Zum Inhalt springen

Aberglaube

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. April 2006 um 05:28 Uhr durch 212.183.107.21 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Begriff Aberglaube wird meist abwertend für einen Glaubenssatz oder ein Glaubensgebilde gebraucht, das – dem eigenen als Dogma angesehenen rechten Glauben gegenübergestellt – als irrational, unvernünftig, nutzlos (manchmal auch unmenschlich) und deswegen als unterlegen betrachtet wird. Häufig wird er im Zusammenhang mit mangelnder Bildung, dem Mittelalter (Aufklärung), oder auch nicht-monotheistischen Religionen und Kulten gebraucht. Ebenso, wie auch zum Beispiel der christliche Glaube für einen Angehörigen einer anderen Religion, einen Marxisten oder einen Atheisten Aberglauben darstellt.

In der Psychologie ist Aberglaube eng verwandt mit Begriffen wie magisches Denken, selbsterfüllende Prophezeiung, Mythos der eigenen Unverletzbarkeit (siehe Arbeitssicherheit), Glaube an das „todsichere System“ beim Glücksspiel (siehe Wahrscheinlichkeit). Er entsteht z. B. bei nichtdeterministischen Experimenten (z. B. die abergläubische Ratte, Belohnungssysteme, die der Lernkurve folgen, siehe Paul Watzlawick). Aberglaube und magische Praktiken sind auch entwicklungspsychologisch relevant, da Kinder in einer so genannten Phase des Egozentrismus sich einem magisch-abergläubischen Weltbild zuwenden können.

Außerdem können (Wander-)Sagen zum Aberglauben beitragen, wenn sie uns glaubwürdige Ereignisse schildern und wir damit deren Eintrittswahrscheinlichkeit überschätzen.

Etymologie

Aber- bezeichnet ursprünglich nicht „gegen“, sondern „darüber hinaus“, „auf der anderen Seite liegend“. Diese etymologische Wurzel erhielt sich in aberwitzig (mit Witz: „verstandesgemäß“: „über den Verstand hinausgehend“, im ursprünglichen Sinne also „transzendent“). Aberglaube bezeichnete also „den Glauben an das Übersinnliche“ und wurde erst im katholisch-religiösen Kontext zu „Der Glaube an die falschen übersinnlichen Kräfte“, „Irrglaube“. Die heutige Bedeutung stabilisierte sich erst im 19. Jahrhundert.

Verwendung

Meist besitzt ein als abergläubisch bezeichnetes Weltbild eine weniger in sich geschlossene logische Struktur, als sie beispielsweise von den Scholastikern für die katholische Kirche aufgebaut wurde. Es gibt starke regionale Unterschiede – die aber durch moderne Medien und die neueren Möglichkeiten der Kommunikation immer mehr verwischen – und die einzelnen Spielarten grenzen sich gegeneinander weniger stark ab, als dies bei den Weltreligionen der Fall ist. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass zwischen konkurrierenden Formen des Aberglaubens unbedingt eine größere Toleranz bestehen muss.

Der Grund für das fehlende Grundgerüst ist häufig in der Christianisierung des ursprünglichen Volksglaubens zu sehen, wodurch der Unterbau verloren ging und nur Rituale wie das Silvesterschießen oder einzelne Zeremonien z.B. bei Totenfeiern erhalten blieben oder sich als katholisch gebilligter Heiligenglauben versteckten.

Nach Robert Pfaller ist das "Gefährliche am Aberglauben die Bekenntnisse. Mit ihnen treten Engpässe von Genuss zu Gunsten von Selbstachtung und Respekt auf. Bekenntnisse produzieren Stolz statt Glück, wobei der Stolz sein Glück nicht als Glück erfahren kann."

Geschichte

Der Begriff Aberglaube taucht in der christlichen Religion am Ende des Mittelalters auf, er sollte Abweichungen von der geltenden Kirchenlehre anprangern und ins Abseits stellen.

Die Bekehrung der Heiden war in Europa zwar abgeschlossen, doch die lokalen Volksglauben lebten in gewissen Grenzen weiter. Zauber, Amulette, Böser Blick, heilige Bäume und heilige Haine, nichts sollte die Christen von dem wahren Glauben und der Heilsbotschaft ablenken, kein anderes Heil sollte der einzig gültigen Religion konkurrieren dürfen. Die Gnade, den Ablass der Sünden und die Erlösung sollte es nur innerhalb der einzig gültigen Kirche geben.

Andererseits wollte man mit der Bezeichnung Aberglaube auch all den neuen, vorreformatorischen und sektiererischen Einflüssen entgegenwirken. Alle Kirchenkritiker und Abweichler, die Ketzer, sollten damit in die gleiche Position wie die Hexen und Zauberer gebracht werden. Und auch auf sie wartete die Inquisition.

Viele Kulturen ausserhalb Europas, besonders jene welche keinem Eingottglauben anhängen, kennen auch den Begriff "Aberglaube" nicht. Da wird meistens die Vorstellung der Andersgläubigen als gleichwertig betrachtet, auch wenn man sich ihr selbst nicht anschließen möchte. Die Infragestellung konventionsabhängiger Glaubensinhalte durch Aussenstehende wird allerdings oft als Bestätigung der Rechtmäßigkeit derer Ausgrenzung betrachtet.

Aberglaube liefert aufgrund der narrativen Einbettung seiner Inhalte noch heute viele Hinweise auf das sozio-kulturelle Vorwissen alter Kulturen und ist Objekt zahlreicher volkskundlicher Forschungsarbeiten. Aus volkskundlicher Sicht kann man sagen, dass der Glaube dann zum Aberglauben wird, wenn er mit der sozio-kulturellen Entwicklung nicht mehr Schritt halten kann, wie man aus wissenschaftlicher Sicht sagen kann, dass Theorie zum Aberglauben wird, wenn sie mit der Entwicklung des Wissensstandes nicht schritthält: Viele als Aberglauben bezeichnete Denkweisen wurzeln in Erklärungsmodellen, die einmal – im Rahmen früherer Denkschulen – anerkannter Wissenstand waren.

Beispiele

Aberglaube entsteht auch durch die falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung oder Fehlverwendung wissenschaftlicher Methodik und ist eine der häufigsten Arten des nicht-religiösen Aberglaubens. Einen Grenzbereich stellt überliefertes Handlungswissen dar, für das sich bislang keine Erklärung fand (Parawissenschaft).

Heutzutage finden sich noch Reste in europäischen Kulturkreisen, wie etwa der Glaube, dass schwarze Katzen beim Vorübergehen aus einer bestimmten Richtung Pech bringen, oder dass es unvorteilhaft für das Lebensglück ist, unter einer Leiter hindurch zu gehen. Gleichzeitig vermittelt ein vier-blättriges Kleeblatt Glück (evtl. allein nur es gefunden zu haben), genauso wie sich der Ruß eines Schornsteinfegers zum persönlichen Glück wendet. Häufig entsteht auch ein persönlicher Aberglaube wie zum Beispiel die "Glückssocke", die ihrem Träger zu bestimmten Anlässen beisteht, wenn er sie nur trägt.

Im Grenzfall zur Esoterik befinden sich pseudowissenschaftliche Interpretationen wie die Zahlenmystik, oder so genannte Mondkalender, die – über Richtlinien von Pflanz-, Pflege- und Erntetätigkeiten hinausgehend – auch für zahlreiche andere Prognosen zweckentfremdet werden. Schwer ist auch die Unterscheidung zwischen Fehlverwendung und mangelnder Informationslage bei Bauernregeln, die sich auf die bäuerliche Wettervorhersage sowie auf Tätigkeiten rund um Haus und Hof beziehen.

Aberglaube im Theater

In der Welt der darstellenden Kunst gibt es zahlreiche Aberglauben, die sich oft auf die Premiere beziehen und von denen der Erfolg der Aufführung angeblich abhängig ist. Eine der verbreitetsten Regeln ist es, dass man im Theater nicht pfeifen darf, so etwas deute nämlich auf einen Brand hin. Dieser Aberglaube kommt aus der Zeit, als es noch Gasleuchter im Theater gab. Der pfeifende Ton wies darauf hin, dass Sauerstoffmangel herrscht. Weiterhin darf man sich für die Glückwünsche ("toi-toi-toi" – eigentlich "Teufel, Teufel, Teufel") nicht bedanken und auf der Bühne (außer wenn es das Stück verlangt) weder essen noch trinken. Vor der Premiere ist es üblich, dass sich die Schauspieler gegenseitig bespucken, damit die Aufführung Erfolg hat.

Verbreitung

In einer repräsentativen Umfrage in Deutschland wird die Zahl der Abergläubischen mit 51 Prozent angegeben, darunter mehr Frauen (62 Prozent) als Männer (38 Prozent). Mit zunehmenden Bildungsstand nimmt der Aberglaube ab. In der Altersklasse der 50- bis 59-jährigen gibt es mit 62 Prozent den höchsten Anteil. Bei den unter 30-jährigen nimmt der Anteil wieder zu (53 Prozent). Besonderer Beliebtheit erfreut sich das vierblättrige Kleeblatt: 40 Prozent meinen, es bringe Glück. Und beinahe jeder vierte Befragte sieht die Zahl 7 positiv.

Bewahrheiteter Aberglaube

Für bäuerlichen Aberglauben hielt man z.B. die Auffassung, dass dort, wo Berberitzen wachsen, die Getreide-Krankheit Schwarzrost auftritt, bis man wissenschaftlich nachweisen konnte, dass die Berberitze Zwischenwirt des Pilzes ist, der die Krankheit auslöst.

Siehe auch: Gewitterkerze, Glückskatze, Holunder, Schluckbildchen, Glückshaube, Hubertusschlüssel, Glücksklee

Literatur

  • Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. 10 Bände. De Gruyter, Berlin und Leipzig 1929-1942 (unveränderter Nachdruck 2000: ISBN 3-11-016860-X)
Wiktionary: Aberglaube – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen