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Kernkraftwerk Tschernobyl

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Das heute stillgelegte Kernkraftwerk Tschernobyl liegt vier Kilometer von Prypiat und ungefähr 16 Kilometer von Tschornobyl entfernt in der Ukraine. Durch den Reaktorunfall von Tschernobyl 1986, als der Reaktor des Blocks IV explodierte, ging das Kernkraftwerk unrühmlich in die Geschichte ein.

Reaktortechnik

Bei den für Tschernobyl geplanten bzw. eingesetzten Reaktoren handelte es sich um solche des Typs RBMK der ersten (Blöcke I und II) bzw. zweiten Generation (Blöcke III und IV). Diese graphitmoderierten Reaktoren haben eklatante Sicherheitsmängel (siehe RBMK). Jedem Reaktor waren zwei Generatoren zugeteilt, die in einer für alle vier Blöcke gemeinsamen Turbinenhalle von fast 800 Metern untergebracht waren.
Die Reaktoren hatten eine Leistung von jeweils 1000 Megawatt. Für die nie fertiggestellten Blöcke V und VI war eine Leistung von 1500 Megawatt geplant. Das Kraftwerk verfügte somit zwischen 1983 und 1986 über eine Maximalleistung von 4000 Megawatt elektrisch bzw. 12800 Megawatt thermisch.

Bau und Betrieb

Das Kraftwerk in der heutigen Form wurde von ca. 1970 bis 1983 erbaut. Eigens für das Kraftwerk wurde ein Kühlsee angelegt. Auch nach der Katastrophe in Block IV wurde (nach einer Unterbrechung) bis 2000 weiter in Tschernobyl gearbeitet. Die Arbeit im hochverstrahlten Kraftwerk war ab 1986 äußerst gut bezahlt.

Block I

Block I wurde 1977 fertiggestellt. Am 1. September 1982 (während des Baus von Block IV) wurde ein zentrales Brennelement durch Überhitzung infolge eines Bedienungsfehlers zerstört. Erhebliche Mengen an Radioaktivität traten aus, die radioaktiven Gase gelangten bis Prypiat. Bei der Reparatur wurden diverse Arbeiter einer massiv überhöhten Strahlendosis ausgesetzt. Block I ging schliesslich im November 1996 vom Netz.

Block II

Block II wurde 1978 fertiggestellt. Während längerer Zeit bestand ein Leck im Abklingbecken für abgebrannte Brennelemente. Der Austritt geringer Mengen an Radioaktivität wird vermutet. Im Oktober 1991 kam es nach einer Wasserstoffexplosion zu einem Großbrand in der Turbinenhalle, das Dach stürzte teilweise ein und einer der beiden Generatoren wurde schwer beschädigt. Da die manuelle Reaktorabschaltung gelang, wurde der Reaktor selbst nur minimal beschädigt und es trat kaum Radioaktivität aus. Nach Kostenabschätzungen für eine allfällige Reparatur entschied man sich, Block II nicht zu reparieren.

Block III

Block III wurde 1981 fertiggestellt und wurde erst im Dezember 2000 auch auf Druck und nach Ausgleichszahlungen der EU vom Netz genommen. Von grösseren Störfällen in diesem Block ist nichts bekannt.

Block IV

Block IV wurde 1983 fertiggestellt. In der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986 kam es aufgrund von Fehlmanipulationen zu einer Kernschmelze und Explosion des Reaktorkerns. Siehe Katastrophe von Tschernobyl.

Blöcke V und VI

Die Blöcke V und VI waren ab 1981 etwas abseits der Blöcke I bis IV im Bau. Block V hätte im Herbst 1986 den Probebetrieb aufnehmen sollen, Block VI war 1986 zur Hälfte fertiggestellt. Trotz dem GAU in Block IV wurde zunächst an beiden Blöcken weiter gebaut. Durch die hohe radioaktive Belastung des Gebiets mussten die Bauarbeiten bald eingestellt werden. Beide Blöcke wurden mit einem Schutzanstrich vor Witterung und Alterung geschützt. Die UdSSR plante, die beiden Blöcke nach Absinken der Radioaktivität fertig zu stellen. Die neue politische Lage in den 1990er Jahren machte die Durchführung dieses Plans unmöglich, da die Ukraine als Nachfolgestaat auf diesem Gebiet weder den politischen Willen noch die finanziellen Mittel zur Fertigstellung hatte.

Energiepolitische Bedeutung

Die drei bzw. vier Blöcke des Kraftwerks waren für die Energieversorgung der UdSSR und vor allem für deren Nachfolgestaat Ukraine von sehr hoher energiepolitischer Bedeutung. Insbesondere die Ukraine ist elektrizitätsmäßig unterversorgt und wäre auf den Strom aus Tschernobyl angewiesen. Tschernobyl lieferte ungefähr 1/6 des in der Ukraine atomar hergestellten Stroms, was ca. 8-10% der Gesamtstrommenge entsprach. Nur dieser Hintergrund macht es erklärbar, weshalb das Kraftwerk noch 14 Jahre lang nach dem Super-GAU weiter betrieben wurde und weiterhin viele Menschen in diesem hochverstrahlten Gebiet arbeiteten.

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