Eisenbahnunfall von Warngau
Der Eisenbahnunfall von Warngau war ein Frontalzusammenstoß der Eilzüge 3594 und 3591 am 8. Juni 1975, die zwischen Lenggries und München verkehrten. 41 tote Fahrgäste und Eisenbahnmitarbeiter, darunter auch beide Lokführer, sowie 122 Verletzte waren die Folge.
Ausgangslage
Der Unfall ereignete sich auf der eingleisigen Bahnstrecke Holzkirchen–Lenggries bei Warngau. Auf dieser Strecke gab es keinen Streckenblock. Benachbarte Fahrdienstleiter konnten deshalb technisch auch entgegengesetzt verkehrenden Zügen gleichzeitig die Ausfahrt auf die freie Strecke freigeben. Dies war betrieblich nicht zulässig, und damit dies nicht geschah, mussten die Fahrdienstleiter mit Zugmeldungen sicherstellen, dass immer nur ein Zug auf die Strecke fahren durfte. Zum damaligen Zeitpunkt war Warngau noch ein Bahnhof, auf dem Züge kreuzen konnten.
Begünstigt wurde der Unfall durch weitere Umstände: Der Sommerfahrplan 1975 schrieb nicht eindeutig vor, an welchem Bahnhof die Züge zu kreuzen hatten, sondern sah eine fiktive Kreuzung auf freier Strecke zwischen Warngau und Schaftlach vor, eine sogenannte Luftkreuzung. Das gestattete den dortigen Fahrdienstleitern, den Ort der Kreuzung nach aktuellen Gegebenheiten flexibel zu wählen. Diese Fahrplanlage ergab sich nur an Sonntagen des damals neu in Kraft getretenen Fahrplans. Nur an Sonntagen verkehrte der E 3594, der E 3591 dagegen täglich. Am ersten Wochenende, an dem der Fahrplan galt, hatte der eine Zug so viel Verspätung, dass die Kreuzung an anderer Stelle stattfand, am zweiten Fahrplanwochenende kam es zu dem Unfall.
Unfallhergang
Bei dem entscheidenden Gespräch zwischen den beiden Fahrdienstleitern, die die Zugmeldung vorgenommen hatten, hätte ein nach Zugmeldeverfahren exakt vorgeschriebener Wortlaut verwendet werden müssen. Das aber geschah nicht. Die beiden Fahrdienstleiter redeten aneinander vorbei: Jeder wollte seinen Zug anbieten, jeder war der Meinung, der Gesprächspartner hätte den von ihm angebotenen Zug angenommen. Erschwerend kam hinzu, dass beide Züge sehr ähnliche Zugnummern hatten. Das Gespräch wurde von einem Sprachspeicher aufgezeichnet. Die Züge stießen bei Kilometer 44,312 um 18:31 Uhr auf freier Strecke zusammen.[1] 41 Menschen starben; außerdem wurden 122 Menschen verletzt. Unglücksursache war demnach menschliches Versagen. Die Toten wurden zur Identifizierung in der Allerheiligenkirche in Warngau aufgebahrt.[2]
Folgen
Harsch kritisiert wurde im Nachhinein, dass technische Sicherungsmöglichkeiten, die es gab, nicht eingebaut waren. Der Spiegel konstatierte „Zustände wie bei der Pferdebahn“.[3] Das Vorsehen von Luftkreuzungen im Fahrplan wurde danach von der Bahn untersagt.
Auch versuchte die Staatsanwaltschaft, nicht nur die unmittelbar handelnden, sondern auch Beamte der Bahnverwaltung strafrechtlich zu belangen – ein Novum. Monatelang wurde ermittelt, acht Sachverständigengutachten eingeholt und schließlich auch der Beamte, der die Luftkreuzung im Fahrplan ausgearbeitet hatte, angeklagt. Er und die beiden Fahrdienstleiter wurden zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt.[4]
Von den beiden betroffenen Diesellokomotiven wurde die 218 238 repariert, die 218 243 verschrottet.
Quellen
- Der Spiegel v. 16. Juni 1975: Zustände wie bei der Pferdebahn.
- Der Spiegel v. 8. März 1976: Vorschrift verkürzt (abgerufen am 26. Dezember 2013)
- H.B.: Wo blieben die Vorgesetzten? In: Die Zeit v. 23. April 1976.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ So: Der Spiegel v. 16. Juni 1975; Flo, Drehscheibe online, nennt 17:52.
- ↑ Andreas Steppan: Bilder des Grauens wirken bis heute nach. In: merkur-online v. 8. Juni 2012.
- ↑ spiegel.de 16. Juni 1975: Zustände wie bei der Pferdebahn
- ↑ H.B. in: Die Zeit.
Koordinaten: 47° 49′ 5″ N, 11° 42′ 7,5″ O