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Jürgen May (Leichtathlet)

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Jürgen May (vorn) bei den DDR-Meisterschaften 1963

Jürgen May (* 18. Juni 1942 in Nordhausen) ist ein ehemaliger deutscher Mittelstrecken-, Langstrecken- und Hindernisläufer.

Erfolge in der DDR

Jeweils dreimal wurde er DDR-Meister über 1500 Meter (1962, 1965, 1966) und im Crosslauf (1962–1964). In der Halle holte er 1965 und 1966 den DDR-Titel über 1500 Meter. 1964 qualifizierte er sich als DDR-Teilnehmer für die gesamtdeutsche Mannschaft der Olympischen Spiele in Tokio, schied aber im Semifinale des 1500 Meter-Laufes aus. Im nacholympischen Jahr 1965, seiner sportlich besten Saison, schlug er beim Rošický-Memorial in Prag die olympischen Medaillengewinner über 1500 Meter Peter Snell, Josef Odlozil und Johm Davis.

Jürgen May erzielte folgende Rekorde:

Des Weiteren lief Jürgen May in der DDR schon Rekorde in der Jugend- und Juniorenklasse, die auch gesamtdeutsche Rekorde waren. 1965 wurde er zum DDR-Sportler des Jahres gewählt, ein Titel, der ihm von der DDR wieder aberkannt wurde, nachdem er dort in Ungnade gefallen war - s.u.: Abschnitt Flucht und Neuanfang in der Bundesrepublik Deutschland.

Bei den Europameisterschaften 1966 in Budapest wurde er Fünfter über 1500 Meter und erreichte über 800 Meter das Halbfinale.

Lebenslange Sperre in der DDR

Bei den Europameisterschaften 1966 – auf dem Höhepunkt des 'Schuhkriegs' zwischen zwei großen deutschen Sportschuh-Firmen – überredete May seinen DDR-Mannschaftskameraden Jürgen Haase, für 500 Dollar Handgeld anstelle der dreistreifigen Schuhe diejenigen der Marke Puma in seinem 10.000 m-Finale anzuziehen. Jürgen Haase gab den Deal sofort zu, als er kurze Zeit später vom Generalsekretär des DDR-Leichtathletikverbandes (DVfL) angesprochen wurde und übergab sein erhaltenes Handgeld. Als junger Athlet wurde ihm verziehen. Jürgen May jedoch, der als bereits erfahrener Sportler galt und der eingestanden hatte, von den Puma-Vertretern Karl Eyerkaufer und Heinz Fütterer 100 Dollar für die Vermittlung erhalten zu haben, wurde zunächst 'lebenslang' gesperrt. Außerdem verlor er seine Stelle als Volontär bei der Erfurter Tageszeitung Das Volk und arbeitete fortan als Hilfssportlehrer. Allerdings stellte ihm die SED-Führung in Aussicht, dass er nicht auf Dauer in Ungnade gefallen sei. So durfte May wenige Wochen vor seiner Flucht sogar wieder Vollmitglied der SED sein.[1][2][3][4]

Flucht und Neuanfang in der Bundesrepublik Deutschland

1967 nutzte Jürgen May die Möglichkeit, sich aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland ausschleusen zu lassen. [5] Sein Sportsfreund Karl Eyerkaufer hatte dazu Kontakt mit einer studentischen Gruppe von Fluchthelfern aufgenommen, die May gegen Zahlung von 9.000 D-Mark über Budapest in die Bundesrepublik Deutschland holen wollte. Eyerkaufer war als Puma-Vertreter zunächst davon ausgegangen, dass seine Sportschuh-Firma die Kosten übernehmen werde, was sich jedoch als irrig herausstellte, weil das Unternehmen um seine Ost-Exporte fürchtete. So stellte Eyerkaufer das Geld über einen Kredit selber zur Verfügung.

Zu weiteren Verwicklungen kam es, weil Jürgen May zusätzlich seine 'Braut' mit nach Budapest gebracht hatte, ohne deren guten Leumund es ihm gar nicht erst möglich gewesen wäre, nach Ungarn zu kommen. Dies hätte die Kosten eigentlich erhöht, weil es ja nicht mehr alleine um May ging. An dieser Stelle gibt es nun zwei Versionen: Nach Darstellung der studentischen Fluchthelfer wäre es im Hinblick auf das Bekanntwerden des Fluchtweges zu riskant gewesen, Bärbel Holländer als versetzte Braut zurückzulassen. So hätten sie Jürgen May intensiv dazu überreden müssen, sie doch mitzunehmen. May sagt dazu, nur vorgetäuscht zu haben, dass er alleine die Flucht antreten wolle, weil er befürchtet habe, dass die Gruppe ihn ansonsten in Budapest hätte sitzen lassen. Bärbel Holländer willigte anschließend in die Flucht ein. Ihr Kind verblieb in der DDR.

Gleich nach Mays Eintreffen in West-Berlin gab es noch einmal Ärger. Er und Eyerkaufer flogen entgegen der Planung nur kurze Zeit später nach Westdeutschland und erzählten auch Details zu Mays Flucht, was nach Aussage eines Fluchthelfers dazu führte, dass der Fluchtweg zerstört sei, über dem sie schon vielen Menschen geholfen hätten und dessen Ausbau/Sicherung mit hohen Aufwendungen verbunden war. [4]

Jürgen Mays Rekorde wurden daraufhin vom DDR-Verband nachträglich annulliert und in DDR-Statistiken wurde nach seiner Flucht der zweitplatzierte Fußballer Peter Ducke als DDR-Sportler des Jahres 1965 geführt.

In der Bundesrepublik Deutschland setzte er seine Sportlerlaufbahn fort. Da er jedoch offiziell als nicht startberechtigt galt, lief er regelmäßig für die Universität Mainz und Veranstalter meldeten die Rennen zusätzlich beim Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband an. In der Bundesrepublik wurde er 1969 Meister im Crosslauf, 1970 über 1500 Meter und 1971 über 3000 m Hindernis. In der Halle errang er 1969 den Titel über 1500 Meter und von 1970 bis 1972 dreimal den Titel über 3000 Meter. Der DLV meldete ihn für die Europameisterschaften 1969, jedoch wurde May nach einem Veto des DDR-Verbandes wegen Wechsels des Verbandes bis 1970 gesperrt. Die westdeutsche Mannschaft boykottierte daraufhin die Europameisterschaften und nahm nur symbolisch an den Staffelwettbewerben teil.[6]

Das Leichtathletik-Europacup-Finale 1970 in Stockholm sagte May wegen einer Zahnoperation kurzfristig ab. Bei den Europameisterschaften 1971 in Helsinki gab er über 3000 m Hindernis im Vorlauf auf. 1972 gewann er bei den Leichtathletik-Halleneuropameisterschaften in Grenoble über 1500 Meter Bronze und schied bei den Olympischen Spielen in München über 5000 Meter in der Vorrunde aus. Anschließend trat er vom Leistungssport zurück.

Jürgen May ist 1,74 m groß und wog in seiner aktiven Zeit 68 kg. Er wurde später Amtsleiter für Bildung, Kultur und Sport im Main-Kinzig-Kreis.[7] Außerdem verfasste er ein gerade für Jugendliche sehr geeignetes 72-seitiges Trainingswerk mit dem Titel 'Modernes Mittelstreckentraining Jugendlicher', in dem er sich für ein vorsichtiges Heranführen an das Laufen und v.a. für eine sehr aerob orientierte Trainingsmethode auch im Sinne Arthur Lydiards einsetzt, die sich durch langes aufbauendes Ausdauertraining auszeichnet.[8]

Persönliche Bestzeiten

  • 800 m: 1:46,3 min, 25. August 1965, Potsdam
  • 1000 m: 2:16,2 min, 20. Juli 1965, Erfurt
  • 1500 m: 3:36,4 min, 14. Juli 1965, Erfurt - Halle: 3:41,4 min, 23. Februar 1969, Dortmund
  • 1 Meile: 3:53,8 min, 11. Dezember 1965, Wanganui - Halle: 3:58,2 min, 20. Februar 1966, Ost-Berlin
  • 3000 m: 7:54,6 min, 15. Juli 1969, Fulda
  • 5000 m: 13:33,0 min, 2. Juli 1969, Stockholm
  • 10.000 m: 29:32,0 min, 1. Mai 1966, Gera
  • 3000 m Hindernis: 8:32,4 min, 11. Juli 1971, Stuttgart

Literatur

  • Klaus Amrhein: Biographisches Handbuch zur Geschichte der Deutschen Leichtathletik 1898–2005. 2 Bände. Darmstadt 2005 publiziert über Deutsche Leichtathletik Promotion- und Projektgesellschaft.
Commons: Jürgen May – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Adolf Metzner: Der Krieg der Schuhe, Die Zeit 3. Februar 1967
  2. Spikes in Gold, Der Spiegel 14. April 1969
  3. Volker Kluge, Jürgen May, LAUFZEIT 11/1999, Seite 12/13
  4. a b Berlin / Fluchthilfe: Nur mit Braut, Der Spiegel 14. August 1967
  5. Ronny Blaschke: Geflüchtete DDR-Sportler: Im Cadillac in den Westen. In: Die Zeit. 26. Juli 2010
  6. Arnd Krüger: A Cultural Revolution? The Boycott of the European Athletics Championships by the West German Team in Athens 1969, in: CESH (Hrsg.): Proceedings Fourth Annual Conference. Band 1. Florenz:Universitá 1999, 162 – 166.
  7. Karl-Heinz Bergmann: Ein Paar Schuhe und hundert Dollar, Berliner Zeitung 19. August 1998
  8. Jürgen May, Modernes Mittelstreckentraining Jugendlicher, Verlag Bartels u. Wernitz, 1969