Bindlacher Berg
Bindlacher Berg Gemeinde Bindlach
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Koordinaten: | 50° 0′ N, 11° 38′ O |
Höhe: | 482 m ü. NN |
Postleitzahl: | 95463 |
Vorwahl: | 09208 |
Goldkronacher Straße in Bindlacher Berg
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Bindlacher Berg ist ein Gemeindeteil der oberfränkischen Gemeinde Bindlach. Er liegt geographisch auf der gleichnamigen Erhebung und grenzt an den Nordbereich des Hauptorts Bindlach, der 120 Meter tiefer liegt. Die höchste Stelle des Bindlacher Bergs liegt mit 493 Meter ü. NN nordöstlich des Gemeindeteils Röhrig.[1]
Geschichte
Fundstücke in Form von Werkzeugen belegen die Anwesenheit von Menschen in der Zeit zwischen 4000 und 2000 vor unserer Zeitrechnung. 1809 lagerten auf dem Berg mehr als 4000 Soldaten, im Mai 1812 zog Napoleon über den Bindlacher Berg. Graf Münster entdeckte in den Kalksteinbrüchen an den Hängen des Bindlacher Bergs die ersten Dinosaurierfossilien auf deutschem Boden.
Die bis dahin geradlinig steil auf den Berg verlaufende Reichsstraße 2 erhielt 1895 ihre neue Trasse durch den Ortsteil Röhrig. Die alte Trasse hatte wegen der starken Steigung ein zweimaliges Umspannen der Kutschpferde erfordert, wobei in der Talstation in Bindlach kräftige Arbeitspferde die Aufgabe der „edleren“ Rösser übernahmen. In der Bergstation An der Ausspann wurden die Pferde wieder gewechselt.[2]
Am 15. Juli 1937[3] wurde zu den Bayreuther Festspielen der Abschnitt von Bayreuth nach Lanzendorf der heutigen Bundesautobahn 9 als Reichsautobahn über den Westhang des Bindlacher Bergs eröffnet.[4] Die heutige Anschlussstelle 40b (Bindlacher Berg) war bis zum sechsstreifigen Ausbau keine öffentliche Anschlussstelle, sondern den US-Streitkräften vorbehalten.
Fliegerhorst
Zwischen 1937 und 1938 richtete die Luftwaffe auf dem Bindlacher Berg einen Fliegerhorst ein. Vor 1937 hatte auf der Anhöhe nur ein Bauernhof existiert, der abgerissen wurde. Große Waldteile wurden gerodet und planiert, um eine möglichst große Ebene herzustellen, auf der Flugzeuge problemlos starten und landen konnten. Ab Mai 1939 war dort das Zerstörergeschwader I./ZG 52 stationiert. Hitler, der keine Stationierung von Kampfeinheiten in Bayreuth wünschte, ließ die Einheit im August desselben Jahres nach Biblis verlegen. Ab dem 4. September 1939 wurde der Fliegerhorst von Flugzeugführerschulen und fliegertechnischen Schulen genutzt. 1500 Bordmechaniker konnten an allen gängigen Flugzeugmustern der Luftwaffe ausgebildet werden, das Lehrpersonal bestand aus 350 Unteroffizieren und Feldwebeln. Von der Instandsetzungskompanie 6 wurden Flugzeugreparaturen durchgeführt, zudem gab es eine Ausbildungsstätte für Flugzeugbauer im Metallflugzeugbau. Ab dem 14. Februar 1944 wurden verschiedene Nahaufklärungsgruppen stationiert, am 5. April 1945 die Nachtschlachtgruppe 2 von Erfurt-Bindersleben mit ihren fünf verbliebenen Sturzkampfbombern Ju 87 auf den Bindlacher Berg verlegt.[5]
Am 11. April 1945 wurde der Fliegerhorst bei einem Bombenangriff teilweise in Brand geschossen, dort stationierte deutsche Flugzeuge wurden zerstört.[6] Vier Tage später wurde er von den amerikanischen Truppen besetzt, die dort die bis 1992 genutzte Kaserne Christensen Barracks errichteten.[2]
Neubürgerreuth

Um eine Zerstreuung der Unternehmer, Arbeiter und Heimarbeiter ihrer Glasindustrie zu vermeiden, suchten maßgebliche Vertreter der Vertriebenen aus Gablonz eine Stelle für eine gemeinsame Ansiedlung. Das Areal des vormaligen Fliegerhorstes erschien als geeigneter Ort. In den Jahren 1937/38 waren dort siebzehn winterfeste Großbaracken errichtet worden, das Gelände war bereits mit Straßen erschlossen und kanalisiert. Im Mai 1946 beschloss der bayerische Ministerrat, alle Gablonzer Firmen und Arbeiter im oberfränkischen Raum anzusiedeln. Auf dem Bindlacher Berg ließen sich im ehemaligen Krankenhaus sechs Betriebe nieder, die 34 Arbeiter und 210 Heimarbeiter beschäftigten. Bald wurden massive Unterkünfte gebaut, und die neue Siedlung erhielt ein eigenes Dienstsiegel. Der damalige Bayreuther Landrat wählte für die Siedlung den Namen „Neubürgerreuth“.
Im Sommer 1946 wurde der Flugplatz von den Amerikanern beschlagnahmt, die das Areal für eigene Zwecke beanspruchten. Die Glasmacher begannen nach Weidenberg, Warmensteinach und Fichtelberg abzuwandern. Gablonzer Familien lebten aber noch bis Ende 1951 auf dem Bindlacher Berg.[7]
Barackenlager
Parallel zur Errichtung der Christensen Barracks entstand in den Baracken des Fliegerhorsts ein Auffanglager für ehemalige Zwangsarbeiter, die auf die Rückkehr in ihre Heimatländer warteten. Heimatvertriebene aus den ehemaligen ostdeutschen Provinzen waren die nächsten Bewohner, ehe sie auf andere Orte verteilt wurden. Durch das Lager, an das nur noch ein Gedenkkreuz, das sogenannte Bergkreuz, erinnert, wurden über 300.000 Flüchtlinge geschleust.[8][9]
Im Sommer 1947 lebten in der amerikanischen Besatzungszone 160.000 jüdische Menschen als Displaced Persons (DPs). Obwohl die US-Verwaltung weitere Zuzüge von jüdischen DPs in ihren Machtbereich untersagte, gelang Anfang 1948 weiteren 6000 rumänischen Juden das Überqueren der Grenze. Ab dem 3. März 1948 quartierte die US-Militärregierung in einigen der Baracken auf dem Bindlacher Berg zwangsweise die ersten 176 Juden, darunter etwa vierzig Kinder, ein. Die Amerikaner zeigten kein Interesse daran, das Leben der eingesperrten DPs erträglich zu gestalten. Zwei bis drei Familien mussten sich jeweils ein Zimmer teilen. Die Räume waren nicht geheizt, es gab kein warmes Wasser. Jede Person erhielt nur zwei Decken, die Lebensmittelrationen wurden auf 1.500 kcal pro Tag gekürzt. Am 6. März besuchten Mitglieder einer jüdisch-amerikanischen Hilfsorganisation das Lager und fanden dort „unterernährte, zerlumpte und verzwifelte Männer, Frauen und Kinder“ vor. Ihrer Initiative war es zu verdanken, dass die Baracken winterfest gemacht wurden und sich die Lebensumstände der Insassen verbesserten. Die letzten jüdischen DPs konnten das Lager erst im Februar 1949 verlassen.
In die freigewordenen Baracken zogen Flüchtlinge aus Schlesien, Ostpreußen und der Tschechoslowakei ein.[10] 1966 wurde das Flüchtlingslager aufgelöst, die Baracken wurden abgerissen. Eine 1965 von der Gemeinde errichtete Baracke für Obdachlose existierte bis 1976.[2]
US-Kaserne

Die amerikanische Kaserne diente dem 1. Bataillon des 2. US-Kavallerieregiments bis 1992 als Basis für die Überwachung der deutsch-tschechischen Grenze.
Heutige Situation

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden der Standort und die Kaserne aufgegeben. Zwischen 1992 und 1997 dienten die Mannschaftswohnblöcke teilweise als Unterkünfte für bedürftige Menschen, ehe sie 1997 abgerissen wurden. Die ehemaligen Angehörigen-Wohnblöcke im Norden des Areals wurden kernsaniert und als Eigentumswohnungen zu günstigen Konditionen verkauft. Die amerikanische Schule[11] und der Kindergarten wurden renoviert und der Öffentlichkeit übergeben. Auch deswegen ist das Wohngebiet heute größtenteils von Familien mit Kindern besiedelt.
Viele der ehemaligen Instandhaltungs- und Lagergebäude werden heute gewerblich genutzt. Im Osten des Wohngebietes hat sich daraus ein kleines Industriegebiet entwickelt.
Einwohnerentwicklung
2008 lebten im Gemeindeteil 874, im Jahr 2009 904 Personen. Im Jahr 2010 erhöhte sich die Zahl auf 930 (Stand: 31. Dezember 2010).[12]
Politik
Zu den Gemeinderatswahlen 2008 bildete sich eine eigene Wählergemeinschaft, die Bergliste. Diese hat es sich zum Ziel gesetzt, Probleme, welche das amerikanische Erbe am Bindlacher Berg hinterlassen hat, auf politischer Ebene zu lösen. Sie ist mit einem Sitz im Gemeinderat vertreten.[13]
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Das Autobahndreieck Bayreuth/Kulmbach, an dem die Bundesautobahn 70 in die Bundesautobahn 9 mündet, liegt einen Kilometer westlich des Gemeindeteils. Die ehemalige Autobahnauffahrt der amerikanischen Streitkräfte wurde nach deren Abzug zu der offiziellen Anschlussstelle 40b Bindlacher Berg der A 9 ausgebaut. Zwischen der Autobahn und dem Bindlacher Berg verläuft die Bundesstraße 2. Im Südosten grenzt der Verkehrslandeplatz Bayreuth an den Ortsteil.
Ansässige Unternehmen
In Bindlacher Berg sind Unternehmen verschiedenen Richtungen ansässig, so z. B. Baumaschinen, Lackfabrik, Zentrallager für Reifen, Transporte Sandwerk Erdarbeiten, Sport- und Freizeit Versandhandel sowie Verkehrstechnik.
Vereine
Das Vereinswesen besteht u. a. aus dem Bürgerverein Bindlacher Berg e. V., der Luftsportgemeinschaft Bayreuth e. V.; der Reservistenkameradschaft Bindlach e. V. und dem Schäferhundeverein, Ortsgruppe Bindlach e. V..
Solarpark
Der Solarpark Bindlacher Berg ist eine Freiflächenphotovoltaikanlage östlich des Wohngebietes. Die Anlage wurde vom Betreiber Cosmoenergy auf einem 7,3 ha großen ehemaligen Militärgelände aus Silicium-Solarmodulen errichtet. Auf der Fläche wurden 230 sogenannte Solartracker verbaut, die zweiachsig dem Sonnenstand automatisiert nachgeführt werden. Jedes Modul hat eine Spitzenleistung von 10,56 kW, die Spitzenleistung der gesamten Anlage beträgt damit 2,43 MW. Von der Änderung des Flächennutzungsplans im August 2010 bis zum Baubeginn der Anlage vergingen lediglich zwei Monate. Der Solarpark wurde im März 2011 in Betrieb genommen.[14] Nach Errichtung der Anlage durch das Unternehmen Cosmoenergy wird sie nun durch ein regionales Unternehmen saniert.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Topogr. Karte Bayreuth 1:25000 von 1938 bei BayernAtlas
- ↑ a b c Aus der Geschichte des Bindlacher Berges bei bindlacherberg.de, abgerufen am 26. Juni 2015
- ↑ Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. Nordbayerischer Kurier, Bayreuth 1999, S. 71.
- ↑ Albrecht Bald: Widerstand, Verweigerung und Emigration in Oberfranken. Bumerang, Bayreuth 2015, ISBN 978-3-929268-28-7, S. 29.
- ↑ Axel Polnik: Die Bayreuther Feuerwehren im Dritten Reich, S. 328 ff (bei Google Books)
- ↑ BT24 vom 15. Februar 2011, abgerufen am 4. Februar 2014
- ↑ Der Traum von „Neubürgerreuth“ in: Nordbayerischer Kurier vom 12./13. November 2016, S. 25
- ↑ http://www.sudeten-bayreuth.de/Vertreibung_index.htm
- ↑ http://www.sudeten-bayreuth.de/pegnitz60_presse.htm
- ↑ „Warum sind wir hierher gebracht worden?“ in: Nordbayerischer Kurier vom 24. Juni 2015, S. 16
- ↑ http://www.volksschule-bindlach.de/
- ↑ http://www.bindlach.de/
- ↑ http://bergliste.de/home.html
- ↑ Gemeinderatsprotokoll zur Änderung des Flächennutzungsplans