt ist, werden bei Belastung ungleichmäßig gedehnt und belastet. Durch eine Kippung können Schmutznischen entstehen, die zu Entzündungen führen können. Bei zu starker Kippung ist eine gemeinsame Einschubrichtung für den Zahnersatz schwer zu präparieren. Sie kann durch ein Ausgleichsgeschiebe überwunden werden. Alternativ kann der Zahn durch eine kieferorthopädische Behandlung wieder aufgerichtet werden. Eine Kippung von bis zu 30° ist tolerabel. Eine größere Kippung schränkt die Verwendbarkeit stark ein. Falls keine weiteren wertigkeitsmindernden Faktoren vorliegen, können solche Zähne als endständige Pfeilerzähne Verwendung finden. Zähne mit einem Kippungsgrad von mehr als 40° haben keine Verwertbarkeit mehr als Pfeilerzähne.[4] Optisch kann ein gekippter Zahn durch eine Krone zwar scheinbar aufgerichtet werden, jedoch trifft die Belastung immer auf einen gekippten Zahn.

Zahnbeweglichkeit

Die Zahnbeweglichkeit wird in vier Lockerungsgraden (auch Mobilitätsgraden) gemessen, wobei es vier verschiedene Klassifikationen gibt. Grad 0 und Grad 1 reduzieren die Pfeilerwertigkeit nicht, Grad 2 setzt eine umfassende Therapie des Zahnes voraus oder lässt nur eine Verwendbarkeit als Übergangsversorgung (Interimsversorgung) zu. Bei Grad 3 ist keine Pfeilerwertigkeit mehr gegeben. Die Messungen selbst können unter Zuhilfenahme einer kalibrierten Parodontalsonde oder elektronisch (Periotest) durchgeführt werden.[13]

Klassifikation in der Gesetzlichen Krankenversicherung

1. Zahn 2. Zahnschmelz 3. Dentin (Zahnbein) 4. Pulpencavum mit Pulpa 5. Kronenpulpa 6. Wurzelpulpa 7. Wurzelzement 8. Zahnkrone 9. Höcker 10. Fissur 11. Zahnhals 12. Zahnwurzel 13. Bifurkation 14. Wurzelspitze 15. Foramen apicale 16. Sulcus gingivae 17. Zahnhalteapparat 18. Zahnfleisch: 19. oral oder vestibulär 20. marginal 21. alveolar 22. Wurzelhaut mit Sharpey-Fasern 23. Alveolarknochen (Die feine gelbe Linie ist die Lamina dura). 24. Gefäße und Nerven: 25. Pulpa 26. Parodontium 27. Canalis mandibulae.
GKV-Klassifikation[14]
Lockerungsgrad 0 physiologische Beweglichkeit
Lockerungsgrad I gerade fühlbare Beweglichkeit
Lockerungsgrad II sichtbare Beweglichkeit
Lockerungsgrad III beweglich auf Lippen- oder Zungendruck oder axiale Beweglichkeit

Die Zahnbeweglichkeit wird im Zahnstatus mit römischen Zahlen abgebildet.

Klassifikation nach Carranza und Takai

Klassifikation nach Carranza und Takai[15]
Mobilitätsgrad 0 normale Beweglichkeit
Mobilitätsgrad 1 etwas mehr als normale Beweglichkeit
Mobilitätsgrad 2 moderat mehr als normale Beweglichkeit
Mobilitätsgrad 3 starke Beweglichkeit, faziooral oder mesiolingual, verbunden mit vertikaler Mobilität

Klassifikation nach Lindhe und Nymann

Klassifikation nach Lindhe und Nymann[16]
Mobilitätsgrad 0 normale Beweglichkeit
Mobilitätsgrad 1 horizontale Beweglichkeit von 0,2 mm bis 1 mm
Mobilitätsgrad 2 horizontale Beweglichkeit von 1 mm bis 2 mm
Mobilitätsgrad 3 horizontale Beweglichkeit von mehr als 2,0 mm und/oder axiale Beweglichkeit

Klopfschall

Die Zähne können durch Klopfen, beispielsweise mittels eines Instrumentengriffs, hinsichtlich ihres Klopfschalls überprüft werden. Ein heller Klopfschall zeugt von einem mitschwingenden Knochen, in dem der Zahn fest verankert ist. Der gesunde Sharpey’sche Faserapparat koppelt den Zahn gut mit dem Kieferknochen, Anzeichen einer reduzierten Primärstabilität des Zahnes ist ein dumpfer Klopfschall. In diesem Fall ist der Periodontalspalt verbreitert, was auf eine reduzierte parodontale Befestigung des Zahnes und damit auf eine reduzierte Pfeilerwertigkeit schließen lässt. Das parodontale Gewebe ist entzündlich infiltriert, die Kopplung zwischen Zahn und Knochen ist nicht oder nur reduziert gegeben.[17]

Endodontischer Zustand

Keine Pfeilerwertigkeit des wurzelgefüllten Zahnes 25 nach Wurzelspitzenresektion und rezidivierender apikaler Parodontitis

Eine reizlose Pulpa (umgangssprachlich: „Zahnnerv“) ist Voraussetzung für eine hohe Pfeilerwertigkeit eines Zahnes. Ist der Zahn pulpitisch oder devital, muss er endodontisch behandelt werden, um (auch) eine entsprechende Pfeilerwertigkeit zu erlangen. Ein endodontisch behandelter Zahn weist eine höhere Sprödheit auf. Das kann die Pfeilerwertigkeit reduzieren.[18] Nach einer Wurzelkanalbehandlung muss die Wurzelkanalfüllung bis zum physiologischen Apex reichen und randständig sein. Periapikale Entzündungen führen zu einer Nichtverwertbarkeit des Zahnes, solange die Entzündung nicht abgeheilt oder durch eine Wurzelspitzenresektion (Kappung der Wurzelspitze) beseitigt worden ist.[19]

Kariöse Zerstörung

Freigelegter Alveolarknochen: Bis zum Alveolenrand zerstörte Zahnkrone mit Wurzelfüllung in zwei Wurzelkanälen

Das Ausmaß einer kariösen Zerstörung beeinflusst die Verwendbarkeit eines Zahnes als Pfeilerzahn. Im Fall einer umfangreichen beziehungsweise vollständigen Zerstörung der klinischen Krone muss eine Rekonstruktion der klinischen Krone durch Aufbauten erfolgen, die wiederum in den Zahnwurzeln fest verankert sein müssen. Hierfür kann die Befestigung der Aufbauten durch Aufbaufüllungen mit und ohne Retentionsstifte und/oder eine adhäsive Befestigung oder durch Stiftaufbauten erfolgen. Der Durchmesser eines Wurzelstifts muss ein Drittel des Wurzeldurchmessers betragen, die Stiftlänge muss mindestens der Länge der zu ersetzenden Zahnkrone entsprechen. Stifte schwächen jedoch die Zahnwurzel, wodurch die Pfeilerwertigkeit reduziert wird.

Der Zerstörungsgrad muss einen ausreichenden Randschluss der künstlichen Zahnkrone zulassen. Der Kronenrand muss dabei den Zahn fest umfassen (Ferrule-Effekt). Dies bedeutet, der Kronenrand muss in etwa 1–2 mm Breite den Zahn umfassen können. Ist der Zahn entsprechend zerstört, kann eine chirurgische Kronenverlängerung diesen Ferrulebereich schaffen. Bei der chirurgischen Kronenverlängerung wird der Knochensaum um den Zahn herum abgetragen. Damit wird jedoch wiederum der im Kieferknochen verankerte Wurzelanteil verkürzt, wodurch die Pfeilerwertigkeit ebenso reduziert wird.[20][21]

Retentionsform

Zur Verwertbarkeit eines Zahnes und zu dessen Pfeilerwertigkeit gehört die Möglichkeit, eine Retentionsform durch Zuschleifen (Präparation) des Zahnes herzustellen. Der Halt einer Krone an einem Zahn wird nicht allein durch das Befestigungsmaterial erreicht. Zusätzlich muss eine leicht konische Form (5°- bis 8°-Konuswinkel) für eine Retention der Zahnkrone sorgen. Ebenso ist die Größe der Retentionsfläche maßgeblich für den Halt einer Krone. Ist ein Zahn zu stark zerstört oder wurde bereits bei einer früheren Präparation zu konisch gestaltet oder ist der Kronenstumpf zu kurz, dann sinkt die Pfeilerwertigkeit erheblich.[22]

Implantate

Röntgenaufnahme eines durch zwei Implantate ersetzten zweiwurzligen Molaren; hohe Pfeilerwertigkeit

Die Pfeilerwertigkeit von Implantaten entspricht bei ausreichendem Knochenangebot zur Verankerung (zirkulär ≥ 2 mm), nach einer vollständigen Osseointegration (Verknöcherung), ausreichender Länge (≥ 10 mm) und ausreichendem Durchmesser (≥ 4 mm) derjenigen eines gesunden, natürlichen Eckzahnes (Grad 1). Je nachdem, welche Abstriche bei den genannten Kriterien gemacht werden müssen, kann die Pfeilerwertigkeit von Implantaten entsprechend sinken.

Milchzähne

Zum Erhalt eines stark kariösen Milchzahnes kann dieser als Platzhalter mit einer einfachen, konfektionierten Krone rekonstruiert werden, die nur wenige Monate bis Jahre bis zum Zahnwechsel verbleibt. Milchzähne sind jedoch als Pfeilerzähne grundsätzlich ungeeignet, da sie zu schwach ausgebildete Wurzeln besitzen. Zudem werden die Milchzahnwurzeln während des Zahnwechsels resorbiert. Eine Ausnahme kann ein persistierender Milchzahnmolar bei Nichtanlage des bleibenden Zahnes bilden. Bei entsprechender Indikation kann ein solcher Milchzahn eine künstliche Zahnkrone tragen. Er ist aber auf Grund der kurzen Wurzeln nicht geeignet, als Pfeilerzahn Verwendung zu finden.[23]

Weiche Kriterien für die Pfeilerverwendbarkeit

Zu den weichen Kriterien gehören solche, die per se die Pfeilerwertigkeit nicht verändern, aber diese von zusätzlichen Faktoren abhängt, was die Verwendbarkeit angeht.

Mundhygiene

Es kann sein, dass ein Zahn eine gute Pfeilerwertigkeit aufweist, jedoch eine mangelhafte Mundhygiene des Patienten eine Verwendung verhindert, weil die gewählte Versorgungsform dann kaum Aussicht auf langfristigen Erfolg hat. Beispielsweise kann ein parodontal stark vorgeschädigter Zahn aufwändig einer ausreichenden Pfeilerwertigkeit zugeführt werden. Wenn jedoch die kontinuierliche Nachsorge und Pflege nicht gewährleistet ist, dann bildet die hergestellte Pfeilerwertigkeit nur eine Momentaufnahme.

Geplanter Zahnersatz

Modellgussplanung
Ermittlung des Kippmeiders

Die Pfeilerwertigkeit ist auch dadurch bestimmt, welcher Zahnersatz mit welcher Zielsetzung geplant ist. Ein Zahn kann beispielsweise eine ausreichende Pfeilerwertigkeit für eine Interimsversorgung (Übergangsversorgung) aufweisen. Der gleiche Zahn kann aber für eine langfristige Zahnersatzversorgung ungeeignet sein. Ein Zahn kann auch im Rahmen einer Teleskopversorgung eine ausreichende Pfeilerwertigkeit aufweisen, weil diese bei einem Zahnverlust erweiterungsfähig ist. Die Gesamtversorgung mittels Zahnersatz würde durch den Verlust des Zahnes nicht gefährdet. Der gleiche Zahn könnte aber für eine festsitzende Brückenversorgung keine ausreichende Pfeilerwertigkeit mehr besitzen. Bei einem Zahnverlust dieses Pfeilerzahns würde die Brückenversorgung zerstört.[24]

Bei der Planung einer Brücke oder einer Teilprothese ist die Statik zu ermitteln und welchen Kräften die Pfeilerzähne ausgesetzt sein werden. Die Pfeilerzähne sind dahingehend zu bewerten, ob sie den zu erwartenden Belastungen standhalten können, wobei eine fachgerechte Konstruktion vorausgesetzt wird.[25]

Allgemeinerkrankungen

Ein generelles, erhöhtes Risiko von Knochennekrosen im Bereich des Alveolarfortsatzes, beispielsweise bei Zustand nach einer Strahlentherapie, einer Chemotherapie oder Bisphosphonatmedikation, kann die Pfeilerwertigkeit allgemein erniedrigen.[26]

Jugendliche Zähne

Marylandbrücke zum Ersatz von drei unteren Schneidezähnen, Ansicht von lingual (innen). Die metallenen Flügel sind von außen nicht sichtbar.

Bei Jugendlichen ist die Zahnhöhle weit. Es besteht die Gefahr der Pulpaeröffnung bei der Präparation (Beschleifen) der Zähne zur Aufnahme einer Krone, wodurch eine eingeschränkte Verwertbarkeit als Pfeilerzahn gegeben sein kann. Gegebenenfalls kann eine zahnsubstanzschonende Präparation, wie bei der Marylandbrücke (Adhäsivbrücke), einen jugendlichen Zahn für eine Brückenversorgung verwertbar machen. Dabei wird der Zahn nur auf der oralen Seite präpariert (beschliffen). Der zu ersetzende Zahn wird mit einem oder zwei Flügeln am Nachbarzahn adhäsiv befestigt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat hierzu die Richtlinien für die Zahnersatzversorgung 2016 erweitert: „Bei Versicherten, die das 14. aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, können zum Ersatz von zwei nebeneinander fehlenden Schneidezähnen bei ausreichendem oralen Schmelzangebot der Pfeilerzähne eine einspannige Adhäsivbrücke mit Metallgerüst mit zwei Flügeln oder zwei einspannige Adhäsivbrücken mit Metallgerüst mit je einem Flügel angezeigt sein. Zum Ersatz eines Schneidezahns kann bei ausreichendem oralem Schmelzangebot an einem oder beiden Pfeilerzähnen eine einspannige Adhäsivbrücke mit Metallgerüst mit einem oder zwei Flügeln angezeigt sein. Bei einflügeligen Adhäsivbrücken zum Ersatz eines Schneidezahns sollte der an das Brückenglied der Adhäsivbrücke angrenzende Zahn, der nicht Träger eines Flügels ist, nicht überkronungsbedürftig und nicht mit einer erneuerungsbedürftigen Krone versorgt sein“.[27]

Gegenbezahnung

Die Belastung, die ein Zahn tragen muss, hängt auch von der Gegenbezahnung ab. Ist beispielsweise in einem Kiefer eine Versorgung mit einer Brücke geplant und im Gegenkiefer befindet sich eine Teil- oder Totalprothese, dann ist die Beißkraft reduziert. Dies bedeutet, dass die Pfeilerzähne der Brücke weniger Belastung auffangen müssen, als bei einer Gegenbezahnung durch gesunde Zähne oder Implantate. In diesem Fall können auch Zähne mit einer reduzierten Pfeilerwertigkeit als Brückenpfeiler Verwendung finden.[28]

Wirtschaftlichkeitsgebot

In Deutschland ist bei der Aufstellung eines Heil- und Kostenplans – unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots der Gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 12 SGB V – die Pfeilerwertigkeit für die geplante Zahnersatzversorgung von entscheidender Bedeutung für die Erlangung eines Festzuschusses. Ist die Prognose des Zahnes fraglich, fällt der Zahn aus der Bezuschussungsfähigkeit heraus.

Literatur

  • Peter Pospiech, Pfeilerwertigkeit. In: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen, Thieme; 1. Auflage 2001, ISBN 3-13-126941-3. Eingeschränkte Vorschau. S. 146 ff. Abgerufen am 8. Februar 2017.
  • Peter Pospiech, Der prothetische Pfeiler, In: Wehrmedizin und Wehrpharmazie, 57. Jahrgang Ausgabe 2-3/2013, Digitalisat, S. 63–66.
  • Michael G. Newman, Henry Takei, Perry R. Klokkevold, Fermin A. Carranza: Carranza's Clinical Periodontology: Expert Consult, Elsevier, Oxford; 12. Auflage 2014, ISBN 0-323-18824-9. Eingeschränkte Vorschau in Kindle Direct Publishing. Abgerufen am 8. Februar 2017.
  • Daniel Pagel, Prothetik im parodontal geschädigten Gebiss, Spitta Balingen 2014, ISBN 978-3-943996-34-0. Auszug: Online. Abgerufen am 8. Februar 2017.
Wiktionary: Pfeilerwertigkeit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. M. H. Walter, Risiko Pfeilerwertigkeit, Quintessenz Verlag, Berlin (2011). Abgerufen am 30. Juli 2015.
  2. Harald Schrenker: Kompromisse und Grenzen in der Prothetik. Spitta, 2003, ISBN 978-3-934211-61-2, S. 43–45. Eingeschränkte Vorschau in Google Books. Abgerufen am 9. Februar 2017.
  3. Gottlieb Vest, Lehrbuch der Zahnärztlichen Kronen-und Brückenprothetik: Band 2, Brückenprothetik, Springer Heidelberg, New York 2013, ISBN 978-3-0348-7073-3, S. 101–102.Eingeschränkte Vorschau in Google Books. Abgerufen am 9. Februar 2017.
  4. a b P. Pospiech, Checkliste prothetische Versorgung. In: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen, Thieme-Verlag (2001) ISBN 3-13-126941-3. Eingeschränkte Vorschau in Google Books, S. 144–149. Abgerufen am 3. Februar 2017.
  5. Eduard Mühlreiter (Hrsg.), Theodore Emile de Jonge-Cohen, Anatomie des menschlichen Gebisses, Arthur Felix Leipzig 1870
  6. Irwin H. Ante, The fundamental principles of abutments, Michigan State Dental Society Bulletin 1926; Band 8, S. 14-23.
  7. M. Lulic, U. Brägger u. a.: Ante’s (1926) law revisited: a systematic review on survival rates and complications of fixed dental prostheses (FDPs) on severely reduced periodontal tissue support. In: Clinical oral implants research. Band 18 Suppl 3, Juni 2007, S. 63–72, doi:10.1111/j.1600-0501.2007.01438.x, PMID 17594371 (Review).
  8. G. Greenstein, J. S. Cavallaro: Importance of crown to root and crown to implant ratios. In: Dentistry today. Band 30, Nummer 3, März 2011, S. 61–2, 64, 66 passim, PMID 21485881.
  9. Søren Jepsen, Wurzeloberfläche der Zähne. In: Bärbel Kahl-Nieke, Einführung in die Kieferorthopädie: Diagnostik, Behandlungsplanung, Therapie : mit 10 Tabellen. Deutscher Ärzteverlag 2010, ISBN 978-3-7691-3419-3. Eingeschränkte Vorschau in Google Books, S. 181–182. Abgerufen am 8. Februar 2017.
  10. E. Czochrowska, A. Stenvik, B. Bjercke, B. Zachrisson: Outcome of tooth transplantation: Survival and success rates 17-41 years posttreatment. In: American Journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics. 121, Nr. 2, 2002, S. 110–119. Digitalisat
  11. Peter Kolling. Gerwalt Muhle, Kompromisse und Grenzen in der Parodontologie, Spitta Verlag Balingen 2003, ISBN 978-3-934211-62-9, Eingeschränkte Vorschau in Google Books, S. 101–107.
  12. Thomas Mayer, Kompromisse und Grenzen in der Endodontologie. Spitta Verlag 2005. ISBN 978-3-934211-84-1, Eingeschränkte Vorschau in Google Books, S. 80.
  13. Peter Eickholz, Glossar der Grundbegriffe für die Praxis: Parodontologische Diagnostik Teil 1: Klinische Plaque- und Entzündungsparameter, In: Parodontologie 16 Nr. 1, , Quintessenz Berlin u. a. 2005, S. 69–75
  14. PAR-Richtlinien des Bundesausschusses Zahnärzte-Krankenkassen (PDF; 21 kB). Abgerufen am 30. Juli 2015.
  15. F. A. Carranza, H. H. Takai, Clinical diagnosis, in Clinical Periodontology, Saunders, Elsevier, S. 540–560 (2006). ISBN 0-323-18824-9
  16. M. Giargia, I. Ericsson, J. Lindhe, T. Berglundh, A. M. Neiderud: Tooth mobility and resolution of experimental periodontitis. An experimental study in the dog. In: Journal of Clinical Periodontology. Band 21, Nummer 7, August 1994, S. 457–464, ISSN 0303-6979. PMID 7929857.
  17. Peter Pospiech, Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen, Georg Thieme 2002, ISBN 978-3-13-126941-6, Eingeschränkte Vorschau in Google Books, S. 150–152
  18. Klaus M. Lehmann, Elmar Hellwig, Hans-Jürgen Wenz: Zahnärztliche Propädeutik: Einführung in die Zahnheilkunde; mit 32 Tabellen. Deutscher Ärzteverlag, 2012, ISBN 978-3-7691-3434-6, S. 46. Eingeschränkte Vorschau in Google Books
  19. Norbert Schwenzer: Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde: Allgemeine Chirurgie : 59 Tabellen / hrsg. von Norbert Schwenzer und Michael Ehrenfeld. Mit Beitr. von Arzu Agildere ... Georg Thieme, 2000, ISBN 978-3-13-593403-7, S. 124. Eingeschränkte Vorschau in Google Books
  20. Anthony W. Gargiulo et al. Dimensions and relations of the dentogingival junction in humans In: Journal of Periodontology 1961, Band 32, S. 261–267.
  21. F. Alpiste-Illueca: Morphology and dimensions of the dentogingival unit in the altered passive eruption. In: Medicina Oral Patología Oral y Cirugia Bucal. 2012, S. e814, doi:10.4317/medoral.18044.
  22. Harald Schrenker, Kompromisse und Grenzen in der Prothetik, Spitta Balingen 2003, ISBN 978-3-934211-61-2. Eingeschränkte Vorschau in Google Books. S. 43–46. Abgerufen am 8. Februar 2017.
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