Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner (eigentlich Karl Heinrich Leopold Deschner) (* 23. Mai 1924 in Bamberg) ist ein deutscher Schriftsteller und Religions- und Kirchenkritiker.
Leben
Karlheinz Deschner besuchte die Grundschule in Trossenfurt, anschließend das Franziskaner-Seminar in Dettelbach am Main und beendete seine schulische Ausbildung an verschiedenen Gymnasien in Bamberg. Nach dem 2. Weltkrieg studierte Deschner 1946/47 an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Bamberg, schließlich von 1947 bis 1951 an der Universität Würzburg. Dort hörte er u.a. Vorlesungen über Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaften, Theologie und Geschichte. 1951 promovierte er zum Dr. phil. mit der Arbeit "Lenaus metaphysische Verzweiflung und ihr lyrischer Ausdruck".
Er heiratete 1951 seine Lebensgefährtin, die geschiedene Elfi Tuch. Nach längerem Streit mit lokalen Klerikern über die vermeintliche Ungültigkeit der Verbindung wurden beide von der Kirche von allen Sakramenten ausgeschlossen. Er betrieb Anfang der 1950er Jahre intensive literarische Studien. Die Philosophen Nietzsche, Kant und Schopenhauer prägten sein Denken.
Im Jahr 1956 veröffentlichte Deschner im Alter von 32 Jahren mit dem Roman Die Nacht steht um mein Haus sein erstes Buch. Im Folgejahr präsentierte er das Buch Was halten Sie vom Christentum? (1957), in dem er Beiträge von Zeitgenossen wie Hermann Kesten, Heinrich Böll, Arno Schmidt, Arnold Zweig und anderen zusammenfasste, und welches als sein erstes kirchenkritisches Werk gilt.
Noch im gleichen Jahr erschien der literaturkritische Band Kitsch, Konvention und Kunst (1957), im Jahr 1958 dann der Roman Florenz ohne Sonne.
Das Buch Abermals krähte der Hahn, das 1962 erschien, wurde von Kirchenkritikern als fundiertes Standardwerk betrachtet. Viele Jahre Arbeit waren notwendig, bis Deschner 1986 bei Rowohlt den ersten Band der Kriminalgeschichte des Christentums herausgeben konnte. Das Werk ist auf zehn Bände angelegt.
Trotz der Veröffentlichung von etwa 50 Büchern, die meist akribisch recherchiert wurden, blieb ihm Anerkennung zunächst versagt. Auch eine akademische Laufbahn oder öffentliche Förderung waren ihm verwehrt. So versuchten die renommierten Professoren Hans Albert und Norbert Hoerster die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dafür zu gewinnen, die "Kriminalgeschichte des Christentums" zu fördern, was jedoch erfolglos war. Nach Darstellung seines langjährigen Vertrauten, Dr. Michael Schmidt-Salomon, hatte Deschner sich auch auf eine Professorenstelle beworben, was ebenfalls erfolglos war.
Dank privater Förderung durch den Unternehmer Herbert Steffen, Alfred Schwarz und anderer Mäzene konnte Deschner sich ohne materielle Sorgen der Vollendung seines Hauptwerkes (Kriminalgeschichte des Christentums, bis 2005 sind acht Bände erschienen) widmen. Zeitweise wurde von einem Mäzen ein ganzes Historikerteam verpflichtet, das dem Autor bei der Bewertung der historischen Quellen zuarbeiten sollte. Das Experiment wurde nach einiger Zeit abgebrochen, denn das Material, das die Historiker lieferten, war Deschner nicht präzise genug, so daß er die Recherche wieder selbst in die Hand nahm. Seit 1988 wurde Deschner auch zunehmend öffentliche Anerkennung zuteil, die sich in Preisen und Auszeichnungen ausdrückte.
Karlheinz Deschner lebt seit vielen Jahren in Haßfurt am Main, einer Kleinstadt im ländlichen Unterfranken.
Preise und Auszeichnungen
1988 erhielt Karlheinz Deschner den Arno-Schmidt-Preis, 1993 den Alternativen Büchnerpreis und im gleichen Jahr als erster Deutscher den "International Humanist Award" der International Humanist and Ethical Union. Zudem wurde Deschner 2001 mit dem Erwin-Fischer-Preis des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und dem Ludwig-Feuerbach-Preis des Bundes für Geistesfreiheit Bayern, ausgezeichnet.
2004 wurde Deschner mit dem Wolfram-von-Eschenbach-Preis des Bezirks Mittelfranken für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Laudatio hielt der Literaturwissenschaftler Karl Corino.
Deschnerpreis
Zum 80. Geburtstag des Schriftstellers im Jahre 2004 gab der Vorsitzende der Giordano Bruno Stiftung, die sich seit ihrer Gründung der säkularen und humanistischen Aufklärung und insbesondere dem Werk Deschners verpflichtet fühlt, die Einrichtung des Deschner-Preises offiziell bekannt. Mit der Herausgabe des neunten Bandes der "Kriminalgeschichte des Christentums" ab 2006/07 soll der mit 10.000 Euro dotierte Förderpreis alle zwei Jahre vergeben werden. Mit diesem Preis sollen Personen oder Organisationen ausgezeichnet werden, "die in besonderem Maße zur Stärkung des säkularen, wissenschaftlichen und humanistischen Denkens und Handelns beitragen."
Kritik
Bereits Karlheinz Deschners Roman Die Nacht steht um mein Haus (1956) erregte Aufsehen, das sich ein Jahr später bei Erscheinen der Streitschrift Kitsch, Konvention und Kunst zum Skandal steigerte, weil sie damals unbekannte Autoren lobte und damals beliebte dichterische Werke wortgewaltig angriff.
Seit 1958 veröffentlicht Karlheinz Deschner überwiegend Werke zur Religions- und Kirchenkritik. Vor allem mit der "Kriminalgeschichte des Christentums" wurde Karlheinz Deschner das Ziel christlicher Kritik; auch kirchenkritische Vertreter des Christentums, unter ihnen der Tübinger Theologe und Kritiker der katholischen Kirche Hans Küng, lehnen Deschners grundlegende Kritik ab. 1994 erschien ein Sammelband unter dem Titel Kriminalisierung des Christentums? mit 23 Stellungnahmen von Kirchenhistorikern und anderen Wissenschaftlern verschiedener Konfession zur "Kriminalgeschichte". Deschner antwortete auf diese Stellungnahmen in Form einer Replik im 5. Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums", wobei er detailliert allerdings nur auf eine der Stellungnahmen eingeht.
Deschner beschrieb seine Motivation zum Schreiben einmal mit dem Satz «Ich schreibe aus Feindschaft. Denn die Geschichte derer, die ich beschreibe, hat mich zu ihrem Feind gemacht». Dazu sagt der emeritierte Professor für Kirchengeschichte an der Universität Bamberg, Georg Denzler, der selbst mit kirchenkritischen Texten hervorgetreten ist: «Eine solche Motivation kann niemals die Basis für eine ernst zu nehmende Geschichtsschreibung sein.» Die Antwort auf die Frage, in wie weit die Motivationslage eines Autors überhaupt einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit seines Werkes zulässt, blieb der Kritiker allerdings schuldig.
In einer Stellungnahme anlässlich Deschners 80. Geburtstags benannte Denzler folgende Einwände seiner Wissenschaftlerkollegen: «Er (Deschner) kennt kein Quellenstudium, er trifft eine höchst einseitige Literaturauswahl, interpretiert gedruckte Quellen ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs, nimmt Einzelereignisse für das Ganze und täuscht einen gelehrten Anmerkungsapparat vor, bei dem oft nicht zu kontrollieren ist, was behauptet wird.» «Deschner sei kenntnisreich, doch mangele es ihm an historischem Denken und historischem Urteilen.»
Es gibt jedoch auch Wissenschaftler, die Deschner und sein Werk positiv bewerten. So lautete Wolfgang Stegmüllers Urteil über ihn kurz und knapp: "Der bedeutendste Kirchenkritiker des Jahrhunderts". Auch Horst Herrmann äußerte positive Kritik an Deschners Werk: "Deschner bietet Texte, an denen wir uns schärfen, keine an denen wir ermüden, weil sie so erschöpft sind wie die kirchensatte Entschuldigungsliteratur. Soll kontrastiert werden, braucht er keinen Vergleich zu scheuen. Seine Schriften werden in Schulen gelesen, die kein Hirtenbrief mehr interessiert, und wenn das Wort zum Sonntag verstummt sein wird, spricht sein Text. Sicher wird einmal auch ein Karlheinz-Deschner-Preis gestiftet." In der Tat wurde ein Deschner-Preis inzwischen eingerichtet.
Die "Kriminalgeschichte des Christentums" konnte im großen und ganzen nicht widerlegt werden, was nicht verwundert, weil Deschner den Stand der Wissenschaft zu diesem Thema zusammenstellt.
Werke
- Der gefälschte Glaube. Eine kritische Betrachtung kirchlicher Lehren und ihrer historischen Hintergründe. Knesebeck, 2004 ISBN 3896602284
- Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte. Goldmann Verlag, o.O. 1996, ISBN 3-442-72025-7
- Für einen Bissen Fleisch, das schwärzeste aller Verbrechen, Bad Nauheim 1998, ISBN 3-930994-10-0
- Nur Lebendiges schwimmt gegen den Strom, Aphorismen. Lenos Verlag, Basel, 1998, ISBN 3-85787-647-6
- Oben ohne. Für einen götterlosen Himmel und eine priesterfreie Welt. Zweiundzwanzig Attacken, Repliken und andere starke Stücke. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1999, ISBN 3-499607-05-0
- Opus Diaboli, Fünfzehn unversöhnliche Essays über die Arbeit im Weinberg des Herrn.. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1994, ISBN 3-49919764-2
- Die beleidigte Kirche oder: Wer stört den öffentlichen Frieden?. Ahriman - Verlag, Freiburg, 1986, ISBN 3-922774-05-8
- Kriminalgeschichte des Christentums. (10 [8] Bde.) Rowohlt Verlag, Reinbek, 1986 - 2004.
- Kitsch, Konvention und Kunst
- Talente, Dichter, Dilettanten
- Die Vertreter Gottes: Eine Geschichte der Päpste im 20. Jahrhundert, 1991
- Das Kreuz mit der Kirche: Eine Sexualgeschichte des Christentums
- Das Christentum im Urteil seiner Gegner (Hrsg.)
- Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelic. 1965
- Der Anti-Katechismus: 200 Gründe gegen die Kirchen und für die Welt, 1991. 307 S. ISBN 3-89136-302-8
- Der Moloch: Eine kritische Geschichte der USA. Heyne Sachbuch, 2002, ISBN 3453868366
- Memento - kleiner Denkzettel zum heiligen Jahr. 2000
Literatur
- Arno-Schmidt-Preis 1988 für Karlheinz Deschner. - Bargfeld : Arno-Schmidt-Stiftung, 1988. - ISBN 3-923460-03-1 (mit Texten von Jan Philipp Reemtsma, Karlheinz Deschner und Arno Schmidt).
- Gieselbusch, Hermann (Hrsg.): Über Karlheinz Deschner und seine große Kriminalgeschichte des Christentums : zum Erscheinen von Bd. 8 und zum 80. Geburtstag des Autors am 23. Mai 2004. - Reinbek : Rowohlt, 2004
- Seeliger, Hans (Hrsg.): Kriminalisierung des Christentums?. - Freiburg i.Br. : Herder, 1994. - ISBN 3-451-23222-7
- Seeliger, Hans: Ein einziger Komplex von Verbrechen. Karlheinz Deschner oder das Geschäft der zynischen Religionskritik, in: Religionsunterricht an höheren Schulen 36 (1993), 230/37.
- Karlheinz Deschner, Sonderheft 9/2004 "Aufklärung und Kritik", Hrsg.: Gesellschaft für kritische Philosophie (Nürnberg) und Kellmann-Stiftung Humanismus und Aufklärung (München), Nürnberg 2004
- Hermann Gieselbusch, Michael Schmidt-Salomon (Hsg): Aufklärung ist Ärgernis ... Karlheinz Deschners Leben, Werk und Wirkung. Alibri - Verlag, o.O. , 2005 (Sammelband mit Beiträgen von Hans Albert, Karlheinz Deschner, Horst Herrmann, Joachim Kahl, Ludger Lütkehaus, Hermann Josef Schmidt u.a.) ISBN 3-865690033
- Hermann Josef Schmidt, Laudatio auf Karlheinz Deschner anläßlich seines 80. Geburtstags am 23. Mai 2004
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.deschner.info/ Offizielle Deschner-Webpräsenz mit vielen Informationen zum Autor und Forum
- Bibliografie aller Titel auf Rowohlt.de
Personendaten | |
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NAME | Deschner, Karlheinz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller und Religionskritiker |
GEBURTSDATUM | 23. Mai 1924 |
GEBURTSORT | Bamberg |