Daniel Cohn-Bendit

Daniel Cohn-Bendit (* 4. April 1945 in Montauban, Frankreich) ist Publizist und Politiker. Sein Vater war ein jüdischer Deutscher, seine Mutter war Französin. Cohn-Bendit war einer der Anführer der 68er-Bewegung und wurde deshalb für einige Jahre aus Frankreich ausgewiesen. Er lebte mit Joschka Fischer in einer WG in Frankfurt/Main und ist seit 1994 Abgeordneter im Europaparlament. Dort ist er Fraktionschef der Grünen, kandidiert wechselweise für die deutschen und die französischen Grünen. Er spricht vier Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch) fließend.
Biografie
Cohn-Bendit wurde als Kind jüdischer Eltern geboren. Sein Vater war Deutscher, seine Mutter Französin. 1933 mussten sie vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Seine frühe Kindheit verbringt er in Frankreich und er besucht das Gymnasium in Deutschland, in der Odenwaldschule im hessischen Ober-Hambach, wo er 1965 Abitur macht.
1965 kehrt er nach Frankreich zurück und beginnt mit einem deutschen Wiedergutmachungsstipendium ausgestattet, ein Studium der Soziologie an der Pariser Vororts-Universität in Nanterre. Er hält Kontakt zu linken Freunden in der Bundesrepublik und wird einer der führenden Redner der Studentenbewegung und einem größeren Publikum als „Dany le Rouge“ bekannt, als er vorschlägt, die französische Trikolore durch eine Rote Fahne zu ersetzen. Nach dem Tod von Benno Ohnesorg in Berlin (2. Juni 1967) erklärt er: "Man soll nach diesem ersten Toten in Deutschland nicht glauben, dass das Gewaltpotential in anderen Ländern kleiner ist."
Auf dem Anti-Vietnam-Kongress im Februar 1968 in Berlin lernt er den Aktivisten der westdeutschen APO, Rudi Dutschke, kennen. Das Attentat auf Dutschke wenige Wochen später ist Anlass für Cohn-Bendit, die französischen Studenten zu mobilisieren: er lädt den SDS-Vorsitzenden Karl Dietrich Wolff nach Nanterre ein. Nach den Mai-Unruhen in Paris, bei denen die Boulevard-Presse zu ihrer Berichterstattung eine Symbolfigur braucht und ihn als prominenten Anführer darstellt, wird ihm wegen angeblich revolutionärer Aktionen zeitweilig eine Rückreise von Deutschland nach Frankreich verweigert.
Cohn-Bendit lässt sich in Frankfurt am Main nieder. Auch hier ist er bald in der Sponti-Szene bekannt. Er engagiert sich in der Kinderladen-Bewegung und ist mit seinem WG-Genossen Joschka Fischer aktives Mitglied der Gruppe Revolutionärer Kampf und der Sponti-Szene. Sie versuchen mit „ungewöhnlichen“ Mitteln, die soziale Revolution zu erreichen, indem sie als Arbeiter in großen Konzernen wie Hoechst oder Opel tätig werden, um die dort malochende Arbeiterschaft zu unterrichten und zu mobilisieren. Aber auch Straßenkämpfe gehören zum Programm.
Seinen Lebensunterhalt verdient Cohn-Bendit sich in einem Buchladen und als Erzieher in einem Kinderladen. Ab 1978 fungiert er als Herausgeber sowie als Chefredakteur des Alternativ-Magazins PflasterStrand, des Organs der linken Sponti-Szene. Seine Ausweisung wird aufgehoben, dennoch bleibt Cohn-Bendit in Frankfurt. Er macht sich stark für die Bewegung der Grünen, wo er dem Realo-Flügel angehört. Cohn-Bendit wird 1984 Mitglied in der Partei. Während der Amtszeit von Joschka Fischer als hessischer Umweltminister ist er dessen enger Berater. Volker Hauff, 1989 zum Oberbürgermeister von Frankfurt gewählt, ernennt Daniel Cohn-Bendit als Dezernent für Multikulturelle Angelegenheiten.
Mitte der 1980er Jahre kontaktiert Cohn-Bendit die Schauspielerin Claude Jade. Er plant, den Doinel-Zyklus von François Truffaut mit ihr und Jean-Pierre Léaud fortzusetzen. Das Projekt zerschlägt sich. 1991 realisiert er in Co-Regie mit Peter F. Steinbach den Film C'est la vie mit Jean-Pierre Léaud.
Dem „Grenzgänger“ Cohn-Bendit gelingt 1994 der Einzug in das Europaparlament. 1999 wiederholt er dieses als Spitzenkandidat der französischen Grünen (Les Verts). Seit 2002 ist er Präsident der Grünen/ALE, der grünen Fraktion/Europaparlament
2003 erregt er durch seine Zuwendung zu Themen der Informationsgesellschaft (Software-Patente) große Aufmerksamkeit und er initiiert die Gründung der Europäischen Grünen Partei, die 32 einzelne Mitgliedsparteien vereint.
2004 geht er wieder als Kandidat der deutschen Grünen bei der Europawahl ins Rennen, nachdem er auf dem Bundesparteitag in Dresden auf den zweiten Listenplatz und damit zum männlichen Spitzenkandidaten gewählt wurde. Mit Beginn der 6. Wahlperiode des europäischen Parlaments arbeitet Cohn-Bendit im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und im Ausschuss für konstitutionelle Fragen. Als Co-Fraktionsvorsitzender der europäischen Grünen ist er außerdem Mitglied der Präsidentenkonferenz des Europaparlaments.
Daniel Cohn-Bendit lebt im Frankfurter Westend, ist deutscher Staatsbürger, seit 1997 mit seiner vormals langjährigen Freundin Ingrid Apel verheiratet und hat einen Sohn.
Er distanziert sich heute von seinen früheren Ansichten, so kritisierte er im Mai 2005 die Kapitalismusdebatte, die Franz Müntefering angestoßen hatte, als Sprache von Gestern und fordert schnellere Reformen. Er steht seitdem für eine pragmatisch orientierte grüne Politik.
Kritik
2001 wirft die Journalistin Bettina Röhl Daniel Cohn-Bendit vor, in seiner Zeit als Mitarbeiter eines Kinderladens in den 1970er Jahren sexuelle Handlungen an Kindern vorgenommen zu haben. Sie verweist dabei auf sein 1975/1976 erschienenes Buch „Le Grand Bazar / Der große Bazar“ sowie auf einen Text in der damaligen Szene-Zeitschrift das da.
Werke (Auswahl)
- Agitationsmodell für eine Revolution (1968)
- Der große Basar. Gespräche mit Michel Lévy, Jean-Marc Salmon, Maron Sell. Trikont-Verlag, München 1975
- Euro für alle. Das Währungs-Wörterbuch. Dumont, Köln 1998, ISBN 3-7701-4589-5 (mit Olivier Duhamel)
- Heimat Babylon. Das Wagnis der multikulturellen Demokratie. Hoffmann & Campe, Hamburg 2003, ISBN 3-455-10307-3 (mit Thomas Schmid)
- Linksradikalismus. Gewaltkur für die Alterskrankheit des Kommunismus. Rowohlt, Hamburg 1968 (mit Wolfgang Brokmeier)
- Quand tu seras président. Laffont, Paris 2004, ISBN 2-221-09952-4 (mit Bernard Kouchner)
- Wir haben sie so geliebt, die Revolution. Philo-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8527-0249-9
- Xénophobies. Histoires d'Europes. Grasset, Paris 1998, ISBN 2-246-576611-3 (mit Thomas Schmid)
Filme
- C'est la vie (1991)
- Juden in Frankfurt (1993)
Auszeichnungen
- 1997 - Ehrendoktorwürde der katholischen Universität Tilburg, Niederlande
- 1998 - Révélation politique (Auszeichnung für besondere politische Verdienste verliehen von Trombinoscope)
- 2001 - Hannah Arendt-Preis für politisches Denken
Weblinks
- Vorlage:PND
- Website von Daniel Cohn-Bendit
- Short Biography (englisch)
- Detailed English Biography (englisch)
- Pictures from May 68 (student revolt) (englisch)
- Bettina Röhl zum Vorwurf des Kindesmissbrauchs gegen Daniel Cohn-Bendit
Personendaten | |
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NAME | Cohn-Bendit, Daniel |
ALTERNATIVNAMEN | Dany le Rouge |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-französischer Publizist und Politiker (Bündnis 90/Die Grünen) |
GEBURTSDATUM | 4. April 1945 |
GEBURTSORT | Montauban, Frankreich |