Klassenlose Gesellschaft
Die klassenlose Gesellschaft ist ein zentraler Begriff des Marxismus.
Nach der marxistischen Theorie war die Urgesellschaft als Urkommunismus klassenlos, d.h. alle waren ziemlich gleich arm und übten im Prinzip die gleichen Tätigkeiten aus (Stufe der "Wildheit", die sich mit biblischen Überlieferungen deckt). Mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht entstand im Zuge der Entwicklung der Produktivkräfte erstmals die Möglichkeit, ein Mehrprodukt zu produzieren, also mehr, als jeder Einzelne zum Leben braucht. Laut Marxismus machte dies dann auch die Klassengesellschaft möglich, da das Mehrprodukt dazu dienen konnte, eine herrschende Klasse, die selbst am unmittelbaren Produktionsprozess nicht beteiligt war, zu ernähren. So wurde das Mehrprodukt für Notzeiten in besonderen Speichern aufbewahrt, die dann aber auch bewacht werden mussten, und gerade wenn eine Notzeit ausbrach, waren Leute notwendig, die gegen die unmittelbaren Ängste der Bevölkerung diese Vorräte verteidigten, damit nicht in der ersten Not gleich alles aufgegessen wurde. Diese Leute mussten also notfalls auch entscheiden, ob welche nicht durchgefüttert werden konnten. Sie mussten mächtig sein, mächtiger als die Masse der Bevölkerung. Die herrschende Klasse und die Klassengesellschaft war geboren (Negation der klassenlosen Gesellschaft durch die Klassengesellschaft, erste Negation). Am Ende der Entwicklung sollte nach Marx wiederum eine klassenlose Gesellschaft stehen (Stufe der "Freiheit"), welche die Klassengesellschaft negierte, zweite Negation oder Negation der Negation, um es hegelianisch auszudrücken.
Diese Gesellschaft soll als der genossenschaftliche Zusammenschluss freier Produzenten organisiert sein, die Besitzer der Produktionsmittel und gleichzeitig ihre eigenen Angestellten sind. Privateigentum zumindest an Produktionsmitteln gibt es nicht mehr, Eigentum wird aber auch nicht verstaatlicht. Der entsprechende Begriff ist gesellschaftliches Eigentum. Weil alle Fragen auf basisdemokratischer Ebene entschieden werden, wird der Staat nicht mehr benötigt und stirbt ab. Dadurch, dass die Wirtschaft nicht mehr durch Konkurrenz und Krisen zu Fehlentwicklungen gezwungen ist, steigert sich die Produktion ungemein. Auch die Landwirtschaft wird rationalisiert, weil sie im Großen und nicht auf kleinen, privaten Parzellen betrieben wird. Es gelingt, den Mangel zu beseitigen, so dass es möglich ist, jeden Menschen nach seinen vernünftigen Bedürfnissen zu versorgen. Es soll möglich sein, dass die Menschen bei der Arbeit ihren Neigungen folgen und keine festen Berufe haben, sondern sich je nach Interesse kurzfristig entscheiden, welche Tätigkeit sie ausüben wollen. So ist die Arbeit nicht mehr entfremdet, sondern Ausdruck der Persönlichkeit.
Schon im Laufe der Entwicklung des Sozialismus verschwinden infolge des technischen Fortschritts (industrielle Methoden in der Landwirtschaft, Automatisierung) und gerechter werdende Eigentums- und Produktionsverhältnisse) die Klassenunterschiede zwischen Arbeiter, Bauern, Intelligenz und anderen Schichten. Gleiche Rechte und Pflichten prägen sich aus bzw. werden gesetzlich geschaffen (z.B. 8-Stunden-Tag, ähnliche Urlaubsregelungen, Angleichung des Lohnniveaus aller Klassen und Schichten), bis schließlich allmählich nach der marxistischen Theorie im Kommunismus eine klassenlose Gesellschaft vorherrscht.
Als Voraussetzung für eine klassenlose Gesellschaft wird im Marxismus die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und des Privateigentums an Produktionsmitteln angesehen. Dies wiederum setzt einen hohe Entwicklungsstand der Produktivkräfte voraus, der aber grundsätzlich innerhalb des Kapitalismus erreicht wird, da die Konkurrenz die Kapitalisten zwingt, die Arbeitsproduktivität immer weiter zu steigern. Dies wird von Marx auch als die "historische Mission" des Kapitals bezeichnet, frühere "Produktionsweisen" waren durch geringeren technischen Fortschritt gekennzeichnet.
In der Praxis der "kommunistischen" Staaten (deren Charakter innerhalb des Marxismus umstritten ist) war der Staat freilich nicht abgestorben, sondern hatte im Gegenteil Entscheidungshoheit über die Wirtschaft. Trotzdem wurde das Ziel der klassenlosen Gesellschaft als anzustrebendes Ideal beibehalten.
siehe auch: Produktionsverhältnisse