Heqin
Heqin (chinesisch 和親, Pinyin Héqīn, W.-G. Ho-ch'in) bezeichnet in der historischen Forschung die Politik der politischen Heirat zwischen chinesischen Herrscherhäusern und den führenden Familien benachbarter „Barbaren“ im Zeitraum von ca. 200 v. Chr. bis in die Zeit der Tang-Dynastie.
Es handelte sich um ein politisches Instrument chinesischer Herrscher, beginnend in der Zeit der Han-Dynastie und bis in das chinesische „Mittelalter“[1] hinein, um der von mehreren reiternomadischen Gruppen ausgehenden Bedrohung an der Nordgrenze[2] ohne oft sehr risikoreiche militärische Aktionen entgegenzuwirken.
Durch die „harmonische Anverwandtschaft“ sollten nicht-chinesische Gruppen in die als universal verstandene Ordnung des chinesischen Kaiserreichs eingebunden werden, so dass eine Koexistenz ermöglicht wurde. Im Rahmen der heqin-Politik, die mit teils hohen Geschenkleistungen verbunden war und daher wirtschaftlich und politisch nicht immer erfolgreich verlief,[3] wurde allerdings der Führungsanspruch des chinesischen Kaisers als „Sohn des Himmels“ gegenüber den Nicht-Chinesen weiterhin betont. Dies war ein zentraler Punkt in der chinesischen politischen Ideologie seit der Han-Zeit, wonach das Kaiserreich das Zentrum der Welt war und keine Grenzen kannte. Selbst bedrohliche „barbarische“ Gegner wie die Xiongnu,[4] gegenüber denen die heqin-Politik zuerst angewendet wurde, waren demnach nicht gleichberechtigte politische Größen, sondern Teil der imperialen Peripherie, die es in die politische Ordnung einzugliedern galt.[5] Durch die Heiratsverträge wurde dennoch eine Art auswärtige Politik ermöglicht, die aber immer nur auf dynastischer Basis beruhte und deshalb nicht dauerhaft wirksam war. Die Konstruktion war daher nicht immer stabil, so dass es dennoch oft zu militärischen Auseinandersetzungen kam; dies war auch durch die unterschiedliche Politik chinesischer Herrscher bedingt. So vollzog beispielsweise Kaiser Han Wudi nach 50 Jahren einer beschwichtigenden heqin-Politik einen Umschwung und unternahm militärische Aktionen gegen die Xiongnu.[6]
Literatur
- Nicola di Cosmo: Ancient China and its Enemies. Cambridge University Press, Cambridge 2002.
- Kai Vogelsang: Geschichte Chinas. 3. durchgesehene und aktualisierte Auflage. Reclam, Stuttgart 2013.
Anmerkungen
- ↑ Zum Mittelalter im Kontext der chinesischen Geschichte vgl. etwa Jacques Gernet: Die chinesische Welt. Frankfurt 1997, S. 148ff.; Kai Vogelsang: Geschichte Chinas. 3. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2013, S. 171ff.
- ↑ Vgl. zu dieser Bedrohungslage Thomas Barfield: Perilous Frontier: Nomadic Empires and China. Cambridge (MA)/Oxford 1989.
- ↑ Vgl. Helwig Schmidt-Glintzer: Kleine Geschichte Chinas. München 2008, S. 48.
- ↑ Nicola di Cosmo: Ancient China and its Enemies. Cambridge 2002, S. 161ff.
- ↑ Vgl. Kai Vogelsang: Geschichte Chinas. 3. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2013, S. 145f.
- ↑ Nicola di Cosmo: Ancient China and its Enemies. Cambridge 2002, S. 206ff.