Denk-Mal Güterwagen

Das Denkmal Güterwagen zeigt eine Figurengruppe der Künstler
POM[1] und Cristine Schell[2] und einen Güterwagen. Es soll an die Deportation zweier Lehrerinnen erinnern, die an der Hamburger Schule Meerweinstraße unterrichtet haben - stellvertretend für die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Installation ist durch die Initiative einer Schüler-Projektgruppe dieser Schule entstanden.
Die gedeckten Güterwagen der Regelbauart wurden von der Deutschen Reichsbahn für den Vieh- und Stückguttransport, aber auch zur Deportation der Juden verwendet.
Die Lehrerinnen
Hertha Feiner-Aßmus
(*8.Mai 1896 Hamburg, † 2.März 1943 während des Transports nach Auschwitz) Sie studierte Pädagogik und arbeitete bis 1933 als Lehrerin an der Schule Meerweinstraße. 1933 wurde sie aus dem Schuldienst entlassen und von ihrem Mann geschieden. Sie arbeitete nun als Hilfslehrerin an einer jüdischen Schule. 1935 zog sie nach Berlin, ihre Kinder schickte sie vier Jahre später, durch Vermittlung ihres geschiedenen Mannes, in die Schweiz auf ein Internat am Genfer See. Hertha Feiner arbeitete in Berlin an verschiedenen jüdischen Schulen. 1941 erfolgte der Zwangseinsatz bei der Jüdischen Gemeinde. Sie musste dort bei den administrativen Vorbereitungen der Deportationen mitarbeiten. Am 12.3.1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert. Auf dem Weg dorthin nahm sie sich das Leben.
1992 wurde der Hertha-Feiner-Aßmus-Stieg in Winterhude nach ihr benannt.
Julia Cohn
(*14. Oktober 1888 Hamburg, am 6.12.1945 deportiert nach Riga, † zwischen Dezember 1941 und 1944 in einem Lager bei Riga)
Sie war Lehrerin an der Schule Humboldtstraße (Barmbek) und an der Schule für Sprach- und Handelskurse für Auswanderer in der Beneckestraße. Zum 1. April 1930 wechselte sie an die neu erbaute Schule Meerweinstraße. Am 29.Juli 1933 wurde sie aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, wonach „nichtarische“ Lehrerinnen und Lehrer keine Beamten sein durften, aus dem Schuldienst entlassen. Erst nach langen Bemühungen und unter dem Hinweis auf die Kriegsteilnahme ihres Mannes im Ersten Weltkrieg erhielt sie ab Oktober 1933 Versorgungsbezüge. Ihr Mann, Jacob Cohn, der 1927 sein Zigarrenimportgeschäft aufgegeben hatte, arbeitete als Buchhalter. Das Ehepaar Cohn hatte einen Sohn (Paul) und wohnte in der Klosterallee (Harvestehude), um dem Sohn den Besuch der Schule am Grindel zu ermöglichen.
Am 9. November 1938 wurde Jacob Cohn ins KZ Sachsenhausen oder Dachau gebracht. Nach vier Monaten intensiver Bemühungen seitens der Familie und aufgrund des Fronteinsatzes während des Ersten Weltkrieges wurde Jacob Cohn aus dem KZ mit dem Hinweis entlassen, so schnell wie möglich auszuwandern. Die Familie Cohn bemühte sich um eine Auswanderungsmöglichkeit. Aber sie hatte keine ausländischen Beziehungen, und eine Einreiseerlaubnis gab es nur gegen Garantie eines Bürgen. Am 30. Mai 1939 erhielt die Familie dennoch die Ausreisegenehmigung.
Das Kind Paul reiste am 21. Mai 1939 mit einem Kindertransport nach England. Für sich selbst wussten die Eheleute die Ausreise nicht zu finanzieren. Als kurze Zeit später der Zweite Weltkrieg ausbrach, war es für Juden kaum mehr möglich, Deutschland zu verlassen. Anfang Dezember 1941 erging an das Ehepaar Cohn die Aufforderung, sich am 6. Dezember auf der Moorweide einzufinden, um von dort nach Osten abtransportiert zu werden. Herr Cohn glaubte an einen Arbeitseinsatz, weil die Nazis das Ehepaar Cohn aufgefordert hatten, einen Spaten mitzunehmen.
1985 wurde der Julia-Cohn-Weg in Alsterdorf nach ihr benannt.
Die Schule

Architektur
Die Schule wurde als Volksschule Wiesendamm 1928-29 nach dem Entwurf von Fritz Schumacher erbaut. Die Schule - eine Doppelschule des neuen Hamburger Typs, an der erstmalig in Hamburg an einer Regelschule Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet wurden - erhielt ihren Platz im östlichen Teil der Jarrestadt im Rahmen des von Schumacher entworfenen Bebauungsplans.
Als zentrales Bauwerk und "charakterbestimmender Mittelpunkt" gedacht, liegt sie im Brennpunkt einer hufeisenförmigen Platzanlage in der Symmetrieachse des regelmäßig aufgeteilten Stadtteils. Der symmetrische, langgestreckte Bau mit fünf Geschossen und leicht auskragendem flachen Dach zeigt in der Hauptfront eine regelmäßige Rasterfassade ohne die gewohnte Klinkerverkleidung der Tragkonstruktion: das Eisenbetonskelett bleibt als Fachwerk mit ausgemauerten Brüstungsfeldern sichtbar.
Über den seitlich angebauten Eingangstrakten erheben sich flankierende Treppentürme mit großen Fenstern an den Stirnseiten: Für Schumacher hatten sie die Funktion von "Beleuchtungskörpern", die den beidseitig eingebauten Fluren Licht gaben. Die Turnhalle wächst als Mittelflügel aus der Rückfront heraus. In diesem Schulbau erhält sie einen darüberliegenden Gymnastiksaal und auf dem flachen Dach eine Terrasse. Fritz Bürger fertigte die vergoldete Schalenträgerin des Brunnens im Innenhof. Nach zukunftsweisenden pädagogischen Erkenntnissen erhielt die Schule Räume für den Fachunterricht in Naturwissenschaften, Kunst und Werken.
Geschichte
Eröffnung 1930
Am 23. Juli 1930 übergab der damalige Stadtbaumeister Fritz Schumacher das Schulgebäude der Öffentlichkeit.
Die Schule war als Zentrum einer republikanisch-modernen Arbeiterstadt konzipiert. Eine aktive Elternschaft beteiligte sich als “Schulfortschrittsgruppe” an Konferenzen und erörterte mit den Lehrerinnen und Lehrern die Vorhaben der Schule.
Schule unter dem Hakenkreuz
Gleich nach dem 5. März 1933 führten die Nationalsozialisten unter der Parole “Schluss mit der roten Pädagogik” eine massive Kampagne gegen die Schulen durch, die sich wie die Lichtwarkschule, die Telemannschule und die Meerweinschule der demokratischen Republik verpflichtet fühlten.
Auch die Meerweinschule wurde gewaltsam gleichgeschaltet. Ab Ostern 1935 wurde sie in eine Mädchen- und Jungenschule getrennt. Benannt wurde sie nach einem NSDAP-Funktionär - Hans-Schemm-Schule -. Die jüdischen Lehrerinnen Hertha Feiner-Aßmus und Julia Cohn wurden suspendiert.
Im Winter 1943/44 wurde der Schulbetrieb eingestellt.
Neubeginn
Im August 1945 der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Die Trennung in zwei Schulen wurde beibehalten. In den sehr kalten beiden Nachkriegswintern wurde die Unterrichtszeit auf 30 Minuten beschränkt, weil die Schulen nicht beheizt werden konnten.
Nach dem relativ zügigen Wiederaufbau der Jarrestadt wurde Schichtunterricht erteilt um den sprunghaft steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden. Noch 1951 wurden Klassen mit über 60 Kindern eingerichtet.
Trennung in Grundschule und Haupt- und Realschule
Anfang der sechziger Jahre verlief die Entwicklung der Schülerzahlen umgekehrt. Viele Hamburger zogen nun aus den überfüllten Stadtwohnungen in die Außenbezirke. Der anhaltende Schülerschwund für beide Schulen führte zu einer Konzentration der Aufgaben: Die Meerweinstraße 26 wurde Grundschule, die Meerweinstraße 28 Haupt- und Realschule.
Gesamtschule Winterhude
Am 01.08.1979 wurde die Schule Meerweinstraße 28 eine Integrierte Gesamtschule.
Eine Gruppe von reformpädagogisch interessierter und engagierter Lehrer verschiedener Schulformen sowie einige Elternvertreter und Universitätsangehörige trafen sich erstmals im Februar 1998. Inzwischen ist aus der Initiative ein eingetragener Verein "Reformschule Hamburg e.V" entstanden.
Im Jahre 2004 stand - wegen der zurückgegangenen Schülerzahl - die Schließung der Grundschule zur Disposition. Die Deputation der Hamburger Schulorganisation beschloss 2005 die Grundschule Meerweinstraße 26, und die Gesamtschule Winterhude, Meerweinstraße 28 zur Gesamtschule Winterhude mit angegliederter Grundschule zusammenzulegen.
Nach der Verdoppelung der Anmeldungen 2005 haben sich die Anmeldezahlen der GS Winterhude auf ein gesundes hohes Niveau eingependet. Heute (Stand 04.2006) besuchen ca. 700 Kinder diese Schule.
Das Schülerprojekt „Güterwagen“
Fast 40 Jahre lang blieben die Schicksale der jüdischen Lehrerinnen vergessen, bis Schüler und Lehrer 1982 die Vergangenheit ihrer Schule erforschten: In alten Akten entdeckten sie einen Vermerk über die Entlassung der beiden Lehrerinnen im Jahr 1933 - und rekonstruierten die Geschichte ihrer Verfolgung bis in den Tod.
Zwei Jahre lang haben die Gesamtschüler bei Behörden und Betrieben Klinken geputzt, um das Projekt in die Tat umzusetzen. Die Hamburger Hochbahn hat den Gleiskörper kostenlos gebaut, die Bahn den 14t schweren Waggon zur Verfügung gestellt, den eine Spedition ebenfalls gratis in die Meerweinstraße transportierte.
Die Deutsche Reichsbahn im III. Reich
Die Vernichtungslager wurden entlang von Eisenbahnlinien eingerichtet, weil die Opfer mit der Bahn angeliefert werden sollten.
Die Reichsbahn wickelte ihre Geschäfte unabhängig ab. Deswegen musste die SS Transportgebühren bezahlen. Im Jahre 1942 betrug die Transportgebühr 0,04 Reichsmark für einen Erwachsenen pro km. Kinder zahlten die Hälfte, unter Vierjährige nichts.
Ab 1939 begannen die Deportationen nach Osten. Die DRG schuf einen um 50% reduzierten Gruppenfahrpreis für komplette Züge mit mindestens 400 Personen, unabhängig davon, wer sich im Zug befand, und warum. Um Geld zu sparen versuchte die SS, soviele Menschen in den Zügen unterzubringen wie möglich. Deshalb zwängte man 1.000 - 2.000 Menschen in diesen Güterzügen zusammen. 1942 waren Züge mit bis zu 60 Wagen die Regel. Jeder brachte etwa 5.000 Opfer in die Vernichtungslager. Die SS zwang die jüdischen Gemeinden auch den Fahrpreis zu erstatten, natürlich ohne Rückfahrkarten.
Von 1939 bis 1945 trafen nun Arbeiterzüge, Reisezüge der Fronturlauber, Güterzüge, Militärzüge und Deportationszüge aufeinander, eingebaut in die normalen Fahrpläne. Tausende Reisende und Soldaten konnten die langen Güterzüge mit Deportierten sehen, die auf Bahnhöfen auf die Weiterfahrt warteten.
Das Maß der Überfüllung der Wagen hing vom Abreisebahnhof ab. Juden aus Westeuropa wurden teilweise in normalen Personenwagen transportiert, mit angehängten Güterwagen für das Gepäck. Juden aus dem Osten durften nur einen Koffer mitnehmen. Die osteuropäischen Juden wurden normalerweise in Güterwagen transportiert, zu Beginn der Deportationen etwa 50 Personen pro Wagen, später ca. 100, manchmal sogar mehr. Die Türen waren während des Transportes verriegelt. Die Menschen erhielten weder Wasser noch Lebensmittel, weswegen viele auf der Reise starben. Wachmannschaften begleiteten die Züge, stets bereit auf Flüchtende zu schießen. Einige Deportierte ahnten, wohin die Reise ging, und versuchten zu flüchten.
Die Züge waren lang und schwer. Die Reisegeschwindigkeit war deshalb langsam, alle anderen Züge Priorität hatten. Umleitungen verzögerten zusätzlich die Reise. So waren viele Züge mehr als 50 Stunden unterwegs auf der Reise von Deutschland nach Ost-Polen. Besonders während der heißen Sommermonate war der Tod ein ständiger Reisebegleiter.
Zwischen 1942 und 1944 wurden vorwiegend Juden und Roma mit dem Zug nach den Vernichtungslagern in Polen gebracht. Im Generalgouvernement wurde die PKP (Polnische Eisenbahngesellschaft) von der Gedob (Generaldirektion der Ostbahnen) übernommen, Deutsche führten nun die Geschäfte.Die Gedob transportierte auch die Hinterlassenschaften der Opfer nach Deutschland zurück. Sogar die geschorenen Haare der vergasten Frauen wurden per Bahn nach Deutschland transportiert, zur weiteren Verwendung als Spinnstoff für die Herstellung von Strümpfen für U-Bootfahrer und als Isoliermaterial.
Die Vernichtung der europäischen Juden hätte nicht durchgeführt werden können ohne die Zusammenarbeit und Unterstützung durch Reichsbahnpersonal auf allen Ebenen. Zur „Verladung“ in Hamburg diente unter anderem der nicht mehr für den Personenverkehr genutzte Hannöversche Bahnhof.
Literatur
- Karen Gershon, Wir kamen als Kinder. Eine kollektive Autobiografie. Frankfurt am Main 1988.
- Hertha Feiner, Heinz Jahnke [Hrsg.] Vor der Deportation. Frankfurt/M: Fischer 2001.
- Rüdiger Wersebe, Julia Cohn, Eine Kollegin verschwand spurlos. In: Ursel Hochmuth/Hans-Peter de Lorent, Hamburg: Schule untern Hakenkreuz. Hamburg 1985, S 201-202.
- Souvenir Broschure. Reunion of Kindertransporte. 50th Anniversary 1939-89. London o. J. (1989).
- Mark Jonathan Harris and Deborah Oppenheimer: Into The Arms Of Strangers: Stories Of The Kindertransport. Bloomsbury, 2000
- Hilberg, Raul. Sonderzüge nach Auschwitz., Frankfurt/M., Berlin: Ullstein Verlag, 1987.
Weblinks
Denkmal
Deportation
- The Kindertransports Der Sohn Paul M. Cohn berichtet aus seiner Kindheit (en)
- KZ-ZÜGE AUF DER HEIDEBAHN
Schule
Homepage
Geschichte
Fotos
Nachrichten
- Die Grundschule Meerweinstrasse muss bleiben
- Laudatio zum 3. Preis des Cornelsen Förderpreises Zukunft Schule 2005/2006 (pdf)
Künstler
- ↑ POM : Bildhauer Peter Märker
- ↑ Cristine Schell : Kunst- und Museumspädgogin, bildende Künstlerin