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Singener Fluchtroute

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Die Singener Fluchtroute bezeichnet im engeren Sinne den Weg der gefangenen Offiziere von Colditz bei ihrer Flucht zu Zeiten des Nationalsozialismus nach Schaffhausen. Im weiteren Sinne war es jede Flucht im Grenzgebiet nach Schaffhausen.

Verlauf der Fluchtroute

Der Ausdruck „Singener Fluchtroute“ ist zwar ungenau, da Singen nur ganz allgemein die Grenzregion angibt, aus der die Fluchten stattfanden, allerdings kamen viele Flüchtlinge mit dem Zug in Singen an und flohen dann auf verschiedenen Wegen weiter in den Kanton Schaffhausen. Der Kanton Schaffhausen war deswegen für viele von der Deportation bedrohten Juden aus Deutschland ein Ziel, da sich ab 1942 gegenüber jüdischen Flüchtlingen von Seiten des Kantons Schaffhausen eine relativ humane Praxis entwickelte. Diese war offener als die Vorgaben aus Bern, welche in der Regel eine Ausweisung vorsahen.[1]Der unübersichtliche Verlauf der Grenze in Zickzacklinien erleichterte die Flucht, aber ohne die Ortskenntnis deutscher Fluchthelfer wäre für viele Juden ein Entkommen kaum möglich gewesen.

Schloss Colditz

 Airey Neave
Airey Neave

Einer der ersten Fluchtversuche in dieser Region war der von Hans Larive aus dem deutschen Offiziersgefangenenlager auf Schloss Colditz bei Leipzig. Um ihn zu verhöhnen, erzählte ihm ein deutscher Gestapo-Offizier nach einem gescheiterten Fluchtversuch, wie er erfolgreich hätte flüchten können und welchen Fluchtweg er im Singener Grenzgebiet hätte benutzen sollen. Diese Informationen vergaß Larive nicht und trug Jahre später dadurch zur erfolgreichen Flucht von mehreren britischen und niederländischen Gefangenen bei. Normalerweise verlief die Flucht per Bahn nach Singen (Hohentwiel), dann wurde die Flucht zu Fuß über die Grenze am Spiesshof vorbei nach Ramsen fortgesetzt.[2]

Dieses Dorf nahe der deutschen Grenze war der Ort, der im 2. Weltkrieg für viele flüchtende Gefangene der Alliierten das Ziel war und Freiheit bedeutete. Unter den geflohenen Offizieren befanden sich unter anderem Airey Middleton Sheffield Neave, Francis Steinmetz, Abraham Pierre Tony Latein, Patrick Robert "Pat" Reid und Howard Douglas Wardle.

Bekannte Fluchthelfer

Joseph Höfler

Joseph Höfler wurde in Bietingen nahe der Schweizer Grenze geboren. Seine Frau Elise Höfler (geborene Brütsch) heiratete er 1935, seine Tochter Gertrud wurde 1938 geboren. Er lebte mit seiner Familie zur Zeit des Nationalsozialismus in Gottmadingen und war von Beruf Schlosser und vom Kriegsdienst freigestellt, da er in der Rüstungsindustrie beschäftigt war. Joseph Höfler half jüdischen Flüchtlingen auf der Singener Fluchtroute über die Schweizer-Grenze. Mit Hilfe von Willi Vorwalder und Hugo Wetzstein rettete er so 28 jüdischen Flüchtlingen das Leben. Er wurde dabei erwischt, verhaftet und vor Gericht gestellt. Der Prozess fand jedoch wegen des Kriegsendes nicht statt. [3]

Luise Meier

Luise Meier wurde als Luise Bemm in Vorhalle (Hagen) im südöstlichen Ruhrgebiet geboren. Sie war verheiratet mit Karl Meier, welcher 1942 an Magenkrebs starb. Die beiden hatten vier Söhne, zwei von ihnen fielen im Krieg. Luise wohnte in Berlin-Grunewald in einer Gründerzeitvilla. Im selben Haus betrieb die Jüdin Fedora Curth eine Pension, in welcher Juden unterkamen, die auf ihre Ausreise warteten. Unter anderem lebten dort auch Freunde von Luise und ihrem Mann, was sie dazu bewegte den Juden zu helfen, als die Pension 1941 zwangsweise geschlossen wurde und ihre Bewohner in Judenwohnungen umziehen mussten. Sie verhalf insgesamt 28 Juden zur Flucht, indem sie sie zu Josef Höfler nach Gottmadingen in die Nähe der Schweiz brachte. Für diese Verdienste wurden beide postum als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet. [4]

August Ruf

Gedenktafel zum 50.Todestag von August Ruf
Gedenktafel zum 50.Todestag von August Ruf

Im Jahr 1943 half Pfarrer August Ruf Käthe Lasker, einer Jüdin aus Berlin, zur Flucht vor dem Holocaust. Er bat seinen Amtskollegen Pfarrer Weiler ihr bei ihrer Flucht in die Schweiz zu helfen, was dann auch geschah, und machte sich dadurch strafbar. Im Oktober 1943 wurde er vom Amtsgericht Singen zu sechs Monaten Haft verurteilt. Am 29. März 1944 entließ man ihn überstürzt, da klar war, dass er die Haft aufgrund seiner Krankheit nicht überleben würde. Am 8. April 1944 verstarb August Ruf in Freiburg im Breisgau. Im Februar 2005 erhielt August Ruf für seine selbstlose Tat eine Ehrung der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, indem sie ihm den Titel „Gerechter unter den Nationen“ verliehen. [5]

Literatur

  • Franco Battel: Wo es hell ist, dort ist die Schweiz. Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-905314-05-3.
  • E. H. Larive: The man who came in from Colditz. CR. Hale, 1975.
  • Reiner Ruft: «The Singen-Route» - Fluchtwege alliierter Offiziere über Singen in die Schweiz. In: Hegau-Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Jahrbuch. Band 73/2016. Singen Hohentwiel, S. 263–278.

Einzelnachweise

  1. Franco Battel: Wo es hell ist, dort ist die Schweiz. Chronos Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-905314-05-3.
  2. "Ramsen, Ende von <<The Singen Route>>", Steiner Anzeiger, 18.Oktober 2016
  3. http://www.gedenkstaette-stille-helden.de/biografien/bio/hoefler-josef/
  4. http://www.gedenkstaette-stille-helden.de/biografien/bio/meier-luise/
  5. http://www.stolpersteine-singen.de/biografien/August_Ruf_Biografie.pdf