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Sturmfedersches Schloss

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Sturmfedersches Schloss
Michelstor

Das Sturmfedersche Schloss im pfälzischen Winzerdorf Dirmstein (Bundesland Rheinland-Pfalz) ist ein schlossartiges Herrenhaus aus der Barockzeit, das schon frühklassizistische Elemente aufweist. In der zugehörigen Mauer des Schlossplatzes befindet sich das Michelstor.

Lage

Das Sturmfedersche Schloss liegt am nach ihm benannten Schlossplatz im historischen Ortskern von Dirmstein nördlich der barocken Laurentiuskirche und des Alten Rathauses. Das Schloss trennt den Schlossplatz, der mit seinem bogenförmigen Pflaster die Funktion eines Markt- und Festplatzes hat, nach Westen zur Marktstraße hin ab.

Gebäude

Das Gebäude ist zweieinhalbstöckig und besteht aus zwei Vollgeschossen sowie einem Mansardgeschoss. Das Walmdach besitzt beidseitig je sieben Gauben. Der quaderförmige Bau erstreckt sich in Süd-Nord-Richtung mit der Hauptfassade nach Osten, während die rückwärtige Fassade nach Westen zeigt. Eine Mauer, die zum Schlossplatz, dem ehemaligen Innenhof, hin konkav zurückgenommen ist, verlängert diese rückwärtige Fassade nach Süden bis zur historischen St.-Michael-Apotheke und wird vom offenen Bogen des Michelstores durchbrochen, das von zwei schmalen, ebenfalls offenen Pforten flankiert wird. Vor der Hauptfassade liegt eine zweistufige podestartige Freitreppe aus rotem Sandstein, die zu den Seiten hin zwei kleine Brunnen mit runden Schalen aus dem gleichen Material trägt.

Geschichte

Ein Vorgängerbau des Schlosses wurde im 13. Jahrhundert als befestigte Hofanlage mit Wehrtürmen durch einen Ritter Lerch von Dirmstein angelegt, bei dem es sich wahrscheinlich um den Urahn Jacob des berühmten Ortsadeligen Caspar Lerch (IV.) handelte.

Letzterer und sein Vater Caspar Lerch (III.) sind auf dem sehr stark verwitterten Sturz eines Renaissanceportals verewigt, der an der Nordseite des Gebäudes eingemauert ist:

CASPAR LERCH DER DRITTE VND DOROTHEA ZV ELTZ EHELEVT
CASPAR LERCH DER VIRTE VND MARTHA BRENDELIN EHELEVT

Der Inhalt lässt auf eine Entstehung des Portals zwischen 1602, als der jüngere Caspar Lerch seine Frau Martha Brendel heiratete, und 1621 schließen, als er während des Dreißigjährigen Krieges für 19 Jahre ins Exil gehen musste. Eine identische Inschrift findet sich auch am Nachfolgebau von Lerchs „Burg“, der heutigen „Fechtschule“.

Drachenkampf (oben),
Wappen entfernt (unten)
Datei:2006 Dirmstein-Neidkopf2.jpg
Neidkopf über der Seitenpforte des Michelstores

Ab 1736 erfuhr die Anlage durch den Freiherrn Marsilius Franz Sturmfeder von Oppenweiler († 1744), einen Urenkel des jüngeren Caspar Lerch, größere bauliche Veränderungen. Sturmfeder wurde legendär durch seinen Hader mit der Obrigkeit, den er 1738 auf dem neuen Michelstor in Form einer Skulptur als seinen siegreichen Kampf mit dem Drachen verewigen ließ. Über der von außen rechten Seitenpforte neben dem Tor ist zudem ein steinerner „Neidkopf“ eingelassen, der offenbar nicht angebracht wurde, um nach altem Brauch das Böse abzuwehren, sondern um Widersacher zu verspotten. Diese hatten unmittelbar vor der von Sturmfeder geplanten Toreinfahrt, aber auf Gemeindegrund, einen Quergraben gezogen, um die Torbenutzung zu behindern oder ganz unmöglich zu machen. Daraufhin hatte Sturmfeder Mauer und Tor in der Mitte bogenförmig auf sein eigenes Grundstück zurück versetzt.

Offenbar um 1780 erfolgte durch eine spätere Generation der Familie Sturmfeder der Umbau zu dem heutigen Schloss. Dieses wurde, als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution auf die Pfalz übergriff, enteignet und versteigert. So kam am 3. April 1809 Agnes Würtz, die Witwe des Mennoniten Christian Möllinger aus Monsheim, in den Besitz des Schlosses. Sie gab es an ihre Tochter Katharina weiter, die den Dirmsteiner Johann Janson geheiratet hatte. Von Jansons Nachfahren erwarb es 1970 die Ortsgemeinde.

Die von außen linke Pforte neben dem Tor gab es ursprünglich nicht, sie war eine nur angedeutete Scheinpforte. In Unkenntnis dieser Eigenschaft wurde sie im 20. Jahrhundert für einen zugemauerten Durchgang gehalten und - recht unfachmännisch - durchgebrochen.

Inschriften

Marsilius Franz Sturmfeder von Oppenweiler nutzte die Errichtung des Michelstores, um durch die Einmeißelung zahlreicher Inschriften über dem Torbogen und zu dessen beiden Seiten Anschuldigungen und Anspielungen gegenüber nicht namentlich genannten Widersachern auf Dauer festhalten zu lassen. Auf die Zielpersonen kann heute nur noch indirekt geschlossen werden, sie dürften jedoch zur Zeit der Entstehung der Texte jedermann bekannt gewesen sein.

Gut 60 Jahre später, nach der erwähnten Enteignung des Schlosses, wurden geringe Veränderungen am Informationsgehalt vorgenommen; insbesondere wurde über dem Torbogen der Stein mit dem Familienwappen entfernt und durch die (dilettantisch ausgeführte) Inschrift „AUSGESTORBEN“ ersetzt.

Heutige Nutzung

Das Ende der 1980er Jahre restaurierte Schloss beherbergt außer der Ortsverwaltung, dem Ratssaal und dem Gemeindearchiv folgende weitere Institutionen: eine Bankfiliale, die Zweigstelle der Musikschule des Leiningerlandes, eine Außenstelle der Volkshochschule und die Gemeindebücherei.

Der barocke Ratssaal im 1. Obergeschoss mit klassizistischen Stilmerkmalen, der nach dem Dirmsteiner Ehrenbürger Eux Stocké (1895-1992) benannt ist, wird über eine repräsentative Treppe erreicht. Er fasst voll bestuhlt etwa 100 Personen und wird nicht nur für Sitzungen von Gemeindegremien, sondern auch für kulturelle Veranstaltungen verwendet.

Eine ausgebaute Wohnung im Dachgeschoss ist vermietet.

Literatur

  • Georg Peter Karn, Ute-Konstanze Rasp: Burgen und Schlösser in Dirmstein - Ehemaliges Sturmfedersches Schloss, in: Dirmstein - Adel, Bauern und Bürger, Chronik der Gemeinde Dirmstein, S. 447 ff., Herausgeber: Michael Martin, Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße, 23. November 2005 (1163. Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung Dirmsteins), ISBN 3-9808304-6-2


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