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Mordfall Maria Ladenburger

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Der Kriminalfall Maria L. bezeichnet ein Sexualverbrechen mit Todesfolge in Freiburg im Breisgau am 16. Oktober 2016. Der Fall erregte große öffentliche Aufmerksamkeit, weil der tatverdächtige minderjährige Afghane 2015 im Zuge des Flüchtlingsstromes eingereist war. Auch die Art der Medienberichterstattung wurde thematisiert.

Tathergang

Am Abend des 15. Oktober 2016 besuchte die 19-jährige Medizinstudentin Maria L. bis circa 2:30 Uhr die Studentenfeier „Big Medi Night“[1] und trat danach mit dem Fahrrad den Heimweg zum katholischen Studentenwohnheim Thomas-Morus-Burse im Stadtteil Littenweiler an.[2] Auf dem Weg wurde sie gegen 3 Uhr am frühen Morgen des 16. Oktober in unmittelbarer Nähe des Schwarzwald-Stadions Opfer eines Verbrechens. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden wurde sie vergewaltigt. Ihre Leiche wurde am selben Tag um 8:41 Uhr in der Dreisam von einer Joggerin gefunden.[3] Rechtsmediziner stellten fest, dass der Tod durch Ertrinken eingetreten ist. Wie genau es zum Ertrinken im Fluss kam, ist unklar.[4]

Ermittlungen

Die Abläufe vor der Tat konnten nach Angaben der Ermittlungsbehörden unter anderem durch Vernehmung von Zeugen und Auswertung eines Überwachungsvideos „in weiten Teilen lückenlos rekonstruiert“ werden. Es wurden etwa 1400 Menschen vernommen und rund 1600 Hinweise überprüft.

Seit dem 30. November wurde mit einer konkreten Personenbeschreibung nach dem Täter gefahndet, nachdem ein in Tatortnähe gefundenes, 18,5 Zentimeter langes und teilweise blondiertes Haar einer Person zugeordnet werden konnte, die gemäß Überwachungskamera mit einer auffälligen Frisur um 1:57 Uhr in der Freiburger Innenstadt in eine Straßenbahn der Linie 1 Richtung Littenweiler einstieg und bis zur Endhaltestelle Lassbergstraße – etwa einen Kilometer vom Tatort entfernt – fuhr. Dies geschah etwa 50 Minuten vor der Tat.[5] Am 2. Dezember wurde der Tatverdächtige von einer Polizeistreife entdeckt und festgenommen. Es handelt sich um den zum Tatzeitpunkt 16-Jährigen Hussein K. aus Ghazni,[6][7] der laut Staatsanwaltschaft 2015 als unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland eingereist und bis zu seiner Festnahme bei einer Pflegefamilie in Freiburg untergebracht war. Da ein DNS-Abgleich ein positives Ergebnis zeigte, gilt er als dringend tatverdächtig.[8]

Berichterstattung

Regionale und überregionale Medien berichteten bereits vor der Festnahme des Tatverdächtigen über den Fall. Die Berichterstattung weitete sich nach der Festnahme stark aus und wurde von manchen Medien in einen Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise gestellt. Die Pressekonferenz der Polizei am 3. Dezember sendeten N24 und n-tv.[9] Auch im Ausland wurde über die erfolgte Festnahme eines minderjährigen Flüchtlings berichtet.[10][11][12] Ein Bericht der Associated Press über die Festnahme wurde unter anderem von der New York Times und der Washington Post veröffentlicht.[13][14]

Das ZDF meldete am 3. Dezember in der 19-Uhr-Hauptausgabe der heute-Nachrichten die Festnahme, während die Tagesschau-Sendungen der ARD den Fall nicht erwähnten. Zu diesem Zeitpunkt hatte dies unter anderem die New York Times bereits berichtet.[13] Kai Gniffke, Chefredakteur der Tagesschau-Redaktion, erklärte die Nichtmeldung mit einer lediglich „regionalen Bedeutung“ des Falles.[15] Diese Entscheidung wurde von anderen Medienschaffenden kritisiert.[16][17][18] Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte den Vorgang mit den Worten: „Über den Kampfslogan Lückenpresse braucht sich jedenfalls niemand mehr zu wundern.“[19] Einem Kommentar in der Welt zufolge hat sich die Tagesschau mit ihren verspäteten Berichten zur Silvesternacht von Köln dem Verdacht einer „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“-Berichterstattung ausgesetzt und diesen nun unnötig weiter genährt.[20] Zwei Tage später berichtete die ARD in den Tagesthemen doch an prominenter Stelle und befragte die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu dem Fall.[21][22]

Reaktionen

  • Der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) warnte vor Pauschalurteilen gegen Flüchtlinge.[23]
  • Bundeskanzlerin Merkel erwiderte auf den Vorwurf aus Teilen der Gesellschaft, ihre Flüchtlingspolitik sei mitverantwortlich für die Tat: „Ich sage erst einmal, dass dieser Mord schrecklich ist und dass meine Gedanken bei den Eltern, bei den Angehörigen sind.“ Der Fall sei ein tragisches Ereignis, das aufgeklärt werden und über das man offen sprechen müsse. Wenn sich herausstelle, dass ein afghanischer Flüchtling der Täter sei, dann sei das „absolut zu verurteilen, genauso wie bei jedem anderen Mörder, aber auch ganz deutlich zu benennen“. Damit könne jedoch nicht die Ablehnung einer ganzen Gruppe verbunden sein, wie man auch sonst nicht von einem auf eine ganze Gruppe schließen könne.[21][22]
  • SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte: „Solche abscheulichen Morde gab es schon, bevor der erste Flüchtling aus Afghanistan oder Syrien zu uns gekommen ist. Wir werden nach solchen Gewaltverbrechen – egal, wer sie begeht – keine Volksverhetzung zulassen.“
  • Die Parteisprecherin der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, nannte den Fall im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Abschaffung von Rundfunkgebühren. Er sei ein Beispiel dafür, „dass nicht umfassend berichtet wird“.[24]
  • Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt (CDU), sagte: „Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind. Und während Angehörige trauern und Opfer unsägliches Leid erfahren, schweigen die Vertreter der „Willkommenskultur“. Kein Wort des Mitgefühls, nirgends Selbstzweifel, nur arrogantes Beharren auf der eigenen edlen Gesinnung.“[25]

Debatte um umfassendere Möglichkeiten der DNA-Analyse

Der Fall entfachte eine Debatte über Bestimmungen der Strafprozessordnung. Es wäre möglich gewesen, den Täterkreis durch eine DNA-Untersuchung auf Herkunft, Haarfarbe, Augenfarbe und Größe einzugrenzen. Dies ist aber gesetzlich nicht möglich. Bestimmt werden darf nur das Geschlecht. Nach der Festnahme sprach sich Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger für eine umfassendere Auswertung von DNA-Spuren aus. Er sagte, bei der Tätersuche hätte dies massiv helfen können. Bereits vor der Festnahme forderte Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) mehr Möglichkeiten bei der Auswertung von DNA-Spuren und kündigte eine entsprechende Initiative an.[26] Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich offen für eine Diskussion über gesetzgeberischen Handlungsbedarf.[27]

Einzelnachweise

  1. Nils Mertens: Studentin missbraucht und getötet. Nach der Uni-Party traf Maria (19) ihren Mörder. bild.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  2. Frank Zimmermann, Joachim Röderer: Was die Festnahme des Tatverdächtigen im Fall Maria L. ausgelöst hat. badische-zeitung.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  3. freiburg.tv: Tote Studentin: Polizei bittet Bevölkerung um Hilfe. 21. Oktober 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  4. Frank Zimmermann: Ermordete Studentin: Was wir wissen – und was nicht. In: Badische Zeitung. Thomas Hauser, 21. Oktober 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  5. Ralf Deckert: Freiburg: 17-jähriger Flüchtling unter Mordverdacht. schwarzwaelder-bote.de, 3. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  6. Pictured: The illegal Afghan immigrant accused of killing teenage medical student. express.co.uk/, 6. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  7. Dieses Foto postete Hussein 7 Tage vor seiner Festnahme. bild.de/, 5. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  8. So spürte die Polizei den Verdächtigen von Freiburg auf. welt.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  9. Getötete Studentin in Freiburg: Tatverdächtiger ist erst 17. spiegel.de, 3. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  10. Tom Gillespie: 'MURDERED BY A MIGRANT' Teen daughter of senior EU official who volunteered at a refugee home is ‘raped and murdered by an Afghan asylum seeker. thesun.co.uk, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  11. Karen Van Eyken: Duitse stad Freiburg in shock: Maria (19) verkracht en vermoord door 17-jarige vluchteling uit Afghanistan. hln.be, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  12. Detienen en Alemania a un afgano en busca de asilo por matar presuntamente a una joven. elespanol.com, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  13. a b Associated Press: Afghan Teenager Detained in Rape, Slaying of German Student. In: The New York Times. 3. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016 (englisch).
  14. Associated Press: Afghan teenager detained in rape, slaying of German student. In: The Washington Post. 3. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016 (englisch).
  15. Alexander Krei: Mord in Freiburg: Tagesschau verteidigt News-Verzicht. dwdl.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  16. 20-Uhr-Nachrichten: Darum ließ die „Tagesschau“ die Freiburg-Meldung weg. welt.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  17. Joachim Käppner: Weglassen der Freiburg-Meldung: "Tagesschau" spielt den Falschen in die Hände. In: sueddeutsche.de. 5. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  18. Rob Virtue and Monika Pallenberg: Anger as German news show says migrant arrest over teen murder 'TOO REGIONAL' to cover, EXPRESS (UK), 5. Dezember 2016
  19. Michael Hanfeld: „Tagesschau“ und Freiburg-Mord: Jetzt berichten sie doch. faz.net, 5. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  20. Dagmar Rosenfeld: Dem Publikum trauen. In: welt.de. 6. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  21. a b ARD knickt ein! "Tagesthemen" berichten jetzt doch über den Fall Maria L., Focus online, 5. Dezember 2016.
  22. a b http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_79743054/sexualmord-in-freiburg-merkel-warnt-vor-pauschaler-verurteilung.html
  23. Joachim Röderer: Freiburgs OB Salomon warnt vor Pauschalurteilen. In: Badische Zeitung. 3. Dezember 2016, abgerufen am 3. Dezember 2016.
  24. Kritik an Freiburg-Berichten: AfD startet Kampagne gegen Rundfunkbeitrag. n24.de, 5. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  25. Studentin (19) vergewaltigt, ermordet – Flüchtling (17) in Haft: So reagiert die Politik auf den Mordfall Maria. bild.de, 4. Dezember 2016, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  26. Polizeichef fordert mehr Möglichkeiten bei DNA-Auswertung
  27. 31-Jähriger festgenommen

Koordinaten: 47° 59′ 24,7″ N, 7° 53′ 35,5″ O