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Erwin Thoma

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Erwin Thoma (* 14. Februar 1962 in Bruck am Großglockner) ist ein österreichischer Forst- und Betriebswirt. Als Erfinder, Unternehmer und Autor mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet Baumwissen und Holzinnovation hat er Bekanntheit erlangt.

Erwin Thoma steht zwischen zwei alten Eschen
Erwin Thoma

Mit seiner Holzbaufirma errichtet Thoma heute Häuser, die zu großen Teilen aus Holz bestehen und hinsichtlich Baubiologie, Energieautarkie und Nachhaltigkeit sehr gute Vergleichswerte erzielen.

Erwin Thoma umarmt eine Birke
Erwin Thoma

Leben

Thoma wuchs in Bruck an der Glocknerstraße (Pinzgau) im Bundesland Salzburg auf. Die Liebe zur Natur ließ ihn früh den Entschluss fassen, zunächst Bergführer und dann Förster zu werden. Als junger Revierförster lebte er in der Eng im Karwendel, die mit Fahrzeugen nur über Deutschland erreichbar ist.

Begegnungen mit Mittenwalder Geigenbauern steigerten sein Interesse für traditionelle Holzverarbeitung und in Vergessenheit geratene Überlieferungen. Das Wissen des Großvaters Gottlieb Brugger (* 1907; † 1999), der im Oberpinzgau bei Krimml als Zimmermann Blockhäuser im alpinen bäuerlichen Stil baute, übte großen Einfluss auf seine Denkweise aus. Diese handwerklichen Traditionen setzte er nach und nach in seiner industriellen Fertigung von puristischen Holzhäusern auf moderne Weise um.

Mit dem Eintritt seiner Kinder in das Schulalter verließ Thoma mit seiner Familie das Forsthaus im Karwendel und zog in ein modern ausgebautes Haus in St. Johann im Pongau. Dort reagierten 2 seiner 3 Kinder allergisch auf die durch Spanplatten freigesetzten Leimdämpfe. In Zusammenarbeit mit- und auf anraten des Großvaters hin ersetzte Thoma sämtliche Spanplatten im Innenraum seines Hauses durch massives Holz und kurierte auf diese Weise die asthmaartigen Atemprobleme seiner Kinder. Diese persönliche Erfahrung war der Ausgangspunkt seiner Forschung am Baustoff Holz.

Thoma beschließt, sich im eigenen Holzverarbeitungsbetrieb nur noch an den von ihm aufgestellten Grundsätzen der Naturholzverarbeitung zu richten. Holzschutzmittel und giftige Leime werden durch natürlich formstabile und resistente Hölzer ersetzt. Seine Theorie von der Holzernte zur richtigen Mondphase wurde vorerst sehr skeptisch aufgenommen, seine Entwicklungen im Holzhausbau führten aber bald zu seiner Anerkennung als Holzbauspezialist.

1998 patentiert Thoma die leimfreie Vollholzbauweise Holz100, bei der Wand-, Boden- und Deckenelemente aus verdübelten Brett-Kreuzlagen aufgebaut werden. Diese Entwicklung verändert den Stand der Technik im Holzbau. Thoma hat mit seiner Firma, der Ing. Erwin Thoma Holz GmbH, bisher (Stand 2015) mehr als 1000 Holzbauten in 33 Ländern errichtet.

Erwin Thoma lebt mit seiner Frau Karin und drei Kindern in Goldegg im Pongau, Österreich.[1]

Kritik an der chemischen Behandlung von Holz

Die allergische Reaktion seiner Kinder auf formaldehydhaltigen Leim lenkte Thomas Aufmerksamkeit auf die gesundheitsschädlichen Aspekte von chemisch behandeltem Holz. Er beschloss, „gesundheitsfördernde Häuser“ zu bauen. Als ersten Unternehmensberater bezeichnet Thoma den Großvater seiner Kinder, der nur chemiefreien Holzbau kannte. Das mondphasen-geschlägerte Holz soll ohne den Einsatz chemischer Mittel erhöhte Resistenz gegen Insekten- und Pilzbefall und höhere Dauerhaftigkeit zeigen.

Mondholzdebatte

1999 fasste Thoma seine gesammelten Überlieferungen über Holz, Wald und Mond in dem Buch "...dich sah ich wachsen" zusammen, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Es löste mit seinem Erscheinen eine heftige Debatte über „Mondholz“ aus. In einem Fernsehbeitrag des ORF Salzburg wurde vor laufender Kamera das Abbrennen eines Holzspans aus einem 400 Jahre alten Holzkamin mit dem eines normalen Brennholzspanes verglichen. Der Versuch stützt die mündliche Überlieferung. Als Reaktion auf diesen Fernsehbeitrag stellte ein anderer Sender eine Labor-Studie vor, welche die Behauptungen Thomas widerlegte. Thoma behauptet, dass diese Sendung von der Holzindustrie finanziert wurde und als „Anti-Mondholz-Kampagne“ gedacht war. Die Holzindustrie sei, so Thoma, aus wirtschaftlichen Gründen an einer Holzernte zum richtigen Zeitpunkt und an einer gesteigerten Nachfrage nach „Mondholz“ nicht interessiert.

In der Folge beantragte Thoma Fördermittel für eine wissenschaftliche Untersuchung, wurde jedoch von der österreichischen Forschungsförderung abgewiesen. Hilfe erhielt Thoma von Ernst Zürcher, der an der ETH Zürich die Zusammenhänge von Zeitrhythmen und Pflanzen erforscht. Dieser hat in seiner Studie aus dem Jahr 2003 nachgewiesen, dass die Dauerhaftigkeit von gefälltem Holz nicht mondphasenneutral ist.[2] Dem stehen Untersuchungen entgegen, die dem Mondholz zugeschriebene besondere Qualitäten bezweifeln und mit anderen Faktoren begründen. Mondholz sei Volksglaube und spreche romantische Bedürfnisse nach Ursprünglichkeit an.[3]

Thoma verwendet bei seinen Bauten ausschließlich mondphasen-geschlägertes Holz und will damit Kontamination der Bausubstanz durch krebserregende Herbizide und Pestizide vermeiden.[4][2]

Holzbau-Forschung und Innovation

Holz100 Wandmuster, man sieht das Dübelbild auf der Sichtseite der Wand.
Holz100 Wandmuster - Dübelbild
Holz100 Wandmuster, der schichtweise Aufbau des Wandelements ist zu sehen.
Holz100 thermo Wandmuster - Querschnitt

Holz100

Holz100 ist der Produktname der Erfindung von Erwin Thoma und des Patents der Ing. Erwin Thoma Holz GmbH. Der Name leitet sich von „100 % Holz“ ab und steht für den Anspruch, Holz rein, chemie- und klebstofffrei zu belassen. Holz100 ist ein Massivholz-Bausystem für konstruktive Wand-, Decken- und Dachelemente. Um einen statisch tragenden Kern werden Brettlagen kreuzweise aufeinandergeschichtet und mit Holzdübeln verbunden. Dadurch kann auf eine Verklebung der einzelnen Holzschichten verzichtet werden, die Wand bleibt diffusionsoffen und frei von giftigen Ausgasungen. Eine Weiterentwicklung besteht in den Holz100-thermo Wänden in rillenförmigen Vertiefungen zwischen den Brettschichten. Dadurch schließt die Wand zusätzlich stehende Luft ein und erreicht hinsichtlich thermischer Isolierung den Höchstwert aller Baustoffe. Holz100 verfügt über die ETA-Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik.

Passivhaus ohne Dämmstoff und komplizierte Haustechnik

Thoma bezeichnet das bisherige Konzept des mit Styropor gedämmtem Passivhauses als wichtige Idee in Richtung ökologisches Bauen, die jedoch aufgrund der Kondenswasserbildung und der Entsorgungsprobleme ungenügend ist. Thoma stellte thermodynamische Untersuchungen am Bau der roten Waldameise an und leitete davon das Baukonzept eines Passivhauses ohne Dämmstoff und komplizierte Haustechnik ab. Hierbei funktioniert die massive Holzhülle als Wärmepuffer, der Heizlastspitzen reduziert und gleichzeitig diffusionsoffen ist, wodurch eine künstliche Innenraum-Belüftung überflüssig wird.

Medizinische Vollholz-Studie

Inspiriert von der schlafmedizinischen Weltraumforschung, welche mit Holz im Innenraum von Forschungsstationen experimentierte, stellte Thoma, gemeinsam mit dem Grazer Mediziner Maximilian Moser, die Frage, inwieweit sich Baumaterialien auf die Gesundheit der Hausbewohner auswirken. Die Veränderungen messbarer Körperraktionen auf einen Echtholz-Raum wurden mit denen auf einen Imitat-Holz-Raum verglichen. Es ließen sich eine niedrigere Herzfrequenz, ein erhöhter Vagustonus und eine verbesserte Schlaferholung im Echtholz-Raum nachweisen.[5]

Energieautarkie

Thoma verglich verschiedene Baumaterialien hinsichtlich ihrer Auskühldauer. Bei Massivholz ließ sich eine Überlegenheit gegenüber allen anderen Baustoffen feststellen. Die thermische Trägheit des Holzes lässt sich wie eine natürliche Klimaanlage einsetzen, die dafür sorgt, dass das Haus im Sommer nur sehr langsam aufheizt und im Winter nur sehr langsam auskühlt. Für das österreichische Filmarchiv baute Thoma den ersten energieautarken Archiv-Bau, der ganzjährig konstant auf 2° C temperiert ist. Heute bietet Thoma solche Lösungen als Standard an. Weitere energieautarke Bauten sind der 6600 m2 große Bürobau ArcheNeo in Kitzbühel und das Wohn- und Geschäftshaus von N11 Architekten in Zweisimmen, Schweiz.[6]

Nachhaltigkeit

Die chemiefreie Holzverarbeitung, die Thoma zum Grundsatz erhoben hat, eröffnet neue Methoden nachhaltigen Bauens. So lässt sich klimaneutral bauen, da in der Bausubstanz CO2 gespeichert ist, das die Bäume über Kohlenstoffdioxid-Assimilation aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Die in der industriellen Vorfabrikation von verdübelten Massivholzwänden anfallenden Abfälle können auf ein Minimum reduziert werden und zur Energiegewinnung wiederverwendet werden. Die Häuser müssen nach Jahrhunderten der Nutzung nicht abgerissen werden, sondern können wieder auseinandergenommen und neu zusammengefügt werden.[7]

Wirtschaftsmodell nach dem Vorbild des Waldes

Von der ökologischen Funktionsweise des Waldes leitet Thoma Wirtschaftskonzepte ab, die er in seinem Unternehmen und mit seinen Produkten umsetzt: Der Wald, so Thoma, kennt keinen Abfall, sondern nur Rohstoffkreisläufe. Thoma bezeichnet dies als Alternative zur Wegwerfgesellschaft und als Vorbild für ein auf Dauer funktionsfähiges Wirtschaftsmodell. Hiervon leitet er auch sein Konzept für energieautarke Häuser ab, die ohne Rohstoffverbrauch beheizt, gekühlt und mit Energie versorgt werden können, wobei die Gebäudehülle aus massivem Holz als Wärmespeicher funktioniert.[4]

Seelische Wirkung des Holzes

In der Tradition der Naturheilkunde von Paracelsus und Hildegard von Bingen schreibt Thoma verschiedenen Holzarten „seelische Botschaften“ zu. Dabei geht er zunächst von verschiedenen Holzfarben und -maserungen aus und beschreibt Bäume als Lebewesen mit eigener Seele. In ihren Jahresringen zeichnen Bäume die Naturgewalten und Energien aus ihrer Lebenszeit auf, welche über das Holz auf den Menschen wirken und laut Thoma Kraft, Freude, Ausgeglichenheit und Heilung bringen. Thoma beschreibt darüber hinaus die soziobiologischen Aufgaben innerhalb der Baumfamilie und überträgt diese auf den Menschen. [8] [9]

Veröffentlichungen

  • ...dich sah ich wachsen: Über das uralte und das neue Leben mit Holz, Wald und Mond. 1996
  • ...und du begleitest mich: Wie Bäume und Hölzer dem Menschen nützen. 1999
  • Für lange Zeit: Leben und Bauen mit Holz. Alte Weisheiten für moderne Technologien. 2003
  • Vollholz-Häuser: Das Baum Prinzip für naturnahes Wohnen. 2008
  • Die geheime Sprache der Bäume - und wie die Wissenschaft sie entschlüsselt. 2012
  • Die sanfte Medizin der Bäume: Gesund leben mit altem und neuem Wissen. 2014 (Co-Autor: Maximilian Moser)
  • Bäume für die Seele: Welches Holz stärkt mich? 2015 (Co-Autorin: Julia Gruber)
  • Holzwunder: Die Rückkehr der Bäume in unser Leben. 2016

Auszeichnungen und Zertifikate

  • Cradle to Cradle Zertifikat, Gold seit 2009
  • Europäischer Sieger des R.I.O. Innovationspreises 2003
  • Bundessieger Arbeitsplätze durch Innovation, Österreich 2003
  • Umweltfreundlichster Industriebetrieb in Österreich 2001
  • Deutscher Holz Creativ Preis 2000
  • Salzburger Innovationspreis 2000

Vorträge

Artikel

Film

Englisch

Einzelnachweise

  1. Erwin Thoma: Geschichte der Firma Thoma. Abgerufen am 28. April 2016.
  2. a b Ernst Zürcher: Trocknungs- und Witterungsverhalten von mondphasengefälltem Fichtenholz. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, , abgerufen am 29. April 2016.
  3. Von "Mond-Diät" bis "Mondholz" - alles erlaubt? In: Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden. 1/2, 2005.
  4. a b Erwin Thoma: Holzwunder. Servus bei Benevento Publishing, Salzburg 2016, ISBN 978-3-7104-0105-3, S. 173–197.
  5. Maximilian Moser & Erwin Thoma: Die Sanfte Medizin der Bäume. Servus Verlag, Salzburg 2014, ISBN 978-3-7104-0001-8, S. 126–145.
  6. Erwin Thoma: Holzwunder. Servus bei Benevento Publishing, Salzburg 2016, ISBN 978-3-7104-0105-3, S. 17–37, 102–111.
  7. Erwin Thoma: Holzwunder. Servus bei Benevento Publishing, Salzburg 2016, ISBN 978-3-7104-0105-3, S. 35–37.
  8. Julia Gruber & Erwin Thoma: Bäume für die Seele. 1. Auflage. Carl Ueberreuther Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-8000-7622-2, S. 5–10.
  9. Erwin Thoma: Und du begleitest mich- Das Geheimnis der Bäume. 4. Auflage. Edition Thoma, Goldegg 2004, ISBN 3-901958-00-2, S. 6–7.